Tony Fadell gilt als einer der Väter des iPod, jenes legendären Musicplayers von Apple - das schönste elektronische Gerät, das es Mitte des vergangenen Jahrzehnts zu kaufen gab. Umso größer war das Erstaunen, als Fadell 2010 eine eigene Firma gründete, um Heizungsthermostate zu entwickeln. Ausgerechnet Heizungsthermostate! Was könnte weiter entfernt sein vom Glamour der Apple-Produkte als die unscheinbaren Knäufe und Kästen, die steuern, wie warm die Heizkörper werden?
Was Fadell mit seinem Start-up "Nest" ein Jahr später vorstellte, hatte mit den altbekannten Thermostaten dann aber so viel zu tun wie ein Walkman mit einem Smartphone: Er präsentierte einen Heizungsregler mit Internet-Anbindung, der sich automatisch dem Lebensrhythmus der Bewohner anpasst. Hübsch war er dazu, mit seinem Design im eleganten Apple-Stil. Fadell hatte das Thermostat zu einem digitalen Lifestyle-Objekt gemacht.
Seit Jahrzehnten werden Heizungen hierzulande nach dem gleichen Prinzip geregelt: Wer friert, dreht am Knauf des Heizkörpers, dem sogenannten Thermostatventil. Echte Wohlfühltemperaturen lassen sich mit einer solch simplen, manuellen Steuerung allerdings nur schwer erreichen - mal ist es zu warm, mal zu kalt. Zudem lädt sie dazu ein, Energie zu verschwenden. Denn wer hat schon Lust, beim Verlassen des Hauses zu kontrollieren, ob die Thermostatventile auch wirklich zurückgedreht sind? Die digitale Regeltechnik dagegen, so das Versprechen der Hersteller, steuert die Heizung ganz nach den Bedürfnissen der Bewohner. Zugleich sinkt der Energieverbrauch, da die Heizkörper nur dann laufen, wenn die Räume auch wirklich warm sein sollen.
Manche Regler berücksichtigen sogar die aktuelle Wetterprognose
"Die Möglichkeiten zur Digitalisierung der Heizungssteuerung sind vielfältig", erklärt Johanna Kardel vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. Am einfachsten sei es, die konventionellen Thermostatventile durch programmierbare zu ersetzen. Sie funktionieren ähnlich wie Zeitschalter für Steckdosen. Die Bewohner können zum Beispiel festlegen, dass das Badezimmer jeden Morgen und Abend automatisch eine Stunde lang auf eine zuvor festgelegte Temperatur aufgeheizt wird, den Rest des Tages aber kühl bleibt. Die Produkte gibt es bereits ab etwa zehn Euro im Baumarkt zu kaufen.
Mehr Komfort bieten Thermostatventile, die mit Smartphones vernetzt sind. Statt die Heizkörper nach einem starren Zeitschema zu steuern, registrieren sie anhand der Geolocation-Funktionen der Handys, wo sich die Bewohner gerade aufhalten. "Nähern sie sich dem Haus, berechnet ein Algorithmus, wann sie dort eintreffen und wie lange die Heizkörper brauchen, um den Raum auf die gewünschte Temperatur zu bringen", sagt Kardel. Manche Regler berücksichtigen dabei sogar die aktuelle Wetterprognose. Über das Smartphone haben die Nutzer zudem die Möglichkeit, ihre Heizkörper aus der Ferne zu steuern, etwa vom Büro aus.
