Staatsanwälte versus Wirtschaftsbosse:Unerträgliche Arroganz der Manager

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Die Staatsanwaltschaft klagt einen ehemaligen Konzern-Chef an, der in ein Schmiergeldsystem verwickelt sein soll. Doch der schießt nun zurück - und zeigt die Staatsanwalt an. Nimmt die Justiz Wirtschaftsbosse zu hart ran?

Klaus Ott

Endlich einer, der es verfolgungswütigen Staatsanwälten so richtig gibt. Der sich von einer übereifrigen Justiz, die keine Ahnung von der Ökonomie hat, nichts mehr gefallen lässt. Der zurückschlägt.

Anton Weinmann, ehedem Vorstand beim Lkw-Hersteller MAN, kann sich bei seinen Attacken auf Ermittler und Richter des Beifalls vieler früherer Kollegen aus Industrie und Wirtschaft sicher sein. Das Unbehagen in den Chefetagen von Konzernen und Banken über die sich häufenden Verfahren wegen Korruption, Verschleuderung von Vermögen und anderer Weißer-Kragen-Delikte ist ja schon seit Jahren groß. Vielen Managern wird es da sehr gelegen kommen, dass einer der Ihren nun den Spieß umdreht.

Ex-Trucker-Boss Weinmann, der von kommender Woche an in München wegen Beihilfe zur Bestechlichkeit vor Gericht steht, hat die gegen ihn ermittelnden Staatsanwälte wegen Verleumdung angezeigt. Er hat seinen Anwalt die für den Fall zuständige Strafkammer vor einem Prozess ausdrücklich warnen lassen. Der Fall ist Ausläufer einer Affäre um weltweite Schmiergeldzahlungen, mit denen die inzwischen zum Volkswagen-Konzern gehörende MAN AG den Verkauf von Lastwagen und Bussen angekurbelt hatte.

Seiner Zunft tut Weinmann allerdings keinen Gefallen. Die überzogenen Attacken auf die Justiz verstärken den Eindruck, dass Teile der Managerkaste es immer noch als Frevel empfinden, sich beim Verdacht von unsauberen Geschäften rechtfertigen zu müssen. Sie betrachten es als Zumutung, dass Ermittler überhaupt auf die Idee kommen, zweifelhafte Geldtransfers, Aktiendeals und Firmenkäufe aufklären zu wollen. Von den Exzessen in der Finanzbranche ganz abgesehen.

Unter Konzernvorständen ist das Bewusstsein, nicht nur tolle Zahlenwerke abliefern zu müssen, noch zu schwach ausgeprägt. Die vielen Programme in den Unternehmen mit dem Modewort Compliance, die Gesetzesverstöße verhindern sollen, wirken wie eine hübsche Fassade für teils nach wie vor hässliche Methoden. Kritische Aufsichtsräte, die aufräumen wollen, bekommen einiges zu hören. Sie wüssten nicht, wie es zugehe in der Welt. Sie lebten hinter dem Mond. Wer nicht schmiere, erhalte in vielen Ländern keine Aufträge.

Nicht die Justiz, die solchen Fällen nachgeht, ist unerträglich. Sondern die Arroganz, mit der sich die Manager darüber empören, dass gegen sie ermittelt wird. Der Anwalt des früheren MAN-Managers schreibt an das Gericht, die Angaben seines Mandanten zu einem bestimmten Vorgang seien, nach den Kriterien der Glaubhaftigkeit, als wahr zu betrachten. Das wirkt so, als stehe ein Konzernvorstand über dem Gesetz und müsse sich vor niemandem verantworten. Nicht vor der Justiz und auch nicht in der Öffentlichkeit.

Dass Weinmann verhindern will, dass die Medien den Kern der Anklageschrift erhalten, wie das bei Verfahren von dieser Bedeutung üblich ist, passt ins Bild. Schlimm sind natürlich nicht jene, die im Unternehmen vielleicht nicht genau genug aufgepasst haben, ob alles mit rechten Dingen zugeht, sondern jene, die dem nachgehen. Und die darüber berichten wollen, damit es die interessierten Bürger erfahren. Das ist offenbar immer noch eine ziemlich weit verbreitete Sichtweise in den Führungsetagen von Industrie und Wirtschaft.

Sicher, auch Ermittler schießen manchmal über das Ziel hinaus. Das hat aber nicht System in Deutschland. Der Rechtsstaat funktioniert im Großen und Ganzen, und gut verdienende und abgesicherte Manager können sich ohnehin besser wehren als die große Mehrzahl der Bürger. Sie können sich die teuersten und manchmal auch besten Anwälte leisten, an denen sich die Ermittler mitunter die Zähne ausbeißen. Wer das nötige Kleingeld hat, kann sich sogar Deals leisten, bei denen er im Verhältnis oft besser wegkommt als ein kleiner Straftäter. Das ist schon eher ein Problem im Umgang der Justiz mit der Elite aus den Konzernen.

Staatsanwälte haben nicht die Aufgabe, ein umfassender Reparaturbetrieb für Fehlentwicklung des Kapitalismus zu sein. Gesellschaftspolitik ist nicht ihr Job, und damit wären sie angesichts ihrer Arbeitsbedingungen ohnehin überfordert. Sie haben aber die Aufgabe, dort einzuhaken, wo mutmaßlich kriminell agiert wird, und das geschieht dann. Auch wenn das manchen Managern nicht in den Kram passt. Es gibt keinen Grund zur Klage über eine vermeintlich wirtschaftsfeindliche Justiz. Dafür gibt es manchmal guten Grund zur Anklage gegen offenkundige Exzesse in der Ökonomie.

© SZ vom 08.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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