Staubwolke: Wirtschaftliche Folgen:Staub im Getriebe

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Der Flugverkehr über Deutschland ist weitgehend lahmgelegt und die Airlines zahlen die Zeche. Nutznießer sind Autovermieter und die Bahn.

Tobias Dorfer und Sibylle Haas

Kein Luftfahrt-Manager will sich vorstellen, was eine mehrtägige Schließung des europäischen Luftraums bedeuten würde. Schnell werden Erinnerungen an den 11. September 2001 wach: Terroristen hatten Verkehrsflugzeuge ins New Yorker World Trade Center gesteuert und die Maschinen so zu fliegenden Bomben gemacht.

Viele Menschen flogen aus Angst vor neuen Anschlägen nicht mehr. Viele, vor allem amerikanische Airlines, gingen Pleite und Hunderttausende verloren ihre Jobs. Es war die schlimmste Krise der Weltluftfahrt mit Verlusten in Milliardenhöhe.

Derlei Folgen wird die Aschewolke nach dem Vulkanausbruch in Island nicht verursachen - zumindest dann nicht, wenn sie sich nach dem Wochenende verzogen hat, schätzen Experten. Doch es ist das erste Mal nach Kriegsende, dass so viele Flughäfen in Europa gleichzeitig geschlossen wurden. Etwa 60 Prozent der geplanten 28.000 Flüge fielen aus, teilte die europäische Flugsicherung Eurocontrol mit. Die größten Flughäfen Europas London-Heathrow, Charles de Gaulles in Paris und der Frankfurter Flughafen waren darunter, Allein in Deutschland waren bis zum Nachmittag an 13 der insgesamt 16 internationalen Flughäfen keine Starts und Landungen möglich, teilte die Deutsche Flugsicherung mit. Sie koordiniert den Verkehr im deutschen Luftraum. Der Münchener Flughafen blieb von der Schließung zunächst verschont.

"Der Vulkanausbruch wird den deutschen Flughäfen täglich Verluste in Millionenhöhe bescheren", sagte der Hauptgeschäftsführer des deutschen Flughafenverbands ADV, Ralph Beisel. Der Verband der Europäischen Verkehrsflughäfen AEA in Brüssel rechnet mit Schäden in dreistelliger Millionenhöhe. Dem Verband gehören 36 Fluggesellschaften an, darunter Lufthansa, British Airways und Air France/KLM. Allein am Freitag könnte sich das Minus auf insgesamt mehr als 100 Millionen Euro summieren, sagte ein AEA-Sprecher. Für eine genaue Schätzung sei es aber noch zu früh.

Bahn: "Hohes Reiseaufkommen"

Zurückhaltend äußerte sich auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Die wirtschaftlichen Folgen seien noch nicht bezifferbar. Sie seien davon abhängig, ob und wann die Aschewolke weiterziehe, hieß es dort. Die Luftfahrt gehört weltweit zu den wirtschaftlich wichtigsten Branchen, da viele andere Wirtschaftszweige von ihr abhängen. Nicht nur Touristen und Geschäftsleute brauchen das Flugzeug zur Überwindung großer Entfernungen. Viele Produktionsbetriebe bekommen ihre Zulieferteile über die Luftfracht und die Exportwirtschaft benötigt den Luftverkehr ebenso. Bei Betrieben, die auf Lieferungen angewiesen seien, könne es zu Versorgungsengpässen kommen, sagte Rolf Kroker, der Chefvolkswirt des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW).

Für die Fluggesellschaften sind die Auswirkungen der Aschewolke aus Island besonders gravierend. "Da geht echt etwas verloren", sagte IW-Fachmann Kroker. An der Frankfurter Börse verloren die Aktien der Lufthansa bis zum Nachmittag mehr als zwei Prozent ihres Wertes, auch die Papiere von Air Berlin gaben um 1,4 Prozent nach. Den volkswirtschaftlichen Gesamtschaden hält Kroker jedoch für nicht gravierend. "Sollte die Staubwolke den Flugverkehr nur einen oder zwei Tage lang lahmlegen, ist das aus volkswirtschaftlicher Sicht nicht weiter schlimm."

Lufthansa bezifferte die Zahl der ausgefallenen Flüge am Freitag nicht, da sich die Zahl der Streichungen wegen der aktuellen Wetterlage stündlich verändere, begründete eine Sprecherin. Am Frankfurter Flughafen, der von acht Uhr morgens an dicht war, ist Lufthansa der größte Kunde. Nach Angaben eines Flughafensprechers wurden von insgesamt 1380 geplanten Starts und Landungen etwa 1100 annulliert. Die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft, Air Berlin und deren Tochter LTU mussten zwei Drittel der 700 Flüge absagen. Die Fluggesellschaften teilten mit, Passagiere hätten ihre Tickets kostenlos (auch auf die Bahn) umbuchen oder stornieren können. Die Waggons der Bahn waren brechend voll. "Wir haben ein hohes Reiseaufkommen und setzen Extra-Züge ein", sagte ein Konzernsprecher.

Autovermieter wie Europcar und Avis verzeichneten eine sprunghaft gestiegene Nachfrage. An den Flughäfen bildeten sich an den Schaltern der Anbieter teilweise lange Schlangen. Häufig reichten die Fahrzeuge nicht aus, um alle Reisewilligen zu bedienen. Die Bahn sowie die Tankstellenbetreiber werden von der Lage profitieren, sagte IW-Fachmann Kroker. Ein Gutes hat die Staubwolke aus Island aber selbst für die Fluggesellschaften. Die Fluglotsen haben deshalb ihren für kommende Woche geplanten Streik auf Eis gelegt.

© SZ vom 17./18.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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