Spezialangebote der Versicherer:Eine für jeden Einzelfall

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Eine Unfallversicherung für das Skiwochenende, eine Absicherung gegen kalte Temperaturen oder eine Brustkrebs-Police: Mit neuen Spezialangeboten versuchen Versicherer Kunden zu gewinnen. Lohnt sich das für die Verbraucher?

Von Anna Gentrup

Für viele Deutsche beginnt in diesen Tagen der Skiurlaub. Doch erst wenn es kurz vor Abreise "Hals- und Beinbruch!" heißt, fällt manchem auf, was fehlt: eine Unfallversicherung. Die würde zahlen, wenn die rasante Abfahrt schmerzhaft in der Pistenbegrenzung endet. Tatsächlich kann man so eine Versicherung inzwischen per Smartphone-App für wenige Tage und wenige Euros buchen. Mit solchen Spezialangeboten versuchen die Versicherer, neue Kunden zu gewinnen. Aber lohnen sich die neuen Angebote für die Kunden?

"Die Anzahl der Privatversicherungen für Spezialthemen scheint zu steigen", sagt Holger Mardfeldt, Partner der Maklerholding Martens & Prahl. Er sieht dafür zwei Gründe: der niedrige Preis und der neue Vertriebsweg über Smartphone-Apps. Im Wesentlichen werden dabei zwei Arten von neuen Versicherungen angeboten. Policen, die nur wenige Tage gelten wie die Unfallversicherung für den Skiurlaub.

Und Angebote, die zwar lange laufen, aber nur ganz bestimmte, eng definierte Risiken decken. Da gibt es etwa Versicherungen, die bei Krebsdiagnosen Einmalzahlungen ausschütten. Oder Angebote, die für sehr kalte Wintertage entschädigen. Damit können Kunden, falls nötig, direkt Nachzahlungen der Heizkosten begleichen. In beiden Fällen - kurz laufende Versicherungen und die sogenannten Ausschnittdeckungen - lohnt es sich für Kunden, vor dem Abschluss genau hinzuschauen.

Eine Unfallversicherung für Kurzentschlossene bietet die Ergo Direkt an. Sie kann per App abgeschlossen werden, kostet 99 Cent und endet automatisch nach 48 Stunden. Auch der Anbieter Situative verkauft über sein Onlineportal "Appsichern.de" kurzfrstigen Unfallschutz. Für unter fünf Euro gibt es 24-Stunden-Versicherungen speziell für Rennfahrer, Stadionbesucher oder Surfer.

Als Notlösung sind die Produkte in Ordnung, wenn eine reguläre Unfallversicherung fehlt. Vor allem, weil sie auch bei riskanteren Vorhaben absichern. Rechtsanwältin Rita Reichard von der Verbraucherzentrale NRW warnt aber vor Lücken im Versicherungsschutz: "Interessenten müssen sich klar machen, dass diese Produkte nur begrenzte Leistungen bieten."

Das Prinzip ist einfach: Sie kosten weniger, weil sie weniger absichern

Das wird im Ernstfall schnell deutlich. Beim 48-Stunden-Unfallschutz übernimmt Ergo Direkt die Rettungskosten, zahlt Krankenhausgeld und 50 000 Euro, falls der Versicherte tödlich verunglückt. Bleibende Schäden sind aber nicht abgesichert. Als umfassenden Schutz hat der Anbieter die Unfall-Police auch gar nicht erdacht, sondern als Last-Minute-Lösung: "Das ist eine Versicherung, die kurzfristig einen Basis-Schutz bietet", heißt es bei Ergo Direkt. So macht die 48-Stunden-Lösung Sinn. Langfristig - wenn überhaupt - ist eine umfassende Unfallversicherung aber günstiger und sicherer.

"Ladyprotect", "Womancare" oder "Ladylike" - diese Versicherungen klingen wie Schutzschilde. Das sind sie auch, aber nur gegen finanzielle Engpässe. Anbieter wie AIG Europe oder die Würzburger Versicherung bieten Policen an, die im Falle einer Krebsdiagnose eine Einmalzahlung leisten. Wer alternative Behandlungen, eine Haushaltshilfe oder einen Babysitter braucht, könnte das Geld gut gebrauchen.

