Erbschaftssteuer:Den Reichen darf es wehtun!

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Der Großteil des Vermögens in Deutschland ist in die Händen einiger weniger (diese vergoldete Zigarre kostet übrigens 400 Euro).

(Foto: dpa)

Um die breite Mehrheit der Arbeitnehmer zu entlasten, sollte Deutschland den Vermögenden mehr abverlangen.

Essay von Claus Hulverscheidt

Zu den vielen wundersamen Dingen, die aus den Vereinigten Staaten von Amerika eine Art Gesamtkunstwerk machen, gehört der Umstand, dass jeder zehnte Dollar im Staatssäckel aus einer Steuer auf Vermögen stammt. Zum Vergleich: Im Arbeiter- und Bauernstaat Frankreich ist es nur jeder zwölfte Euro, in Italien jeder siebzehnte, in Portugal gar nur jeder achtundzwanzigste. Und in Deutschland? Nicht einmal jeder vierzigste! Anders ausgedrückt: Der Anteil vermögensbezogener Abgaben an allen Steuereinnahmen ist in den USA vier, in Großbritannien sogar fünf Mal so hoch wie in der Bundesrepublik. Ausgerechnet die Apostel des Kapitalismus also gehen weniger zimperlich mit ihren Reichen um als die vermeintlich so egalitären Deutschen.

Zugegeben, dieses ist Bild schief, denn ob es in einem Land sozial gerecht zugeht, hängt natürlich von weit mehr Faktoren ab als nur von der Frage, wie hoch Vermögen besteuert wird. In Deutschland etwa wird schon über die Einkommensteuer so viel von oben nach unten umverteilt, dass allein das den Vorsprung der Amerikaner bei der Vermögensbelastung wettmacht. Hinzu kommt ein Sozialversicherungssystem, das auch den Ärmsten ein Mindestmaß an Schutz bietet. Vor einem Land wie den USA, in dem eine Krebsdiagnose oft nicht nur Todesangst, sondern auch den finanziellen Ruin bedeutet, braucht sich die Bundesrepublik nicht verstecken.

Kläglicher Erbschaftsteuerstreit

Dennoch lohnt ein Blick nach Amerika, denn er zeigt: Man kann Bar- und Firmenvermögen, Erbschaften und Immobilienbesitz deutlich höher besteuern als in Deutschland, ohne dass deshalb die Wirtschaft zugrunde geht, die Reichen auswandern oder der Kommunismus Einzug hält. Das ist vor dem Hintergrund des jahrelangen, kläglichen Erbschaftsteuerstreits in der Bundesrepublik ein interessanter Aspekt.

Die Kleinklein-Diskussion ist symptomatisch für ein Land, in dem seit zehn Jahren keine steuerpolitische Grundsatzdebatte mehr stattfindet. In dem sich die Union auch die kleinste Steuererhöhung und damit das Denken verboten hat. In dem eine in Angst erstarrte SPD nicht mehr weiß, was sie noch wollen soll. In dem irrlichternde Grüne Besserverdienende als "Reiche" brandmarken, und in dem die Linke so lange eine Steuererhöhungsidee auf die nächste packte, bis der schiefe Turm über ihr zusammenbrach. Das Land Ludwig Erhards, Karl Schillers, Helmut Schmidts und Gerhard Stoltenbergs - es ist zur Heimstatt von Zwergökonomen verkommen.

Selbstverständlich: Eine große Steuerreform ist kein Selbstzweck, und ihre Umsetzung ist alles andere als trivial. Und doch muss ein Land immer wieder überprüfen, ob sein Steuer- und Abgabensystem im Lichte sich verändernder wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Rahmenbedingungen den Anforderungen noch gerecht wird. Ob es die Menschen wirklich nach ihrer persönlichen Leistungsfähigkeit belastet. Ob es Leistung und Investitionen belohnt. Ob es Ungleichheit abbaut, statt sie zu vergrößern. Ob es dem Staat eine ausreichende, zugleich aber knappe Einnahmebasis verschafft, die ihn zu Sparsamkeit zwingt.

Wohlstandsgewinne verteilen sich auf immer weniger Menschen

Über Jahrzehnte hinweg trugen die Steuersysteme in Deutschland und auch in den USA dazu bei, dass die Wirtschaft florierte, dass viele Menschen am Aufschwung teilhatten, dass der Abstand zwischen Arm und Reich nicht zu groß wurde. Doch mit dem Beginn der Globalisierung und der Liberalisierung der Finanzmärkte begann das System zu erodieren.

Die nach wie vor sprudelnden Wohlstandsgewinne verteilen sich seither auf immer weniger Menschen, während der Rest - von der oberen Mittelschicht an abwärts - die Verluste zu tragen hat. Branchen, die früher ganze Regionen am Leben hielten, sind verschwunden, die Textilindustrie in Schwaben etwa oder die Stahlindustrie in Pittsburgh. Gleichzeitig stagnierten die Löhne, stiegen die Mieten, explodierten die Kapitalerträge der Vermögenden.

Hinzu kamen Steuersenkungen für alle Bevölkerungsschichten, im dem guten Glauben, dass so vor allem die am oberen Ende frei werdenden Mittel in neue Arbeitsplätze investiert werden und die entstehenden Wohlstandsgewinne nach unten durchsickern. Diese vor allem bei den US-Republikanern, zeitweise aber auch in Deutschland populäre "Trickle-Down"-Idee ist gescheitert: Statt in die Realwirtschaft wanderte das zusätzliche Geld in Aktien, Immobilien und andere Finanzanlagen.

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