SPD und Deutsche Bank:Wenn Herr Scholz Herrn Sewing besucht

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Reisen, telefonieren, retten: Bundesfinanzminister Olaf Scholz, hier beim G7-Gipfel, hat viel zu tun. Es geht auch um die Zukunft seiner Partei. (Foto: Thomas Koehler/photothek/imago)

Der Chef der Deutschen Bank und der sozialdemokratische Finanzminister haben etwas gemein: Sie müssen etwas retten. Sewing eine Bank, Scholz eine Partei.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Es ist ein feines Hotel am Berliner Gendarmenmarkt, in das der neue Chef der Deutschen Bank geladen hat. Christian Sewing will seine Investoren überzeugen, dass er für Deutschlands größtes Geldhaus ein Konzept hat, in das es sich zu investieren lohnt. Dazu braucht er Verbündete, aus der Politik, auch aus der Sozialdemokratie.

An diesem Mittwoch ist es Olaf Scholz, Vizekanzler und Bundesfinanzminister. Scholz soll über Deutschlands Stärken reden, am besten so, dass sie auf die Bank abfärben. Sewing und Scholz schütteln sich die Hände, es liegt viel Symbolik darin. Es kommt nicht oft vor, dass der Chef der Deutschen Bank und ein sozialdemokratischer Hüter der deutschen Staatsfinanzen in der Öffentlichkeit so eng beisammen sind.

Das Besondere an diesem gemeinsamen Auftritt ist nicht, was sie später sagen werden. Sondern die Tatsache, dass die beiden Herren, die unterschiedlicher kaum sein könnten, jetzt, wenn nicht durch das gleiche Schicksal, so aber durch die gleiche Aufgabe verbunden sind. Scholz und Sewing sollen erneuern. Es gehe "nicht um die eine Neuerfindung" der Deutschen Bank, wird Sewing später sagen, sondern darum, an Traditionen anzuknüpfen. Auch wenn Scholz das so nicht sagt, trifft es auch auf die Sozialdemokratie zu.

Was die Umfragewerte für die SPD sind, das sind die Ratings für die Bank

Wer sie als das jeweils letzte Aufgebot bezeichnet, das in schwerer Krise antritt, der liegt gewiss nicht falsch. Scholz, der in wenigen Tagen seinen 60. Geburtstag feiern wird, will seine aufgewühlte Partei beruhigen und für die Mitte der Gesellschaft wählbar halten.

Er hat sich vorgenommen, mit stoischer Ruhe solide Finanzpolitik zu betreiben. Daran sollen sich die Wähler erinnern, wenn sie das nächste Mal an die Wahlurne gerufen werden. Mission Kanzleramt, könnte man das nennen. Verfangen hat es bisher nicht. Die Partei liegt in den Umfragen mal bei 17, mal bei 18 Prozent. Mancher in der SPD interpretiert das so, dass man aus dem Urwald des Streits endlich wieder auf heller, bewohnbarer Steppe angekommen sei.

Sewing, zwölf Jahre jünger als Scholz, ist auch auf Mission, wobei die seinige ähnlich schwer, aber ziemlich sicher besser vergütet sein dürfte. Er muss die Deutsche Bank retten, die seit der schweren Finanzkrise 2008 Vorstandschefs kommen und gehen sieht und gerade wieder in Turbulenzen geraten ist.

Was die Umfragewerte für die SPD sind, das sind die Ratings für die Bank. Gerade erst hat die amerikanische Notenbank das US-Geschäft des Instituts als "in schwierigem Zustand" eingestuft, die mächtige Ratingagentur Standard & Poor's senkte die Kreditwürdigkeit. Die Aktie der Deutschen Bank war Ende Mai erstmals seit Herbst 2016 unter die Marke von zehn Euro gefallen. Der Deutschen Bank drohen höhere Finanzierungskosten an den internationalen Kapitalmärkten.

"Wir werden liefern"

Sewing kämpft in Berlin dagegen an. Mit beiden Händen, das Kreuz breit herausreckend, greift er fest an die Ränder des Rednerpults, er spricht vom Reduzieren und Optimieren und davon, dass die Deutsche Bank eine "führende Rolle" am Heimatmarkt haben soll, der Motor der deutschen Wirtschaft und der europäischen werden kann. "Es gibt noch eine Menge zu tun", sagt Sewing. Und: "Wir werden liefern."

Man muss beiden zugestehen, dass sie wissen, wie schwer es werden wird, die Mission zu erfüllen. Sewing ist seit seinem 19. Geburtstag bei der Deutschen Bank, er hat das Geschäft von der Pike auf gelernt und bis auf ein kurzes Intermezzo nirgendwo anders gearbeitet. Olaf Scholz ist mit 17 Jahren den Sozialdemokraten beigetreten und seither dabeigeblieben. Beide kommen übrigens auch aus derselben Gegend, Scholz aus Osnabrück, Sewing aus Bünde in Ostwestfalen. Osnabrück und Ostwestfalen, zwei Welten - und doch nur eine Stunde Autofahrt getrennt.

Scholz sagt, was von ihm erwartet wird. Er zitiert eine Titelgeschichte des Wochenmagazins Economist, "Cool Germany", er preist Wirtschaftswachstum, Rekordbeschäftigung und steigende Löhne. "Deutschland braucht ein starkes Bankensystem, um weiter zu prosperieren."

Scholz liest das alles ab, auf Englisch. Manchmal verhaspelt er sich, beginnt das Wort neu aufzusagen, er klingt wie jemand, der sich Mühe gibt in einer Welt, in der er nicht zu Hause ist. Scholz hält sich nicht am breiten Rednerpult fest, sondern am Manuskript. Man kommt nicht umhin zu denken, dass ein bisschen mehr Sewing in Scholz hilfreich wäre, seinen Auftritt kraftvoller und, ja, überzeugender aussehen zu lassen.

Man fühlt sich auch erinnert an Sewings geschassten Vorgänger John Cryan, der Scholz im Gestus ähnlicher war als jetzt Sewing. Cryan allerdings zeigte zuletzt recht humorvoll seine Distanz zur deutschen Politik. "Schäuble oder Scholz? Ich kenne mich mit Fußball nicht aus", gab er in einer Talkshow vor, den deutschen Finanzminister gar nicht zu kennen.

Sewing weiß, dass er auf ein gutes Verhältnis mit dem Bundesfinanzminister angewiesen ist. Scholz macht nicht den Eindruck, dass er etwas dagegen hätte, engere Kontakte zu Banken zu halten. Nicht nur, dass er einen Banker zum Staatssekretär gemacht hat. Auch in den Koalitionsverhandlungen hat er zum Leid manches Genossen nicht darauf bestanden, gegen Bankerboni gesetzlich vorzugehen.

© SZ vom 07.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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