Stellenanzeigen:Geht die Extrameile doch allein!

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Was die Arbeitnehmer vor allem interessiert: mehr Geld. Was sie stattdessen oft bekommen: einen Obstkorb. (Foto: R. Rebmann/Imago)

"Die Extrameile gehen", "flache Hierarchien" - und dazu ein Obstkorb: Solche Versprechen in Stellenanzeigen schrecken Bewerber ab. Ein Plädoyer für mehr Ehrlichkeit.

Von Paulina Würminghausen

Die Fachkräfte von heute wissen genau, dass Unternehmen auf sie angewiesen sind. Entsprechend wollen sie umworben werden. Sie wünschen sich eine Viertagewoche, flexible Arbeitszeiten, Home-Office und mehr Geld. Was sie bekommen: einen Obstkorb. Oder einen "großen Gestaltungsspielraum" in einem "dynamisch wachsenden Arbeitsumfeld", am besten noch mit "flachen Hierarchien". Statt in ihren Stellenanzeigen handfeste Informationen zu liefern, nerven die Unternehmen Arbeitssuchende oft mit inhaltsleeren Floskeln. Zu diesem Ergebnis kommt das Jobportal "Meinestadt.de", das 3000 Erwerbstätige zwischen 18 und 65 Jahren befragt hat.

Jobsuchende wünschen sich viel mehr relevante Auskünfte: 58,2 Prozent der Befragten ist etwa die Aufzählung der Arbeitsinhalte besonders wichtig. Man will eben wissen, was man den ganzen Tag überhaupt macht - und nicht, ob man dabei einen Apfel umsonst essen kann. 50,2 Prozent wollen Informationen zur Sicherheit des angebotenen Jobs und 49 Prozent wollen wissen, wie viel Geld es für das Ganze überhaupt gibt.

Statt abgedroschener Floskeln wäre es doch - wie eigentlich in allen Lebenslagen - besser, die Wahrheit zu sagen. Schon Max Frisch wusste das: "Die beste und sicherste Tarnung ist immer noch die blanke und nackte Wahrheit. Komischerweise, die glaubt niemand!", sagte der Schriftsteller. Das wäre ein wichtiger Schritt, um den anspruchsvollen Arbeitnehmer für sich zu gewinnen: ihm die knallharte Realität ins Gesicht pfeffern. Die Unternehmen könnten statt "flache Hierarchien" etwa offen zugeben, dass der Chef nicht kompetent ist und keine Ahnung hat von dem, was seine Mitarbeiter eigentlich machen. Spätestens, wenn der anspruchsvolle Arbeitnehmer beim Unternehmen anfängt, merkt er das ja eh. Wieso dann in der Stellenanzeige etwas vorgaukeln?

Ehrlichkeit bringt mehr als abgedroschene Floskeln

Und bei "dynamischen Arbeitsumfeld" wissen die erfahrenen Bewerber sowieso, dass das ein Euphemismus ist für: Die Leute kündigen quasi im Wochentakt, weil es hier so unerträglich ist, deswegen musst du dich alle paar Wochen an neue Kollegen gewöhnen. Das muss nicht unbedingt schlecht sein; schließlich sind die Kotz-Kollegen auch schnell wieder weg. Wenn man dem Mitarbeiter dann noch vermittelt, dass er eigentlich keine Ansprechpartner hat und völlig alleingelassen wird (aka "großer Gestaltungsspielraum") könnte die Stellenanzeige die anspruchsvollen Arbeitnehmer glatt umhauen vor Authentizität. Was dann noch ein i-Tüpfelchen wäre und vermutlich eher für die gewagteren Arbeitgeber: statt "die Extrameile gehen" einfach schreiben: "Hier werden die Mitarbeiter völlig ausgebeutet." Auf diese Weise würde man sich zumindest all jene Kollegen fernhalten, die Wert auf einen pünktlichen Feierabend legen.

Der Unternehmer Carsten Maschmeyer hat auf der Karriereplattform Linkedin vor einigen Tagen zusammengetragen, was für absurde "Benefits", wie es im Chef-Slang heißt, die Arbeitnehmer bekommen. Darunter sind auch 20 Tage Urlaub, kostenlose Getränke - und eine pünktliche Bezahlung. Also die absoluten Mindeststandards, die ein Unternehmen erfüllen sollte. Wobei die Getränke manchmal doch zu ziehen scheinen. In einem der Kommentare unter dem Post steht nämlich: "Bei uns gibt es kostenlose Getränke nach Wahl der Mitarbeiter." Und dann, in Klammern: "Die 18 Jahre lang gereiften Whiskys, die viele gerne trinken, gehen ganz schön ins Geld." Aber, heißt es weiter: "Was tut man nicht alles für seine people".

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