Die Bundesagentur weist diese Kritik zurück. Sie würde auch den Stand der verdeckten Arbeitslosigkeit kommunizieren. Tatsächlich spricht sie in ihren Veröffentlichungen von "Unterbeschäftigung", wenn sie die rund 3 888 000 Menschen meint, die wegen "Eingliederungsmaßnahmen", Altersteilzeit oder aus anderen Gründen bei der offiziellen Arbeitslosenzahl nicht mitgezählt werden.
Zuerst würde die Behörde aber die niedrigere Zahl nennen, entgegnet Bosbach. Das bleibe in den Köpfen hängen. Wer in Vierteln lebe, die stark von Arbeitslosigkeit betroffen sind, der könne zwar erkennen, dass die Zahlen schöner seien als die Wirklichkeit. Bessergestellte Menschen dagegen würden die Zahlen gerne glauben. "Die denken wirklich, dass die wirtschaftliche Entwicklung fast allen Menschen zugute kommt", so Bosbach.
Das ist auch aus Sicht der Arbeitsagentur eine Fehlinterpretation, dem die Behörde entgegenwirken möchte. Arbeitslose profitierten ungenügend davon, dass die Zahl der Beschäftigten wächst, sagt eine Sprecherin. Die Agentur betont regelmäßig, dass die Profile der Arbeitslosen - also ihre Fähig- und Fertigkeiten - nicht zu den Anforderungen der zu besetzenden Stellen passten.
Erfolgsdruck aus der Politik
Die Politik verändert häufig den rechtlichen Rahmen der Arbeitslosenstatistik. Bosbach zählt 17 Änderungen von 1986 bis 2009 in der Berechnung der Arbeitslosenzahlen. "Davon haben 16 dazu beigetragen, die Zahlen zu verringern", sagt er. Die Bundesagentur verweist darauf, dass die Behörde an die gesetzlichen Vorschriften gebunden ist. Die Änderungen hätten nicht immer zu einer Verringerung der Arbeitslosenzahlen geführt, sagt eine Sprecherin. Eine hätte beispielsweise zu einer Zunahme der älteren Arbeitslosen geführt. Die Behörde habe zudem manchen Reformen widersprochen, sich aber nicht gegen die Politik durchsetzen können.
Die Arbeitslosigkeit schwankt im Laufe des Jahres. Wenn die Sonne scheint, können beispielsweise auf Baustellen mehr Leute beschäftigt werden. Deswegen sinken die Arbeitslosenzahlen im Frühjahr und Sommer meist. Im Winter ziehen sie sprunghaft an. Das nutze die Arbeitsagentur aus, um bessere Nachrichten veröffentlichen zu können, behauptet Bosbach: Denn die Behörde melde prominent den Rückgang zum Vormonat. Sinnvoller wäre ein Vergleich mit dem Vorjahr. Diese Zahl veröffentlicht die Agentur auch - aber nur an zweiter Stelle. Somit kreist die öffentliche Debatte um die schwerer verständlichen Monatswerte.
Die Aufgabe der Arbeitsagentur ist es, Menschen Jobs zu vermitteln. Kritiker halten die Behörde deswegen für die falsche Institution, um die Arbeitslosenstatistik zu führen - weil Erfolgsmeldungen im eigenen Interesse liegen würden. "Die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft möchten ein positives Bild. Das sollen die Schicksale der Arbeitslosen nicht trüben", sagt Bosbach.