Serie: Familienunternehmen:Mehr als Lohn und Brot

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Auch in der Krise bleibt die Suche nach Fachkräften schwer. Der Autozulieferer Iwis setzt daher auf eine bewusst familienfreundliche Personalpolitik.

Sibylle Haas

In diesen Tagen hat Andreas Formann wenig Freude in seinem Job. Als Personalchef beim Automobilzulieferer Iwis in München ist er verantwortlich für 1000 Mitarbeiter, davon arbeiten 900 in Deutschland. Wie die meisten Firmen der Branche spürt auch Iwis die Wirtschaftskrise deutlich. Das Unternehmen stellt Hochleistungsketten für Motoren her. Zu den Kunden zählen alle deutschen Autohersteller.

Verstärkte Mitarbeiterbindung und erhöhte Motivation: Von einer familienbewussten Personalpolitik können auch die Unternehmer selbst profitieren. (Foto: Illustration: Carl-Heinz Daxl/SZ)

Doch weil derzeit weniger Autos gebaut werden, werden auch weniger Ketten bestellt. "Der Umsatz von Ketten für die Autoindustrie ist um 40 Prozent zurückgegangen", erklärt Formann. Auch die Sparte Antriebstechnik, in der Ketten beispielsweise für Verpackungsanlagen oder Druckmaschinen produziert werden, leidet. Schon heute sei klar, dass der Vorjahresumsatz von 250 Millionen Euro dieses Jahr nicht erreicht werden wird, sagt der Personalchef. Deshalb ist Iwis seit Januar in der Kurzarbeit.

Viele Angestellte in den Büros kommen nur noch vier Tage in der Woche in die Firma. In der Produktion wird oft eine ganze Woche im Monat überhaupt nicht gearbeitet. Die Nachtschicht, die wegen der Zulagen für die Firma besonders teuer ist, ruht schon seit einiger Zeit.

Soziale Härten vermeiden

"Die Maßnahmen reichen aber nicht aus. Wir werden Mitarbeiter entlassen müssen", erklärt Personalchef Formann. Etwa zehn Prozent aller Beschäftigten könnten von den betriebsbedingten Kündigungen betroffen sein, sagt er. Gespräche mit dem Betriebsrat laufen seit einiger Zeit, denn soziale Härten wollen alle so gut es geht vermeiden. Für die Belegschaft des in vierter Generation von der Familie Winklhofer geführten Unternehmens ist das ein harter Schlag. Immerhin liegt die durchschnittliche Betriebszugehörigkeit bei 15 Jahren.

Außerdem gilt Iwis als besonders familienfreundlich. Die Firma hat mehrere Preise für seine vorbildliche Unternehmensführung gewonnen. "Doch die wirtschaftliche Lage ist schlecht. Wir müssen Stellen abbauen, wenn die Firma effizient bleiben will", erklärt Formann.

Woran er aber nicht sparen will, sind die vielen Initiativen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die familienbewusste Personalpolitik habe Tradition. Als eine der ersten deutschen Firmen gründete Iwis einen Betriebskindergarten - seit 35 Jahren gibt es den schon. In den 70er Jahren war es schwer, qualifizierte Leute zu finden. "Betriebskindergärten galten damals als besonders attraktive Einrichtung", sagt Formann.

Familie und Beruf verbinden

Seit September 2007 werden zudem auch Kinder betreut, die jünger als drei Jahre sind. "Außerdem ist es bei uns ein ungeschriebenes Gesetz, dass sich keiner darüber mokieren soll, wenn jemand sein Kind mal mit in die Firma bringt", sagt er: "Das darf nicht ausgenutzt werden, aber es gibt eben manchmal Notfälle."

Auch Telearbeit macht Iwis möglich, wenn es sein muss. Eine Buchhalterin arbeitet beispielsweise im Wechsel eine Woche im Büro und eine Woche zuhause. "Sie hat ein Kind bekommen und wohnt fast hundert Kilometer von München entfernt", erzählt Formann.

Den Versuch, Familie und Beruf zu verbinden, unternimmt Iwis nicht aus reiner Nächstenliebe. "Wir glauben, dass das effizient ist, weil wir damit gute Mitarbeiter halten und motivieren", sagt Formann.

