Die Franzosen: verhärtet
Springt Frankreich den Griechen noch bei? Die Versuchung ist da. Seit dem Frühjahr 2012, seit seinem Amtsantritt, verheißt Präsident François Hollande, er wolle Europa vom Joch der Brüsseler (und Berliner) Sparpolitik befreien. Jetzt, da die linke Regierung in Athen soziale Nachlässe verlangt, böte sich Gelegenheit: Europas Kurs würde sich radikal ändern - wenn, ja wenn sich der Sozialist im Élysée auf die Seite der Griechen schlüge. Doch Hollande wird dieser Versuchung nicht nachgeben. Das tuscheln seine eigenen Berater, das glauben deutsche EU-Diplomaten: "Der steht!" Und das deutet der Präsident selbst an. Am Freitag, bei einem Besuch in slowakischen Bratislava, äußerte sich der Präsident zum bevorstehenden Krisengipfel. Man müsse "zu einem Kompromiss kommen - aber zu einem Kompromiss begründet auf europäischen Regeln." Der Nachsatz ist entscheidend - denn er fällt knapper aus als zuletzt. Bisher hatte Hollande stets zweifachen Respekt eingefordert: einerseits für "die Demokratie", also die Wahl der Syriza-Regierung, und andererseits für "die Regeln", für das Einhalten der EU-Vereinbarungen. Insofern klingt Hollande heute, nach wochenlangem Gezerre mit Athen, unnachgiebiger denn je. Laut einer neuen Umfrage will eine knappe Mehrheit der Franzosen keinen Grexit. Auch Hollande möchte das nicht. Sein Finanzminister Michel Sapin warnte, bei einem Scheitern drohe "eine unmittelbare Katastrophe" - für Griechenland. Christian Wernicke
Die Italiener: schulmeisterlich
Als Alexis Tsipras im Februar, kurz nach seiner Wahl, nach Rom reiste, rechnete er sich viel Goodwill aus von seinem linken italienischen Amtskollegen Matteo Renzi, vielleicht sogar Lobbyarbeit in Brüssel und Berlin. Der Grieche wähnte sich in einer Zweckgemeinschaft mit dem Italiener, da der ebenfalls einem hoch verschuldeten Land vorsteht; nach Griechenland hat Italien die zweithöchste Schuldenquote in der Euro-Zone. Doch der Wind hatte gedreht, das Wachstum ein bisschen angezogen, Italien zählte sich schon nicht mehr zu Europas Patienten. Und Renzi entließ Tsipras mit der Aufforderung, Reformen zu realisieren, daran führe kein Weg vorbei. Im Appell schwang mit: Schau mich an, ich reformiere auch. Das viel gescholtene, traditionell reformrenitente Italien gab sich plötzlich schulmeisterlich. Solidarisch zwar, aber mit klaren Auflagen. Die Haltung Roms erklärt sich auch damit, dass die italienische Bevölkerung nur leidlich versteht, warum sie selber Opfer bringen muss, während sich die Griechen, die von Italien mit Krediten über 40 Milliarden Euro gestützt werden, ihre angeblichen Extravaganzen weiter leisten. Der Corriere della Sera rechnete vor, dass die Italiener mittlerweile mit 66 Jahren in Rente gingen, während die Griechen sich im Durchschnitt noch immer im Durchschnitt mit 60,6 Jahren zur Ruhe setzten. Am Sonntagabend zeigte sich Renzi dennoch optimistisch. Es gebe "alle Voraussetzungen" für eine Einigung mit Athen. Oliver Meiler
Die Spanier: krisenerprobt
Bei allen Differenzen über den richtigen Weg aus der Krise - Spanien hat durch das Platzen einer Immobilienblase vor sieben Jahren eigene Erfahrungen - herrscht unter allen Parteien von links bis rechts Einigkeit: Madrid steht fest zum Euro, es gibt keine europaskeptische Partei im Lande. Einig ist man sich auch darin, dass die Griechen dabeibleiben sollen. Doch die regierenden Konservativen unter Mariano Rajoy, der das Land mit einem harten Sparprogramm aus der Rezession geführt hat, pochen darauf, dass die Griechen ebenfalls sparen und