Sparda-Banken:"Turbolader" für Cum-Ex

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Die Sparda-Banken könnten in einen der größten deutschen Steuerskandale verstrickt sein.

Von Nils Wischmeyer, Köln

Die deutschen Sparda-Banken gelten bis heute als Geldinstitute, die auf dem Boden geblieben sind. Während andere Geldhäuser in großem Stil zocken und sich in Skandale verstricken, kommen die genossenschaftlich geführten Institute oft um negative Schlagzeilen herum. Sie sind eben noch immer die netten kleinen Banken in der Nachbarschaft.

Unterlagen der Hypo-Vereinsbank und mehrere Zeugenaussagen vor dem Landgericht in Bonn lassen an diesem harmlosen Image allerdings Zweifel aufkommen. Sie legen nahe, dass einige Sparda-Banken eines von vielen Teilen im größten deutschen Steuerskandal sein könnten. Erst durch sie, so sagte es der aktuell Angeklagte Nick D. vor dem Landgericht in Bonn zuletzt, seien die Geschäfte in der Größenordnung möglich gewesen. Sie seien die "Turbolader" für Cum-Ex gewesen.

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Bei den Geschäften handelten Banken und Investoren Aktien mit (cum) und ohne (ex) Dividende. Wer an einem bestimmten Tag im Jahr, dem Stichtag, Aktien eines Konzerns besitzt, bekommt darauf meist eine Dividende ausgezahlt. Das ist eine Gewinnbeteiligung, die Firmen ausschütten. Darauf zahlen Investoren Kapitalertragsteuern, die sich vom Staat zurückholen können. Bei Cum-Ex-Geschäften ließen sich Banken und Investoren die nur einmal gezahlte Steuer zwei- oder mehrfach erstatten. Dem deutschen Staat entstand so ein Schaden von mehr als zehn Milliarden Euro, schätzen Steuerfahnder heute.

Die Hypo-Vereinsbank, bei der die beiden in Bonn angeklagten Händler einst arbeiteten, hatte zusammen mit anderen Banken in der komplexen Struktur eine einfache Aufgabe. Sie sollte nach dem Dividendenstichtag möglichst viele Aktien in den Kreislauf der Cum-Ex-Geschäfte bringen. Nur so war es möglich, später auch eine zweite Steuererstattung zu bekommen. Unter anderem wegen dieser Geschäfte stehen die HVB-Banker zurzeit vor Gericht.

Die Banken aber hatten ein Problem. Sie konnten über den Dividendenstichtag nur eine begrenzte Zahl an Aktien halten. Zum einen gab es interne Limits, die ihnen die Steuerabteilung vorschrieb. Zum anderen gab es externe Meldeschwellen. Wer viele Aktien eines Unternehmens besitzt, muss das öffentlich machen. Das wollten die Steuerdiebe vermeiden.

Solche Geschäfte klingen harmlos, vergrößern aber den Schaden durch Cum-Ex-Geschäfte

Um das zu umgehen, entwickelten findige Banker, was in den Ermittlungsakten heute "Sparda-Trade" genannt wird: Sie gaben Aktien vor dem Dividendenstichtag an Sparda-Banken. Diese hielten sie in ihren Büchern und gaben sie an Banken wie die HVB zurück, sobald diese den Cum-Ex-Kreislauf füllen wollten. Solche Geschäfte klingen harmlos, hatten für die deutschen Steuerzahler aber schlimme Folgen: Sie vergrößerten das Volumen der Cum-Ex-Geschäfte und damit auch den Schaden beim Fiskus. Gelaufen sein könnten die Geschäfte einer Mail zufolge bis 2012. Gegen ehemalige und womöglich auch aktive Beschäftigte der Hypo-Vereinsbank läuft bei der Staatsanwaltschaft in Köln deshalb zurzeit ein Ermittlungsverfahren, das erst 2019 auf diese Transaktionen ausgeweitet wurde. Bei der HVB werden die Deals zurzeit intern geprüft. Die Bank kooperiert eigenen Angaben nach mit den Behörden.

Mehrere Sparda-Banken in ganz Deutschland sollen einem internen Bericht der HVB zufolge an den Geschäften beteiligt gewesen sein. Erwähnt sind unter anderem Sparda-Banken in Berlin und Nürnberg. Wussten sie, was sie taten?

Vernehmungen von Zeugen bei der Staatsanwaltschaft in Köln und Aussagen am Landgericht Bonn zufolge hätten die Bepreisung und die Konstellation die Geldinstitute zumindest stutzig machen können. Die Sparda-Banken widersprechen: Die Preise für die Geschäfte seien "durchaus marktüblich" gewesen, sagt ein Sprecher der Sparda-Bank Berlin auf Anfrage. Eine etwaige Belieferung der Leerverkäufer durch die HVB "war für die Sparda-Bank Berlin nicht erkennbar". Die Sparda-Bank Nürnberg bestätigt die Geschäfte, schreibt aber auch: "Ob andere Finanzinstitute mit den übertragenen Aktien Cum-Ex-Geschäfte getätigt haben, entzieht sich unserer Kenntnis." Beide halten die Deals auch deswegen für unbedenklich.

Das Landgericht in Bonn könnte dieser Sichtweise einen Strich durch die Rechnung machen. In einem Gerichtsbeschluss erklärt die 12. Strafkammer, dass nicht nur Cum-Ex-Geschäfte potenziell strafbar sein können. Vielmehr sei auch die Beteiligung an den Lieferungen von Aktien in den Cum-Ex-Kreislauf potenziell strafbar, dann als Beihilfe. Das aber wird schwierig nachzuweisen sein. Für eine Verurteilung müssten die Ermittler nachweisen können, dass sowohl Täter als in dem Fall auch die Sparda-Banken vorsätzlich gehandelt haben, sprich: Sie müssten beweisen, dass die Genossenschaftsbanker wussten, wie eng ihre Geschäfte mit Cum-Ex-Deals verknüpft waren - und dass sie das Zustandekommen dieser mutmaßlichen Steuerhinterziehung im großen Stil billigend in Kauf genommen haben.

© SZ vom 29.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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