Sprecher der Deutschen Bank hört auf:Der Mann, der Josef Ackermann zu "Joe" machte

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Vom fiesen Josef "Victory" Ackermann zu Deutschlands edlem Nothelfer: Binnen weniger Jahre änderte sich das Image von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann radikal. Stratege des wundersamen Wandels war Stefan Baron, der jetzt zugleich mit Ackermann die Deutsche Bank verlässt.

Harald Freiberger, Frankfurt

Josef Ackermann, Chef der Deutschen Bank, gehört zu den Vorgesetzten, die nach einem verbreiteten Prinzip führen: "Nicht geschimpft, ist gelobt genug." Am Montagabend verstieß er gegen dieses Prinzip, als es im Café des Frankfurter Städel-Museums darum ging, den Mann zu verabschieden, den er "meinen engsten Vertrauten bei der Deutschen Bank" nennt. "Sie waren ein ganz toller Gesprächspartner und ein ganz toller Kommunikationschef", sagte er über Stefan Baron, 64.

Da geht's lang: Stefan Baron (links) hat Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann fünf Jahre lang den Weg zur Verbesserung seines Images gewiesen. Jetzt hören sie gemeinsam auf. (Foto: pdh)

Der Mitstreiter hört am selben Tag auf wie der erste Manager des Hauses, am 31. Mai. Ackermann bekannte, er sei 2007 "in einer schwierigen Phase im Imagebereich" gewesen - deswegen habe er den Journalisten Baron geholt, der 16 Jahre lang Chefredakteur der Wirtschaftswoche war. "Ich habe immer geschätzt, was er gesagt hat", sagt Ackermann und macht einen Scherz: "Es ist fast so weit gegangen, dass ich ohne seine vorherige Genehmigung öffentlich nur noch gesagt habe, wie ich heiße."

Baron, der Kommunikator, reicht seit einiger Zeit gerne ein Balkendiagramm in einer Klarsichtfolie herum. Es zeigt die Ergebnisse einer regelmäßigen Umfrage, die von seinem Geldinstitut schon seit 1998 bei Bankkunden angestellt wird. 2006, ein Jahr vor Baron, urteilten 59 Prozent der Befragten negativ über Ackermann. Im ersten Quartal 2012 waren es nur noch 14 Prozent. Es ist die Kurve von Barons Erfolg.

Heikle Mission

Seine Mission war heikel. Er sollte das öffentliche Ansehen des damals wohl meistgehassten deutschen Managers der Republik verbessern. In fünf Jahren Ackermann war vorher einiges schief gelaufen: Das Victory-Zeichen im Mannesmann-Prozess, das gleichzeitige Verkünden von Rekordgewinn und Massenentlassung sowie das 25-Prozent-Renditeziel hatten ihn in der öffentlichen Meinung als gierigen, rücksichtslosen Bankmanager erscheinen lassen.

Schuld daran war wohl auch sein erster Kommunikationschef, ein Engländer, der dem Investmentbanking nahestand. Er schüttelte immer nur den Kopf, wenn die Wogen der Empörung wieder mal über Ackermann hereinbrachen. Deshalb kam der Vorstandschef zum Schluss, er brauche einen Sprecher, der die Deutschen und ihre Beziehung zur Deutschen Bank besser versteht.

Baron hatte Volkswirtschaft studiert und arbeitete beim Kieler Institut für Weltwirtschaft, bevor es ihn in den Journalismus verschlug. Vor der Wirtschaftswoche-Zeit berichtete er bis Ende der achtziger Jahre für den Spiegel aus Frankfurt über Banken. Begonnen hatte er bei dem Magazin als Autoredakteur. Das konservative Geldgewerbe war bei den linksliberalen Redakteuren eher verpönt, so ergab sich der Job am Main.

Als Baron fast 20 Jahre später in die Zwillingstürme der Deutschen Bank kommt, legt er nicht gerade einen Traumstart hin: Er habe das attraktive finanzielle Angebot nicht ausschlagen können, begründet Baron seinen Wechsel. In der PR-Branche sprechen da einige von seiner ersten Kommunikationspanne.