Um etwa fünf bis acht Prozent könnten Haushalte ihren Wärmeverbrauch mit dieser Technik reduzieren, meint Kardel. Einige Hersteller geben eine Ersparnis von bis zu dreißig Prozent an. Das sei für die meisten Haushalte aber nicht erreichbar, sagt die Verbraucherschützerin. "Solche Zahlen basieren auf der Annahme, dass die Bewohner ihre Heizkörper zuvor immer mit maximaler Leistung haben laufen lassen und sie nie manuell geregelt haben." Handy-gekoppelte Thermostatventile kosten zwischen 50 und 100 Euro, Steuerungen für mehrere Heizkörper ab etwa 200 Euro. Das Angebot ist mittlerweile groß: Spezialisten wie Tado oder eQ-3 konkurrieren hier mit etablierten Heiztechnik-Herstellern wie Viessmann, Vaillant oder Bosch/Buderus, die ebenfalls digitale, vernetzte Regeltechnik anbieten. Ab kommendem Herbst wird auch Nest, mittlerweile von der Google-Mutter Alphabet übernommen, seine Produkte in Deutschland verkaufen.
Die digitalen Regler für die Heizkörper können die Bewohner meist mit wenigen Handgriffen selbst montieren. Daher eignen sie sich auch für Mieter; sie können die Technik beim Auszug einfach mitnehmen. Anders dagegen Steuerungen, die nicht nur mit den Heizkörpern, sondern auch mit der zentralen Heizungsanlage gekoppelt sind: Sie bleiben den Eigentümern vorbehalten, da Mieter in der Regel keinen Zugriff auf die Anlage haben. Diese Systeme berechnen auf Basis der Temperaturvorgaben der Bewohner für ihre Räume und der Außentemperatur in Echtzeit, wie viel Heizenergie der Kessel oder die Wärmepumpe des Gebäudes erzeugen muss. Dabei greifen sie unmittelbar in den Kesselbetrieb ein - wird weniger Wärme benötigt, passt die Steuerung die Heizleistung sofort an. "Das Einsparpotenzial solcher Systeme liegt bei etwa zwanzig bis dreißig Prozent, abhängig vom energetischen Zustand der Immobilie", sagt Severin Beucker vom Berliner Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit. Viele Steuergeräte ermöglichen zudem eine Fernüberwachung der Heizungsanlage über Funk oder Wlan. Ineffizienzen und Störungen lassen sich so frühzeitig erkennen.
"Hacker können ausspionieren, wann Wohnungen und Häuser leer stehen."
Mit der Anbindung von Heizkörpern und Heizungsanlage an Internet oder Mobilfunk stellt sich allerdings die Frage nach der Sicherheit. Corinna Kodim, Energieexpertin des Eigentümerverbands Haus & Grund, warnt: "Das Sicherheitsrisiko ist sehr hoch. Hacker können auf diesem Wege ausspionieren, wann Wohnungen oder Häuser leer stehen. Zudem ist es theoretisch möglich, Heizungsanlagen aus der Ferne außer Betrieb zu setzen", erklärt sie. So etwa geschehen im vergangenen Jahr in Finnland, als die Steuerung der Heizungen zweier Wohnblocks monatelang aus dem Netz attackiert wurde.
Statt in die Digitalisierung zu investieren, sollten Eigentümer nach Meinung von Kodim zunächst einmal alte Kessel und Heizungspumpen austauschen, die Heizung mithilfe eines hydraulischen Abgleichs richtig einstellen, Rohrleitungen dämmen und sich um eine regelmäßige Wartung bemühen. "Das bringt mehr Einsparungen, ganz ohne Risiko", erklärt Kodim.
Beucker vom Borderstep Institut warnt jedoch davor, bei der Sicherheit sämtliche Produkte über einen Kamm zu scheren. "Wie bei allen digitalen Angeboten besteht auch hier die Gefahr, dass jemand die Heizungssteuerung hackt, keine Frage. Wie groß das Risiko ist, unterscheidet sich aber von Hersteller zu Hersteller, abhängig davon, welche Schutzmaßnahmen sie ergreifen." Wer sich für ein Produkt interessiert, sollte sich also genau informieren, wie der Anbieter Hackerangriffe abwehrt. Zudem weist Beucker darauf hin, dass das Sicherheitsniveau anderer vielfach genutzter digitaler Dienste, etwa zur Datenspeicherung in der Cloud, im Allgemeinen viel geringer sei als bei der Heizungssteuerung. "Und das hindert uns ja auch nicht, diese Angebote zu nutzen."