Stellenabbau:Bei Siemens Energy gilt jetzt die "Möglichst"-Strategie

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Über Offshore-Windparks spricht Siemens-Energy-Chef Bruch derzeit gern, über den geplanten Stellenabbau im Konzern eher weniger gern. (Foto: Ingo Wagner/dpa)

Der Energiekonzern will weltweit 7800 Stellen abbauen, und das am liebsten möglichst geräuschlos. Ob das funktionieren kann?

Von Thomas Fromm, München

Vielleicht liegt es daran, dass Siemens-Energy-Chef Christian Bruch es in diesen Tagen mit einer Reihe offener Fragen zu tun hat. Jedenfalls startet er seine morgendliche Telefonkonferenz mit Journalisten am Dienstag mit jenen Dingen, die mal keine neuen Fragen aufwerfen und sich noch dazu ganz gut erzählen lassen. Zum Beispiel die Geschichte von Verteiltransformatoren für den Windpark Seagreen, die Arbeit an einem Offshore-Ölfeld in Lateinamerika oder die klimaneutrale Energieversorgung der Stadt Leipzig. Projekte auf der ganzen Welt, wie man sie so macht, wenn man ein Energie-Infrastrukturanbieter mit knapp über 90 000 Mitarbeitern ist.

Dann aber muss Bruch doch mal über die Abbaupläne des Konzerns sprechen, es geht um 7800 Stellen in der Sparte "Gas and Power" weltweit, 3000 davon in Deutschland. Für den Manager ist damit der Moment der großen "möglichst"-Rhetorik gekommen: Standortschließungen sollen "möglichst" vermieden werden, betriebsbedingte Kündigungen "möglichst" nicht stattfinden. Die "Personalanpassungen", wie man Stellenstreichungen auch nennen kann, wenn es freundlicher klingen soll, sollen "möglichst auf freiwilliger Basis" stattfinden.

Siemens-Energy-Chef Christian Bruch will künftig mindestens 300 Millionen Euro im Jahr einsparen - und das möglichst geräuschlos. (Foto: Tobias Hase/picture alliance/dpa)

Damit das alles so funktioniert, müsste in den kommenden vier bis fünf Jahren jeder Zwölfte seinen Dienst bei dem Unternehmen, das früher zum Siemens-Konzern gehörte und im vergangenen Jahr an die Börse gebracht wurde, seinen Dienst quittieren und Angebote zur Altersteilzeit oder Umqualifizierung annehmen. Betroffen sind vor allem Menschen aus dem Vertrieb, aus der Verwaltung und auch aus dem Management, die sich dann, möglicherweise, in schwierigen Zeiten einen neuen Job suchen müssten. Ob das funktioniert?

Bruch weiß es natürlich selber noch nicht. Aber er hofft, dass das so klappt, wie er sich das vorstellt. Er will auf diese Weise mindestens 300 Millionen Euro im Jahr einsparen. Und das möglichst geräuschlos, möglichst ohne größere unschöne Diskussionen.

Keine Arbeitsplatz- und Standortgarantien

Einer, der sich genau anschauen wird, wie die Sache weitergeht, ist IG-Metall-Hauptkassierer Jürgen Kerner. Er erwarte, "dass wir die geplanten Restrukturierungsmaßnahmen im Sinne der Beschäftigten und einer nachhaltigen Zukunftsperspektive ohne Kündigungen gestalten", so Kerner. Damit ist auch klar, was der IG Metaller nicht erwartet.

Viel wird in den kommenden Monaten über jenes Papier diskutiert werden, das Vorstand und Gesamtbetriebsrat in diesen Tagen mit der IG Metall aufgesetzt haben. Es heißt "Zukunftsvereinbarung 2030", und schon hier ist die Sache vage. Man wolle "möglichst keine Standorte schließen", heißt es zu der Vereinbarung von beiden Seiten. Auf konkrete Arbeitsplatz- und Standortgarantien oder den garantierten Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen mussten die Arbeitnehmervertreter jedoch verzichten.

Denn der Energiemarkt verändert sich, und bei den Geschäften der Siemens-Ausgliederung Energy geht es nicht nur um zukunftsweisende Themen wie Windenergie und Stromübertragung, sondern eben auch um jene Dinge, die Siemens einst groß gemacht haben und die nun immer weniger laufen: Projekte mit fossilen Energieträgern. Kohle, Gas, Öl. Schon lange vor der Abspaltung der Energietechnik hatte Siemens vor gut drei Jahren die Schließung seines Dampfturbinenwerks im strukturschwachen Görlitz durchgespielt. Es folgten heftige Proteste und Siemens-Chef Joe Kaeser musste einen Rückzieher machen. Das Ganze war ein Vorgeschmack auf das, was Siemens-Energy-Chef Bruch jetzt noch bevorstehen könnte. Andere Standorte könnten nun ebenfalls ins Visier der Planer und Umstrukturierer gelangen, Mülheim an der Ruhr, Berlin und Duisburg zum Beispiel. "Wir sind uns bewusst, dass unsere Pläne Teilen der Belegschaft viel abverlangen", sagte Bruch. Es sei ein "schmerzvoller und schwieriger Prozess".

Schwierig könnte die Sache auch aus einem anderen Grund werden: Von Oktober bis Dezember 2020 verdiente das Unternehmen unterm Strich 99 Millionen Euro, im Vorjahreszeitraum machte es noch ein Minus von 195 Millionen Euro. Es könnte zurzeit also durchaus auch schlechter laufen.

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