An seinen ersten Arbeitstagen muss sich der Journalist häufiger wundern. In der Presseabteilung sind nur Wirtschaftszeitungen verfügbar. "Als ich der Sekretärin gesagt habe, sie möge die Bild-Zeitung besorgen, hat sie das als Witz aufgefasst", erzählt er. Alle hätten ihn mit großen Augen angeblickt, als er gesagt habe, man müsse die Deutsche Bank aus ihrer Wagenburg herausholen und den Massenmedien gegenüber öffnen. Baron brachte denn auch seinen Chef zu Maybrit Illner ins Fernsehen. Millionen Zuschauer waren überrascht, dass der vermeintlich so unsympathische Chef der Deutschen Bank charmant plauderte.

Auch halfen äußere Umstände, Ackermanns Image zum Positiven zu wenden. Als Baron wenige Wochen im Amt war, im August 2007, begann mit der Fast-Pleite der IKB in Deutschland die Finanzkrise. Es folgten die Rettung von Hypo Real Estate, die europäische Schuldenkrise, der Schuldenschnitt in Griechenland. Ackermann spielte bei all dem, auch als Präsident des Weltbankenverbands IIF, eine zentrale Rolle. In der Öffentlichkeit blieb das Bild vom Helfer in der Not hängen. Aus Josef wurde "Joe", der Mensch.

Briefing per SMS

Baron sieht die Tatsache, dass die Bank gut durch die Krise gekommen ist, als Hauptgrund für seinen eigenen Erfolg. "Wenn Ackermann und die Bank nicht gut gearbeitet hätten, hätte ich wenig ausrichten können", sagt er. Wahrnehmung sei Wirklichkeit, das mache Kommunikation so wichtig. Aber ohne Substanz helfe alles nichts.

Der gemeinsame Arbeitstag der beiden Männer, die man in den vergangenen fünf Jahren fast nur zusammen sah, beginnt jeden Morgen pünktlich um acht Uhr. Dann schickt Baron seinem Chef eine SMS mit der Zusammenfassung der wichtigsten Presseartikel. "Er schreibt keineswegs immer nur das Positive hinein, sondern mit einem gewissen Sadismus durchaus gern die negativen Sachen", sagt Ackermann. All das passiere auch im Urlaub und an Wochenenden. Anschließend telefoniere man miteinander, da geht es um die persönliche Einschätzung der Berichte. "Das Gute ist, dass wir beide Volkswirte sind, eine ähnliche Sprache haben und ähnlich denken." Baron, der Sparringpartner.

Vor zwei Jahren wurde der langjährige Journalist zum "PR-Manager des Jahres" gewählt. Ackermann sprach vom "Glücksfall für die Bank". Das habe ihn sehr gefreut, so Baron, "ein größeres Lob gibt es ja nicht". Zudem habe es ihm im eigenen Haus die Arbeit sehr erleichtert, weil alle gewusst hätten, dass er die volle Rückendeckung des Chefs habe.

Ende der 100-Stunden-Wochen

In der Deutschen Bank ist wenig Kritisches über Baron zu hören. Seinen autokratischen Führungsstil, den Mitarbeiter bei der Wirtschaftswoche beklagten, legte er offenbar ab. Einige monieren, Baron sei eigentlich nicht Sprecher der Deutschen Bank gewesen, sondern persönlicher Sprecher Ackermanns. Das wurde vor allem im Chaos um seine eigene Nachfolge deutlich. Vom 1. Juni an gibt es eine Doppelspitze mit Anshu Jain und Jürgen Fitschen - gegen den Willen des Noch-Chefs. Die Nachfolger engagierten eine PR-Agentur, weil sie der obersten Kommunikationsstelle der Bank nicht trauten. So war Baron zuletzt nicht mehr über alles im Bilde.

Der gebürtige Südpfälzer, der in Köln lebt, will nun erst mal Urlaub im Tessin und in China machen (seine Frau ist Chinesin) und im September dann entscheiden, "was ich in den nächsten zehn Jahren tue". Er sei froh, künftig ein Leben zu führen, "das nicht mehr so fremdbestimmt ist", und hofft, von einer 100-Stunden-Woche auf eine 35-Stunden-Woche zu kommen. So kann er sich vorstellen, ein Buch über die Bankenlandschaft zu schreiben und will sich der Kalligraphie widmen, der Kunst die schönen Schreibens. Die Freundschaft mit Ackermann wird bleiben. Der kündigt an, er wolle Baron künftig fallweise als Berater engagieren, "natürlich privat".

© SZ vom 23.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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