Die Würzburger Versicherung verkauft den "Ladylike Brustkrebs-Schutzbrief". Bei Diagnose von einer von acht frauenspezifischen Krebsarten zahlt der Versicherer wahlweise 25 000 Euro oder 50 000 Euro. Die Versicherung leistet dabei nur bei sehr konkreten Schäden, ist dafür aber deutlich günstiger als umfassende Policen, die bei mehreren Diagnosen absichern.

Interessant dürfte die Versicherung vor allem für Frauen sein, die ein erblich erhöhtes Risiko befürchten. Auch sie können sich versichern - allerdings zu höheren Beitragssätzen. Wer bereits eine Krebserkrankung hatte, kann sich nicht mehr versichern lassen. Wichtig: Die Versicherungssumme hilft nur kurzzeitig, und die Police umfasst nur einzelne Krebsarten. Aber wer diese Versicherung abschließt, sichert sich ein kleines Finanzpolster für den Fall der Fälle.

Ein finanzielles Risiko ganz anderer Art sichert die Allianz mit ihrer Kälteschutzversicherung ab. Führt im Winter der Griff zu oft zum Heizungsregler, könnte im Frühjahr eine Nachzahlung ins Haus flattern. Die Allianz bietet Schutz für die Dauer eines Winters. Das funktioniert so: Fällt die Temperatur an der nächstgelegenen Messstation unter einen festgelegten Grenzwert, klingelt beim Kunden die Kasse. Pro Grad unter dem Wert wird ein Festbetrag ausgezahlt. Ihn berechnet die Allianz anhand der Wohnfläche und Energieeffizienz des Hauses.

Kunden sollten sich nicht daran orientieren, was es für Angebote am Markt gibt

Verbraucherschützerin Reichard sieht das Angebot allerdings kritisch: "Das ist eine Wette auf das Wetter." Am Beispiel wird klar, warum: Für eine 100-Quadratmeter-Wohnung in Hannover, Baujahr 1990, kostet die Versicherung einmalig 62,78 Euro. Um ohne Verlust aus dem Winter zu gehen, muss der Bewohner auf Frost hoffen: Die Außentemperatur muss an mehr als 60 Tagen im Durchschnitt unter minus 0,8 Grad oder an 30 Tagen bei knapp minus 2 Grad Celsius liegen. Dann erst hat der Kunde den Kaufpreis der Versicherung wieder drin. Zum Vergleich: Im Versicherungszeitraum des letzten Winters lag der Temperaturdurchschnitt in Hannover bei plus 3,5 Grad Celsius. Da dürften die Auszahlungen überschaubar gewesen sein. Die Versicherung lohnt sich also nur in ungewöhnlich kalten Wintern - wenn man sie denn vorhergesehen hatte.

Das Prinzip der Spezialversicherungen ist immer das gleiche: Sie kosten weniger, weil sie weniger absichern. Edda Castelló, Juristin von der Verbraucherzentrale Hamburg, rät dringend von den Einzellösungen ab. Zunächst sollten wichtige Bereiche abgesichert sein, sagt sie: "Ich empfehle den Leuten zu überlegen, ob der mögliche Schaden eine finanzielle Katastrophe wäre", und erklärt: "Wenn ja, muss eine Versicherung her, ansonsten eher nicht."

Castelló rät, existenzielle Bedrohungen zuerst und ausreichend abzusichern. "Absolut wichtig sind die Krankenversicherung, eine Haftpflichtversicherung und die Absicherung bei Berufsunfähigkeit." Alles Weitere hängt dann von der Lebenssituation ab: Eltern können ihre Kinder über eine Risiko-Lebensversicherung absichern. Für Hausbesitzer macht eine Wohngebäude-Police Sinn.

Die Spezialversicherungen können in Ausnahmefällen - und richtig gewählt - lohnen: Als Kurzzeitlösung oder als zusätzlicher Rettungsanker für den Sonderfall. "Die Produkte sind generell sinnvoll, wenn ich schnell eine bestimmte Deckung kaufen will", erklärt Versicherungsmakler Mardfeldt. Wichtig ist, eigene Sicherungslücken auszumachen und erst dann die passende Produkte zu suchen. Dabei sollten sich Kunden besser nicht an dem orientieren, was am Markt verfügbar ist. Das schützt davor, aus lauter Sorge Unnötiges zu kaufen. Auch Verbraucherschützer Christoph Kranich rät zur Ruhe: "Klar muss sein: Versicherungen helfen nach dem Schaden, sie verhindern ihn nicht." Schließlich gilt: "Das ganze Leben ist lebensgefährlich."

© SZ vom 04.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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