Siemens will Schadenersatz:Fesseln für Manager

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Die Zivilklage gegen Pierer & Co. ist nicht Ausdruck von Missgunst, Rachsucht und Sündenbock-Suche. Es sind nur die Fesseln des Rechts, die für Siemens-Vorstände genauso gelten wie für jeden anderen.

Heribert Prantl

Dem Siemens-Aufsichtsrat blieb gar nichts anderes übrig: Er muss den früheren Siemens-Vorstand auf Schadenersatz verklagen, weil er sich ansonsten selbst schadenersatzpflichtig machen würde.

Die Schäden durch die Korruptionsaffäre werden gewaltig sein. (Foto: Foto: dpa)

Die Zivilklage gegen Pierer & Co. ist also nicht Ausdruck von Missgunst, Rachsucht und Sündenbock-Suche. Sie entspricht schlicht der geltenden Rechtslage. Wer einen Schaden rechtswidrig verursacht, der muss dafür haften.

Lediglich ein allgemeines Rechtsprinzip

Das ist kein Sonderrecht gegen Manager, das ist keine Fesselung des Managements, sondern ein allgemeines Rechtsprinzip. Es gilt in der marktwirtschaftlichen Ordnung genauso wie in der Straßenverkehrsordnung. Und auch im Straßenverkehr ist es so, dass die Haftpflichtversicherung vorsätzlich oder grob fahrlässig verursachte Schäden nicht ersetzt.

Die finanziellen Schäden, für die der Siemens-Aufsichtsrat die Ex-Vorständler in Anspruch nimmt, werden gewaltig sein. Die Kosten, zu denen das Korruptionsregime bei Siemens geführt hat, belaufen sich nämlich auf viele hundert Millionen Euro: Geldbußen, Gewinnabschöpfung, Anwaltskosten.

Exorbitante Summen

Das sind Summen, die auch für Vorstandsmitglieder, die exorbitant gut verdient haben, exorbitant sind. Ein solches Haftungsrisiko wird zum großen Lamento der Manager-Magazine führen. Nur wer nichts macht, so wird es heißen, macht nichts verkehrt.

Wenn die Haftung für operatives Handeln nicht einmal von einer D&O (Directors and Officer)-Versicherung gedeckt wird, dann leidet, so wird es heißen, die Risikobereitschaft des Managements. Und Manager, die keine Risiken eingingen, seien schlechte Manager.

Es geht um Rechtsverstöße

Das stimmt und ist doch falsch. Richtig ist dies: Wer übervorsichtig ist, sich nicht zu entscheiden traut und jeden Konflikt scheut, der ist in der Konzernbuchhaltung besser aufgehoben als im Konzernvorstand. Aber im Fall Siemens geht es nicht um Unvorsichtigkeiten und Fehlentscheidungen, wie es sie in jedem Unternehmen gibt.

Es geht auch nicht darum, dass das Management Risiken eingegangen ist, um Gewinne zu machen, und sich dabei furchtbar verkalkuliert hat. Es geht darum, dass bei Siemens bewusst gegen geltendes Recht verstoßen worden ist. Wenn eine Konzernleitung glaubt, kriminelles Handeln zum Geschäftsmodell machen zu können, hat sie die Bodenhaftung verloren. In dem Maß, in dem das geschieht, wird Haftung Pflicht.

Die zivilrechtlichen Folgen könnten bitterer werden

Der Siemens-Vorstand, das ist die Basis für die Schadenersatzklage, hat nicht einfach unklug oder unrichtig, sondern rechtswidrig gehandelt oder solches Handeln zumindest geduldet oder gefördert. Die Kläger werden das beweisen müssen und dabei auf die Erkenntnisse aus den Straf- und Bußgeldverfahren zurückgreifen.

Auf einen Deal, wie er im Strafrecht üblich geworden ist, werden sich die Zivilkläger nicht einlassen können, weil das eine Pflichtverletzung gegenüber den Aktionären wäre. Es könnte sich also zeigen, dass die zivilrechtlichen Folgen für die Ex-Vorstände viel bitterer sind als die strafrechtlichen.

© SZ vom 30.07.2008/jkr/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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