Streit über Industrie- und Handelskammern:Aufstand gegen die Milliarden-IHK

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Die Rücklagen sind enorm: Die deutschen Industrie- und Handelskammern haben Milliarden angespart. Das kritisieren ihre Gegner scharf. Sie prangern zudem an, dass die Mitgliedsbeiträge von Ort zu Ort sehr unterschiedlich sind.

Thomas Öchsner, Berlin

Wer in Deutschland eine Firma gründet, muss ab einer gewissen Gewinnschwelle Beiträge an eine der 80 Industrie- und Handelskammern zahlen. Dagegen laufen seit Jahren die Kammerrebellen Sturm. Ihre Lobbyorganisation, der Bundesverband für freie Kammern (BffK), hat jetzt neuen Stoff für den Streit um die Zwangsmitgliedschaft in den öffentlich-rechtlichen Körperschaften geliefert. Der "Kammerbericht 2012" des BffK zeigt: Die Mitgliedsbeiträge sind je nach IHK höchst unterschiedlich.

Beispiel eins: Ein Unternehmen hat einen Gewinn von 25.000 Euro im Jahr. Innerhalb der IHK München und Oberbayern ist dann nach den Recherchen des BffK ein Beitrag von jährlich 64 Euro fällig. In Düsseldorf sind es dagegen 46 Euro, in der IHK Pfalz sogar 95 Euro.

Noch größer ist die Kluft bei den Beiträgen für die Handwerkskammer. In Hamburg sind dann zum Beispiel 643 Euro zu entrichten, in Bayerns Landeshauptstadt nur 182 Euro.

Beispiel zwei: Die Firma erzielt einen Gewinn von 130.000 Euro. An die IHK Pfalz sind dann laut dem Bericht 898 Euro, an die in Düsseldorf nur 487 Euro zu zahlen. Ein Handwerksbetrieb mit diesem Gewinn kommt nicht so günstig weg: In Hamburg beläuft sich der Beitrag auf 2833 Euro, in München auf 1272 Euro.

Der Verband kritisiert deshalb: Gerade für Handwerksbetriebe stellten die Beiträge "eine unzumutbare Belastung" dar. Im Gegensatz zu jenen der Industrie- und Handelskammern seien sie zuletzt weiter gestiegen, "was diese Diskrepanz noch verschärft".

Der BffK hakte auch nach, wie es um die Finanzen der 80 Industrie- und Handelskammern bestellt ist. Deren Rücklagen und (Pensions-)Rückstellungen beliefen sich demnach für 2010 auf 2,1 Milliarden Euro. Der Verband hält dies für "völlig überhöht".

Eine solche Vermögensanhäufung stehe in krassem Widerspruch "zu den gesetzlichen Vorgaben einer sparsamen Haushaltsführung und einer Beitragserhebung ausschließlich zur Finanzierung der gesetzlichen Aufgaben". Auch sei nur die Hälfte der Kammern bereit gewesen, Daten über ihre Finanzreserven zu liefern.

Sachsens früherer Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) merkt in einem Vorwort zu dem Bericht an: Die Kammern hätten sich als "Bürokratien" verselbständigt. Mehr Transparenz würde ihnen "Unbehagen" bereiten. Sie sei aber "die erste Voraussetzung, um zu prüfen, ob eine Organisation ihre Legitimation noch aus den ursprünglichen Gründungsabsichten herleiten kann".

© SZ vom 16.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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