Siemens:Erlangener Renaissance

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Die ersten Siemens-Mitarbeiter solidarisieren sich mit Ex-Chef Heinrich von Pierer.

Thomas Fromm

Siemens-Chef Peter Löscher wird sich schon vorher überlegt haben, über welche Themen er sprechen wollte - und über welche nicht. Über ein überraschend gutes Quartalsergebnis zum Beispiel lässt sich mit Journalisten trefflich plaudern.

Ebenso wie über die Gefahren einer globalen Konjunkturabschwächung. Nur zu der Entscheidung des Siemens-Aufsichtsrates, von Ex-Vorständen Schadensersatz in Millionenhöhe einzufordern und dabei möglicherweise auch deren Privatvermögen nicht zu schonen, wollte Löscher partout nichts sagen. Das Thema sei Sache des Aufsichtsrates.

"Die Meinungen gehen stark auseinander"

Eine diplomatische Antwort. Nicht nur, weil es in der Tat Sache des Aufsichtsrates ist. Löscher weiß aber auch: Bei den Schadensersatzforderungen geht es auch um seinen Vorgänger Heinrich von Pierer, und der ist bei Siemens noch äußerst präsent - zumindest in den Köpfen vieler Mitarbeiter.

Der Erlangener, der im Konzern jahrelang "Mr. Siemens" war, erfährt in Zeiten von Stellenstreichungen, Konzernumbau und Schadensersatzforderungen eine ungewöhnliche Renaissance. "Die Meinungen gehen stark auseinander", sagt Sabine Herbst, stellvertretende Betriebsratsvorsitzende in Erlangen.

"Es gibt viele Mitarbeiter in Erlangen, die würden von Pierer gerne als Chef wieder haben und stehen gerade in diesen Wochen hinter ihm. Viele kritisieren, dass die neue Siemens-Führung zu Amerika-hörig ist - zumal mögliche Schadensersatzzahlungen ja in die USA gehen dürften."

Ein Mitarbeiter aus Erlangen fragt: "Warum soll ausgerechnet Heinrich von Pierer an den Galgen kommen?" "Beschämend" sei es, wie die neue Konzernführung mit der alten Garde umgehe.

"Von Pierer hat sich für den Standort eingesetzt, ging auf die Arbeitnehmer zu und hatte einen guten Draht zu den Betriebsräten", sagt ein Erlangener Arbeitnehmervertreter. Gerade das mache ihn für viele heute attraktiv.

Doch nicht nur in Erlangen geht ein Riss durch die Belegschaft: Nichts dokumentiert die Beziehung so gut wie die Entscheidung der Arbeitnehmervertreter im Erfurter Siemens-Generatorenwerk, die von Pierer einst zum Ehrenbetriebsrat machten.

Heute warnen die ersten bereits vor einer Spaltung der Belegschaft. "Von Pierer sollte zugeben, dass das alles nicht in Ordnung war und er dafür die Verantwortung trägt", sagt ein Münchner Mitarbeiter. "Aber die jetzige Führung sollte aufpassen, dass sie es im Umgang mit Pierer nicht zu weit treibt."

Es gibt aber auch noch die anderen, die, die gerade jetzt davor warnen, die Vergangenheit zu verklären. "Mit seinem Zehn-Punkte-Programm hat von Pierer den Umbau des Konzerns eingeleitet und bei Siemens das Zeitalter der Globalisierung eingeläutet", sagt ein Betriebsrat.

"Ohne von Pierer gäbe es keinen Löscher, das muss allen klar sein." Ob die Von-Pierer-Fraktion unter den Beschäftigten langfristig Bestand hat? "Er ist einfach nicht mehr der Heilige, der er noch vor einigen Monaten war", heißt es dazu in Mitarbeiterkreisen.

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