Der Personaler weiß, dass es trotz der Wirtschaftskrise nicht einfach ist, gute Fachkräfte zu finden. Immerhin konkurriere Iwis in München mit attraktiven Arbeitgebern wie BMW oder dem Triebwerksbauer MTU. Mit seiner Haltung steht Formann nicht alleine da.

Fast drei Viertel der Unternehmen sehen betriebswirtschaftliche Vorteile für ihr Unternehmen durch ein familienfreundliches Verhalten, ergab im Frühjahr eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach für das Bundesfamilienministerium.

Eine familienbewusste Personalpolitik verstärkt die Mitarbeiterbindung, erhöht Zufriedenheit und Motivation, vermindert Fehlzeiten und erleichtert die Aquisition von Personal, fanden das gemeinsame Forschungszentrum Familienbewusste Personalpolitik der Uni Münster und der Steinbeis-Hochschule Berlin in einer repräsentativen Umfrage heraus, die im Herbst 2008 veröffentlicht wurde. Einer der deutlichsten Effekte: Familienfreundliche Firmen erhalten auf Stellenausschreibungen fast ein Drittel mehr Bewerbungen als nicht-familienbewusste.

Schon seit 1998 wirbt die Initiative "Beruf und Familie" der gemeinnützigen Hertie-Stiftung in den Unternehmen für eine familienfreundliche Personalpolitik und zeichnet vorbildliche Firmen aus. Iwis gehört dazu. Die Initiative hat unter anderem in einem Leitfaden für Arbeitgeber einige Beispiele zusammengestellt, wie Unternehmen ihren Arbeitnehmern mit neuen Arbeitszeitmodellen entgegenkommen können.

Variable Einteilung der Arbeitszeit

Dazu gehört Gleitzeitarbeit, bei der die Beschäftigten Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit selbst bestimmen. Auch Arbeitszeitkonten haben sich laut Hertie-Stiftung als hilfreich erwiesen, da sie den Mitarbeitern eine sehr variable Einteilung ihrer Arbeitszeit ermöglichen. Dabei werden die tatsächlichen Arbeitsstunden auf einem Zeitkonto erfasst und die Plus- und Minusstunden als Zeitguthaben oder -schulden vermerkt.

Bei Windwärts, einem Spezialisten für Erneuerbare Energien, haben in den vergangenen Jahren auch mehrere Väter in leitenden Positionen ihre Wochenarbeitszeit auf drei oder vier Tage reduziert. Dafür wird allerdings auch erwartet, dass sie in "dringenden Fällen" auch außerhalb ihrer regulären Arbeitszeit ansprechbar sind.

Bei Iwis beschränkt sich die familienbewusste Personalpolitik nicht nur auf die Kinder. Das Unternehmen bietet zum Beispiel Anti-Raucher-Kurse sowie Seminare zur gesunden Ernährung. Den Mitarbeitern wird Gymnastik in der Mittagspause empfohlen.

Unbürokratische Handhabe

Vielen Arbeitnehmern stellt sich auch irgendwann die Frage, wie sie sich um kranke Angehörige kümmern können. Ein Mitarbeiter aus der Grundlagenentwicklung hat unlängst seine Vollzeitstelle in eine Drei-Tage-Woche umgewandelt.

In der übrigen Zeit habe er eine Verwandte in Düsseldorf gepflegt. "Wir handhaben das unbürokratisch, wie viele andere familienpolitischen Maßnahmen auch", sagt Formann. An den zwei freien Tagen sei dann ein Zeitarbeitnehmer beschäftigt worden.

Es sei eben etwas anderes, ob jemand seine Eltern pflege, oder ob er ein Jahre lang auf einen Segeltörn gehe, sagt der Personalchef. Nach der Allensbach-Befragung sind 54 Prozent der Befragten überzeugt, dass es künftig wichtig sein wird, Beschäftigten die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf zu erleichtern.

Flexible Arbeitszeiten gibt es bei Iwis seit fast 20 Jahren. "Wenn jemand zum Arzt muss, spricht er sich mit seiner Arbeitsgruppe ab und rechnet die ausgefallene Arbeitszeit über sein Arbeitszeitkonto ab", sagt Formann. Die Guthaben sind derzeit allerdings abgeräumt. Sie wurden abgebaut, bevor es in die Kurzarbeit ging. Formann hofft, dass die Zeiten bald besser werden, "und wir die flexiblen Arbeitszeiten wieder einführen können". Das kann noch eine Weile dauern.

© SZ vom 25.06.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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