Reformen in Angriff nehmen. Zwar wird diese Politik von der linksalternativen Gruppierung Podemos als ungerecht angeprangert. Doch hat Podemos kaum Chancen, nach den Parlamentswahlen im Herbst die Wirtschaftspolitik zu bestimmen. Zwar haben linksalternative Kandidaten bei den Kommunalwahlen vor einem Monat glänzend abgeschnitten, aber viele kamen aus lokalen Bürgerinitiativen, die skeptisch zu den Neomarxisten in der Podemos-Führung stehen. Wahlanalysen haben ergeben, dass die Konservativen weniger wegen der Sparpolitik, als vielmehr wegen ihrer Korruptionsaffären viele Wähler verloren haben. Hinzu kommt, dass die große Mehrheit der Spanier die Griechen für unsolide hält. Dies belegte zuletzt eine Umfrage des renommierten amerikanischen Pew-Instituts über Fremdenbilder in den EU-Staaten. Thomas Urban
Die Slowenen: enttäuscht
Vor anderthalb Jahren stand das EU-Land Slowenien selbst am Abgrund; der Staatsbankrott schien unabwendbar und Finanzhilfe aus dem Rettungsschirm dringend nötig zu sein. Aber die kleine Republik verordnete sich ein striktes Bankensanierungs- und Privatisierungsprogramm; mittlerweile verzeichnet das Land wieder ein geringes Wachstum. In der tiefen Krise war die Bereitschaft in Ljubljana, den Griechen zu helfen, höchst gering gewesen. Warum sollen wir einem Land helfen, das grundlegende Reformen verweigert, während wir unsere Hausaufgaben machen, hieß es? Doch Ljubljana blieb solidarisch und zahlte; Kredite von 1,55 Milliarden Euro wurden an Athen vergeben, was im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt mehr war, als große Länder wie Deutschland garantierten. Allerdings kritisiert Ministerpräsident Miro Cerar offen, dass es schwierig sei, in Slowenien einen Schuldenschnitt für die Griechen zu vertreten, während die Hälfte seines eigenen Landes "weniger entwickelt" sei als Griechenland. Ob Ljubljana weitere Hilfen für das reformunwillige Partnerland in Europas Süden mittragen würde, ist deshalb zweifelhaft. Cerar wird in der Welt damit zitiert, dass sich der griechische Premier Alexis Tsipras noch nie bei ihm und seinen Landsleuten bedankt habe. Er sei "sehr enttäuscht". Cathrin Kahlweit
Die Niederländer: kaufmännisch
Die Niederländer schauen skeptischer auf Europa als die Deutschen. Vom Ziel eines immer engeren Zusammenschlusses haben sie sich verabschiedet, sie schauen neuerdings genauer hin, was die Union ihnen bringt und was sie kostet. Der Euro allerdings ist ihnen wichtig, für die gemeinsame Währung würden sie sogar noch mehr Macht nach Brüssel verlagern. Als Handels- und Exportnation ähneln ihre Interessen denen der Deutschen, deshalb zählen sie seit Beginn der Euro-Krise zu jenen, die besonders energisch auf die Einhaltung der Regeln pochen. Der mahnende Zeigefinger knickte nur vorübergehend ein wenig ab, als die Niederländer von 2012 bis 2014 selbst in eine schmerzhafte Rezession gerieten. Aus der haben sie herausgefunden, auch die Krise am Immobilienmarkt, die zunächst bedrohlich wirkte, scheint überwunden zu sein. Die Niederlande haben selber starke Einschnitte verkraften müssen, umso weniger Anlass sieht die regierende Koalition aus Rechtsliberalen und Sozialdemokraten nun, den Griechen noch weiter entgegenzukommen. Wirtschaftspolitisch steht der liberale Premier Mark Rutte eng an der Seite der Deutschen, deren Sparkurs er genauso stützt wie sein sozialdemokratischer Finanzminister Jeroen Dijsselbloem, der den Griechen als Chef der Euro-Gruppe die immer gleiche Botschaft übermitteln muss: Hilfe ja, aber nur gegen Reformen. Thomas Kirchner