Streit über gemeinsame Anleihen:Wie ein Brüsseler Rausch den Euro gefährdet

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Von "Stabilitätsbonds" spricht EU-Kommissionschef Barroso - und erweist sich damit als Sprachpanscher des Jahres. Mit Stabilität haben die angedachten gemeinschaftlichen Anleihen gar nichts zu tun. Dafür viel mit erhöhtem Risiko. Kanzlerin Merkel muss in der Euro-Bonds-Debatte standhaft bleiben - ansonsten droht Deutschland eine uferlose Haftung.

Alexander Hagelüken

Es ist ein Instrument, von dem jeder Politiker träumt. Ein magisches Füllhorn, das einen Rausch ohne Kater verspricht. Für Politiker heißt das: Geld ausgeben, ohne zu haften. Natürlich will EU-Kommissionschef José Manuel Barroso dieses Instrument ganz anders darstellen, wenn er an diesem Mittwoch dafür werben wird, die Euroländer gemeinsam für ihre Schulden haften zu lassen. Barroso spricht von "Stabilitätsbonds", doch diese Wortschöpfung wirkt wie die Sprachpanscherei des Jahres. Denn Barroso blendet vorsätzlich die Risiken aus, die Euro-Bonds für den Euro bedeuten.

EU-Kommissionschef José Manuel Barroso und Bundeskanzlerin Angela Merkel streiten sich um die Einführung von Euro-Bonds. (Foto: dpa)

Dem Kommissionschef geht es weniger um Stabilität als um Solidarität. Griechenland, Italien und Co. können sich an den Kapitalmärkten nur noch teuer finanzieren. Auch der aufgeblasene Rettungsschirm lockt Chinesen und anderen Finanziers bisher kaum Geld aus den Taschen. Das ändert sich, wenn die Deutschen via Euro-Bonds für Schulden des Südens einstehen. Doch genau das verspricht einen Rausch ohne Kater: Geld ausgeben, um dessen Rückzahlung sich vor allem andere kümmern müssen. Euro-Bonds werden im Süden der EU rasch den Sparwillen erlahmen lassen, ohne den der Euro nicht weiterbestehen kann.

Die EU-Verträge verbieten aus gutem Grund, dass die Staaten gemeinsam für Schulden haften. Jede Währungsunion krankt an einem Grundproblem: Einheitsgeld verlockt zum Schuldenmachen, weil nationale Regierungen die Folgen der Misswirtschaft, wie höhere Notenbank-Zinsen, anders als früher bei Lira und Drachme nicht alleine ausbaden müssen - auch die anderen Eurostaaten leiden mit. Euro-Bonds vergrößern die Verlockung zur Misswirtschaft, sie verwandeln Europa in ein Casino Royal. Deutschland drohen höhere Zinsen für seine Kredite und uferlose Haftung.

Akzeptabel sind die gemeinsamen Anleihen nur, wenn jemand die Regierungen beim Schuldenmachen automatisch stoppt. Doch wer ist dieser jemand? Kommissionschef Barroso will es selbst sein. Durch schärfere Haushaltsregeln möchte der Portugiese Defizite begrenzen. Nur: Bisher haben die Regierungen nicht genug Souveränität an die EU übertragen, als dass man an den Schuldenstopp glauben könnte. Vor genau 15 Jahren baute der deutsche Finanzminister Theo Waigel eine Defizitbremse in die Währungsunion ein. Als sie dann den Euro hatten, gaben viele Südstaaten trotzdem Vollgas.

Die Bundeskanzlerin spielt auf Zeit. Sie hofft, dass der Rettungsschirm doch noch das nötige Kapital heranschafft und die neuen Regenten in Athen und Rom die Märkte beruhigen. Schlägt das fehl, bleiben nur zwei Instrumente, um den Euro zu retten: Euro-Bonds oder die Zentralbank EZB. Beides birgt enorme Risiken, doch ein Einsatz der EZB hat einen klaren Vorteil: Es ließe sich viel besser kontrollieren, ob die Schuldenstaaten wirklich sparen - notfalls entzieht man ihnen die Notenbank-Hilfe, um sie unter Druck zu setzen.

© SZ vom 23.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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