Staatshilfen: Lenkungsausschuss:Ein mächtiges Quartett

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Manche sprechen schon vom Politbüro: Im Lenkungssausschuss urteilen vier hohe Beamte um Staatssekretär Jörg Asmussen über die Millionenhilfen.

Claus Hulverscheidt

Wenn sich die Historiker irgendwann einmal mit dem Jahr 2009 befassen, dann werden sie auf ein Quartett stoßen, das in keiner Verfassung, keinem Koalitionsvertrag je vorgesehen war. In den Zeitungen jenes Jahres werden sie Artikel finden, in denen über die "ungeheure Machtfülle" einer "Nebenregierung" berichtet wird, die angeblich "fast keiner parlamentarischen Kontrolle" unterworfen war.

Zwei Mitglieder des Quartetts im Lenkungssauschuss: Staatssekretär Jörg Asmussen (rechts) und Kanzlerberater Jens Weidmann (ganz links). In der Mitte Staatssekretär Jochen Homann. (Foto: Foto: dpa)

Mancher Wissenschaftler wird irritiert prüfen, ob er nicht aus Versehen beim Ost-Berliner Politbüro des Jahres 1989 gelandet ist, und dann erstaunt feststellen, dass es ein Gremium mit dem sperrigen Namen "Lenkungsausschuss Unternehmensfinanzierung" war, das damals einen solchen Wirbel auslöste.

Tatsächlich fällt dieser Tage in der Regierung fast keine Entscheidung, an der Jörg Asmussen, 42, Jens Weidmann, 41, Walther Otremba und Lutz Diwell, beide 57, nicht beteiligt wären. Ob bei Hilfsaktionen für die Banken, bei der Rettung großer Konzerne, bei der Formulierung von Gesetzentwürfen - fast immer stößt man auf diese vier Namen.

Absprachen auf höchster Ebene

Daraus aber zu schlussfolgern, die Staatssekretäre Otremba (Wirtschaft), Asmussen (Finanzen) und Diwell (Justiz) hätten gemeinsam mit Kanzlerberater Weidmann die Macht im Staate übernommen, ist gewagt, denn entschieden wird aller Medienpräsenz der Beamten zum Trotz weiterhin eine Etage höher: von der Regierungschefin und ihren Ministern.

Ein Beispiel dafür ist der Fall Arcandor, dessen Antrag auf Hilfen aus dem zweiten Konjunkturprogramm der Regierung der Lenkungsausschuss am Montag ablehnte. Grundlage der Entscheidung waren nicht nur das Gutachten einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und die Empfehlung eines Rats der Weisen, sondern auch Absprachen auf höchster politischer Ebene.

"Wir sind nur Stellvertreter", sagt Otremba. "In Zweifelsfragen stimmen wir uns mit unseren Chefs ab." Wer das nicht tue, so pflichtet ein anderer hoher Regierungsvertreter bei, werde sich "schnell beim Bundespräsidenten wiederfinden, um seine Entlassungsurkunde in Empfang zu nehmen".

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was das Quartett im Lenkungssauschuss verbindet.

Tätig werden muss der Ausschuss immer dann, wenn ein wegen der Finanzkrise in Not geratenes Unternehmen einen staatlichen Kredit von mehr als 150 Millionen Euro oder eine Bürgschaft von mehr als 300 Millionen Euro beantragt. Bei der Entscheidung werden stets die gleichen Kriterien zugrunde gelegt.

Staatssekretär Lutz Diwell. (Foto: Foto: dpa)

Dass das Gremium dennoch so geheimnisumwittert ist, liegt weniger an seiner Machtfülle, als vielmehr daran, dass die vier Herren völlig geräuschlos zusammenarbeiten, bisher stets einstimmig entschieden haben und - wie es einer aus der Runde sagt - "einfach ähnlich ticken".

Tatsächlich verbindet die Ökonomen Otremba, Asmussen und Weidmann sowie den Juristen Diwell eine ebenso wirtschaftsliberale wie unideologisch-pragmatische Grundhaltung. Weidmann und Asmussen kennen sich seit ihrem Studium in Bonn. Beide lernten bei einem Professor namens Axel Weber - jenem Weber, der ein Jahrzehnt später auf Empfehlung Asmussens zum Chef der Bundesbank gekürt wurde.

Langjährige Bekanntschaft

Weber wiederum schlug Weidmann vor, als die neue Kanzlerin Angela Merkel noch einmal einige Jahre später einen Wirtschaftsberater suchte. Ihre langjährige Bekanntschaft erleichtert dem SPD-Mitglied Asmussen und dem parteilosen CDU-Berater Weidmann heute das gemeinsame Krisenmanagement: "Es gehört zu den wenigen Lichtblicken in der Krise, dass die Zusammenarbeit auf Beamtenebene absolut reibungslos klappt", sagt Asmussen.

Das ist umso wichtiger, als alle vier Ausschussmitglieder seit Monaten praktisch kein Privatleben mehr haben. Weidmann und Asmussen sehen ihre kleinen Kinder selbst am Wochenende kaum noch, mitunter schleppen sich beide mit fiebrigen Erkältungen ins Büro.

Enttäuschung über Manager

Ebenso verbindend wirkt die Enttäuschung über die Kompetenz mancher Manager: Beinahe alle Größen der deutschen Wirtschaft klopften in den vergangenen Monaten bei der Regierung an, darunter auch solche, die für den Staat bislang vor allem Verachtung übrig hatten, und jene, die die Krise als Ausrede für eigene haarsträubende Fehler nutzen wollen.

Schließlich schweißt auch die Kritik von außen zusammen, die vor allem auf Asmussen zielt: Ihm wird vorgeworfen, dass die Regierung das Entstehen der Krise mit einer allzu liberalen Finanzmarktpolitik geradezu befördert habe.

Tatsächlich hat Asmussen etwa die Verbriefung von Kreditgeschäften oder die Zulassung von Hedgefonds in Deutschland in einem für einen Sozialdemokraten beachtlichen Maß vorangetrieben. Allerdings: Gemessen an den Freiheiten, die sich den Banken in New York oder London bieten, empfinden die Konzerne die Regeln in Deutschland immer noch als ausgesprochen rigide - Politbüro eben.

© SZ vom 09.06.2009/kaf/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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