Globale Mindeststeuer:Die Schweiz sucht nach einem Ausweg

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Doppelt attraktiv: Der Schweizer Kanton Zug ist nicht nur landschaftlich schön, sondern lockt Firmen auch mit besonders günstigen Steuersätzen (Foto: Daniel Bärtschi/imageBROKER/mauritius images)

Die Pläne für eine globale Mindeststeuer sorgen für Aufregung, denn in vielen Kantonen zahlen Firmen deutlich weniger. Nun wird überlegt, wie man die Konzerne anderweitig ködern könnte.

Von Isabel Pfaff, Bern

Die Schweiz bietet Unternehmen viele Vorteile: eine gute Infrastruktur, politische Stabilität, Rechtssicherheit, mehrere Top-Universitäten, die künftige Fachkräfte ausbilden. Nicht zuletzt aber punktet das kleine Acht-Millionen-Land mit einem "attraktiven Steuerniveau", wie es bei Economiesuisse, dem Dachverband der Schweizer Wirtschaft, landestypisch zurückhaltend heißt. Man könnte auch weniger verklausuliert sagen: Die Schweiz gehört zu Europas Steueroasen.

Laut einer aktuellen Studie der Beratungsgesellschaft KPMG Schweiz liegt der durchschnittliche Gewinnsteuersatz des Landes auf dem Papier bei knapp 15 Prozent - und damit deutlich unter den Sätzen von EU-Steuerparadiesen wie Luxemburg oder Malta. In 18 der insgesamt 26 Kantone, die in der Schweiz die vorrangige Steuerhoheit inne haben, sind die Gewinnsteuersätze für Unternehmen niedriger. Am wenigsten verlangt der Innerschweizer Kanton Zug, in dem etwa Glencore, der größte Rohstoffkonzern der Welt, sitzt: 11,8 Prozent. Faktisch bezahlen viele Schweizer Großkonzerne jedoch noch weniger: Dank mehrerer Abzugsmöglichkeiten in den Bereichen Forschung und Entwicklung liegt die tatsächliche Gewinnsteuerlast für Unternehmen landesweit durchschnittlich bei elf Prozent; im Niedrigsteuer-Kanton Zug gar nur bei neun.

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Die Pläne der sieben führenden Industrienationen (G 7) für eine 15-prozentige globale Mindestgewinnsteuer auf Unternehmensgewinne sowie die teilweise Verschiebung der Steuereinnahmen von den Sitz- auf die Marktstaaten hat denn auch ziemliche Unruhe in der Schweiz ausgelöst. Ernst Stocker, Zürcher Finanzminister und Präsident der kantonalen Finanzdirektorenkonferenz, sprach von einem "direkten Angriff auf den Steuerstandort Schweiz".

"Nicht zielführend" seien die Pläne, hieß es auch beim Branchenverband Swissholdings, der multinationale Unternehmen mit Sitz in der Schweiz wie ABB, Roche, Novartis oder Nestlé vertritt. "Der Schweizer Fiskus dürfte Einnahmen verlieren", warnte der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse - schließlich sitzen viele global tätige Unternehmen in der kleinen Schweiz, erzielen aber den Großteil ihrer Umsätze anderswo. Und die wirtschaftsliberale Neue Zürcher Zeitung (NZZ) sprach von einer "schwer erträglichen Doppelmoral" auf Seiten der großen Industrienationen, die vielleicht höhere Steuersätze hätten, aber dafür Unternehmen mit Subventionen oder anderen Entlastungen anlockten. Länder wie die Schweiz mit kleinen Heimmärkten seien angewiesen auf steuerliche Standortvorteile.

Subventionen, Vorzugskredite, geringere Lohnnebenkosten

Nach ernsthaftem Widerstand von Schweizer Seite sieht es jedoch trotzdem nicht aus. Schon im April sagte der Schweizer Finanzminister Ueli Maurer in einem Interview: "Wir haben am Schluss lieber eine globale Lösung, die Sicherheit bietet." Diese müsse allerdings moderat sein. Vor dem Hintergrund der Schweizer Gewinnsteuersätze erfüllt der jüngste Beschluss der G 7 dieses Kriterium. Nichtsdestotrotz kursieren nun im Land verschiedene Überlegungen, wie man die Mindeststeuer in der Schweiz abfedern und die großen Konzerne damit langfristig im Land halten könnte - vor allem im Hinblick auf die hohen Lohnkosten, einen der gewichtigsten Standortnachteile des Landes.

Finanzminister Maurer erwähnte schon vor Wochen die Möglichkeit, den Unternehmen etwa die Umweltabgaben zu erlassen. Weitere Vorschläge kommen vom Zuger Finanzminister Heinz Tännler: Er brachte in einem Interview Subventionen für Forschung und Entwicklung ins Spiel, zudem Steuerentlastungen für Mitarbeiter oder eine Reduktion der Lohnnebenkosten. Auch die Wirtschaftsverbände diskutieren Maßnahmen wie Subventionen, Vorzugskredite für Investitionen oder sogar die staatliche Übernahme von Sozialversicherungsbeiträgen neuer Mitarbeiter.

Das ist bemerkenswert, sind doch derart direkte Eingriffe in die Wirtschaft in der liberalen Schweiz verpönt. Doch Verbände wie Economiesuisse geben sich überzeugt: Komme die Mindeststeuer, sei die Schweiz gezwungen, sich mit dem Thema Direktförderung auseinanderzusetzen. Man müsse dann "spielen wie die anderen - und andere Staaten spielen intensiv auf diesem Feld."

Wie es weitergeht mit dem ehrzgeizigen Reformplan der G 7 wird sich Anfang Juli zeigen. Dann diskutieren die Finanzminister der G 20, zu denen neben den großen Industriestaaten auch wichtige Schwellenländer wie China, Brasilien und Südafrika gehören, den Vorschlag. Obwohl die Schweiz kein G-20-Land ist, wird auch der eidgenössische Finanzminister - auf Einladung Italiens - dabei sein und mitdiskutieren. Ein Ministeriumssprecher versprach in der NZZ bereits so viel: "Wir sehen dieser Debatte gut vorbereitet entgegen."

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