Kündigung von Verträgen:Banken verspielen das Vertrauen ihrer Kunden

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All die Banken, die nun die Notbremse ziehen, müssen aufpassen, dass sie sich dabei am Ende nicht selbst schaden. (Foto: dpa)

Geldinstitute kündigen derzeit massenhaft hoch dotierte Sparverträge aus früheren Zeiten, die ihnen zu teuer geworden sind. Klug ist das nicht.

Kommentar von Harald Freiberger

Tausende Kunden der Stadtsparkasse München erhalten in diesen Tagen unangenehme Post. Das Institut kündigt die enorme Zahl von 28 000 hoch verzinsten Sparverträgen, die sie in den 1990er- und 2000er-Jahren verkaufte. Ihrer Ansicht nach kann sie diese nun nach 15 Jahren beenden, obwohl sich viele Kunden auf eine längere Laufzeit eingestellt haben. Rechtlich dürfte das Institut in den meisten Fällen auf der sicheren Seite sein. Der Bundesgerichtshof hat im Mai ein Grundsatzurteil dazu gefällt.

Eine rein juristische Betrachtung reicht aber nicht aus. Es geht für Banken und Sparkassen um etwas viel Bedeutenderes: Sie riskieren gerade, das Vertrauen ihrer Kunden zu verspielen und damit die eigene ökonomische Basis zu zerstören.

So wie die Münchner Sparkasse machen es derzeit auch viele andere Geldhäuser: Sie kündigen massenhaft hoch dotierte Sparverträge aus früheren Zeiten, die ihnen in der andauernden Nullzinsphase zu teuer geworden sind. So geht das schon länger: Die Einnahmen aus Zinsen schwinden, weshalb sie an allen Schrauben drehen, die sich drehen lassen. Die Commerzbank etwa stellte ihre Kunden gerade wieder auf höhere Gebühren ein.

Die Privatbanken, Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken, die nun die Notbremse ziehen, müssen aufpassen, dass sie sich dabei am Ende nicht selbst schaden. Das Vertrauen ihrer Kunden haben sie sich über Jahrzehnte erworben. Teilweise ging dieses Vertrauen so weit, dass Kunden die Ratschläge des Mannes oder der Frau von der Bank für eine Art offizielle Verlautbarung hielten, die sie blind annahmen. Dabei geriet in den Hintergrund, dass die Bankvertreter vor allem ökonomische Interessen verfolgten und ihr Rat selten zum Besten der Kunden war. Dies zeigt sich erst jetzt, da die Geldhäuser unter Druck geraten, Verträge kündigen und Gebühren erhöhen.

Das größte Kapital, das Banken und Sparkassen haben, sind nicht die Wertpapiere in ihren Büchern. Es sind auch nicht die Immobilien, über die sie vielleicht verfügen. Das größte Kapital ist das Vertrauen ihrer Kunden. Denn wenn es einmal weg ist, was bleibt dann noch?

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Vertrauensbruch ist der Anfang vom Ende

In den Briefen an die Kunden und den Mitteilungen an die Öffentlichkeit verkaufen die Institute ihre harten Entscheidungen mit blumigen Worten: Wir machen die Bank wetterfest, wir wappnen uns für die Zukunft, wir bereiten uns auf schwierige Zeiten vor - und was es noch so an Managerfloskeln gibt. Ganz nebenbei: Es sind dieselben Banken, die vor Jahren Kunden mit attraktiven Konditionen und langfristigen Versprechen geködert haben. Oder in blindem Vertrauen darauf, dass alles so bleiben werde, wie es ist, zu hohe Risiken eingegangen sind (und, gerade bei den Sparkassen, nun auf hoch dotierten Ruhestandspensionen sitzen). Die Strategie der Manager lautete: Nach mir die Sintflut.

Die aktuellen Manager müssen sich nun gut überlegen, ob sie mit ihren strategischen Entscheidungen, die das Institut "wetterfest" machen sollen, nicht die eigene Zukunft gefährden. Wie werden zum Beispiel die Kunden der Sparkasse auf das Kündigungsschreiben reagieren? Wie viele werden sich enttäuscht abwenden? Zumal die Zahl der bequemen Alternativen für die Kunden ständig wächst, durch Onlinebanken und Fin-Tech-Anbieter, bei denen sich Bankgeschäfte per Computer und Smartphone erledigen lassen. Ein Kunde ist schnell verloren, einen neuen zu finden, ist gerade für Banken und Sparkassen heutzutage aber sehr schwer.

Natürlich gibt es ökonomische Gründe für eine Bank, unpopuläre Entscheidungen zu treffen. Viele Institute, die dies tun, machen aber immer noch hohe Gewinne. Natürlich muss ein Manager weitsichtig handeln und nicht erst, wenn sein Unternehmen vom Untergang bedroht ist. Trotzdem sollten Banken und Sparkassen sich gut überlegen, wie weit sie dabei gehen wollen und können, Kunden zu enttäuschen und zu vergraulen - und zwar fernab von juristischen und kurzfristigen ökonomischen Überlegungen. Recht haben und recht kriegen sind zweierlei, sagt der Volksmund. Man kann das auf die aktuelle Situation der Banken anwenden: Auch wenn sie mit ihren Kündigungen, Gebührenerhöhungen, dem Abschaffen von Vergünstigungen und dem Einführen von Verschlechterungen rechtlich auf der sicheren Seite sind - ökonomisch kann ihnen dies langfristig schwer schaden.

"Vertrauen ist der Anfang von allem", lautete einmal der Werbeslogan einer großen deutschen Bank. Das ist ein schöner, fast schon weiser Spruch. Leider lässt er sich auch umdrehen: Vertrauensbruch ist der Anfang vom Ende.

© SZ vom 04.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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