Schuldenerlass für Griechenland:... und Schnitt!

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Angetrieben von den Euro-Finanzministern einigt sich Griechenland mit seinen privaten Gläubigern. Die verzichten auf mehr als die Hälfte ihrer Forderungen. Unklar bleibt, ob der Schnitt den Banken wirklich weh tut und ob die Hedge-Fonds noch dazwischenfunken. Warum mit dem Deal von Brüssel noch nicht alle Probleme gelöst sind - und den deutschen Steuerzahler Milliarden kosten könnten.

Jannis Brühl

Wolfgang Schäuble und Jan Kees de Jager sind schwer zufriedenzustellen: Vier Mal sollen die Finanzminister von Deutschland und den Niederlanden die griechischen Politiker zurück in die Verhandlungen mit den privaten Gläubigern geschickt haben.

Vier Mal in einer Nacht.

Griechenlands Ministerpräsident Lukas Papadimos sowie sein Finanzminister Evangelos Venizelos rangen in Brüssel um den Schuldenschnitt mit dem Vertreter des Internationalen Bankenverbandes IIF, Charles Dallara, Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann sowie Jean Lemierre von der französischen Großbank BNP Paribas. In den Morgenstunden stand dann endlich der Deal: Die privaten Gläubiger verzichten auf 53,5 Prozent des Geldes, das sie Griechenland geliehen haben.

Damit erhöhen Banken, Versicherungen und Investmentfonds nochmals ihren Anteil am Hilfspaket. Im Juli 2011 war ein Schnitt von 21 Prozent ausgehandelt worden, im Oktober wurde er dann auf 50 Prozent erhöht. Weil sich aber abzeichnete, dass Griechenland auch so seine Schuldenlast nicht bis 2020 auf 120 Prozent der Wirtschaftsleistung drücken können würde, wurde noch mal neu verhandelt. Jetzt verzichten die Banken auf mehr als 100 Milliarden Euro.

Vorgesehen ist ein Anleihentausch. Die Gläubiger geben ihre Papiere ab und erhalten dafür neue, länger laufende aber schlechter verzinste Staatsanleihen. Der Zinssatz für die neuen Papiere soll nun anfangs bei nur noch zwei Prozent liegen. Er steigt später an. Die Durchschnittsverzinsung für die Anleihen mit einer Laufzeit von 30 Jahren beträgt 3,65 Prozent. Damit haben sich die Euro-Staaten durchgesetzt: Noch vor wenigen Wochen hieß es aus dem IIF, dass ein Satz unter vier Prozent inaktzeptabel sei.

Es gibt zwei Arten, den jetzigen Schnitt zu rechnen: Offiziell verlieren die Papiere 53,5 Prozent ihres Nominalwerts - also des Wertes, der auf den Papieren steht und den Käufer einst bei Anleiheauktionen des Staates zahlten. Zählt man Zinsen und Zinseszinsen hinzu, auf die Gläubiger wegen des Schnitts verzichten müssen, verlieren sie 70 Prozent des gesamten Kapitalwertes.

Banker wie Ackermann hatten öffentlich gern die höhere Zahl benutzt - schließlich erscheint dann das Opfer größer, das sie für die Rettung Griechenlands bringen. Ob der Schuldenschnitt ihnen aber wirklich weh tut, ist unklar: Die meisten Banken haben die schwerverkäuflichen Anleihen in den Krisenjahren bereits in Richtung Marktwert abgewertet. So haben deutsche Banken den einstigen Wert ihrer griechischen Papiere von mehr als 15 Milliarden Euro bereits um die Hälfte nach unten korrigiert.

Den deutschen Steuerzahler dürfte der Schuldenschnitt Milliarden kosten. Die Bad Bank der HRE, die FMS Wertmanagement, dürfte nach Angaben aus Finanzkreisen zu Abschreibungen in Höhe von sechs bis acht Milliarden Euro gezwungen sein. Das ist keine Privatsache der Bank, denn für die Verluste der FMS steht der staatliche Rettungsfonds Soffin gerade.

Ein FMS-Sprecher konnte die genauen Folgen am Dienstag allerdings noch nicht beziffern. In die Abwicklungsanstalt hatte die HRE im vergangenen Herbst riskante Papiere im Wert von 175 Milliarden Euro ausgelagert, um so einen Neustart zu schaffen. Die FMS soll die Papiere eigentlich schrittweise wieder zu Geld machen.

Finanzminister Venizelos gab sich nach der Einigung euphorisch: "Nun können wir die Wirtschaft des Landes wieder in die richtige Spur bringen und unsere Würde zurückgewinnen." Vor allem, weil der Schuldenverzicht des Privatsektors deutlich über die verabredeten 100 Milliarden Euro hinausgehe. Zurückhaltender gab sich Charles Dallara vom IIF. Er sprach von einem "bedeutenden Schritt zur Umsetzung des Schuldenumtausches". Denn Dallara weiß: Die Einigung ist nicht das Ende des Schuldenschnitts, sondern eigentlich erst der Anfang.

Davon zeugt auch das Statement der Finanzminister vom Dienstagmorgen in schönster Bürokratensprache: "Die Euro-Gruppe glaubt, dass diese Einigung eine angemessene Basis dafür ist, mit der Einladung zum Tausch an die Besitzer griechischer Staatsanleihen zu beginnen."

Notfalls mit Zwang

Den privaten Gläubigern soll in den kommenden Tagen ein Angebot vorgelegt werden, ihre alten Anleihen in neue Schuldscheine mit längeren Laufzeiten und niedrigeren Zinssätzen umzutauschen. Das kann mehrere Tage dauern, soll aber im März abgeschlossen sein. Erst nach Ende der Aktion ist klar, wie viele der privaten Gläubiger sich tatsächlich auf die niedrigen Zinssätze einlassen und sich beteiligen. Sind es zu wenige, gefährdet das den Rettungsplan.

Die von den Euro-Ländern erhoffte Beteiligung von 90 Prozent ist keineswegs sicher. "Anleihenbesitzer sind von Natur aus ein zersplitterter und nonkonformistischer Haufen", schreibt Reuters-Kommentator Felix Salmon in seinem Blog.

Eine hohe Beteiligung will Griechenland notfalls erzwingen: Ein entsprechendes Gesetz werde dem Parlament bald vorgelegt, teilte das Finanzministerium unmittelbar nach dem Gipfel in Brüssel mit. Seit Wochen gibt es Spekulationen, dass sich manche Hedge-Fonds weigern, mitzumachen. Sie könnten mit Hilfe des neuen Gesetzes dazu gezwungen werden.

Jetzt schon fein raus ist die Europäische Zentralbank EZB: Sie widerstand den Forderungen der privaten Institute, sich als öffentlicher - und größter - Gläubiger Griechenlands ebenfalls an dem Schuldenschnitt zu beteiligen. Kurz vor dem Gipfel hatte sie sich mit einem Trick nochmals abgesichert: Sie tauschte ihre alten griechischen Anleihen gegen neue. Da diese neuen Papiere nicht vom jetzigen Schuldenschnitt betroffen sind, könnte die EZB selbst dann nicht zum Verzicht gezwungen werden, wenn Griechenland die collective action clause aktiviert, eine Klausel, mit der alle Gläubiger zum Verzicht gezwungen werden, wenn eine Mehrheit unter ihnen dafür stimmt.

Der griechische Schuldenberg von derzeit rund 350 Milliarden Euro soll mit dem nun beschlossenen Rettungsplan bis zum Jahr 2020 auf 120,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) sinken. Ursprünglich hatten die Euro-Länder eine Senkung auf 120 Prozent von derzeit 160 Prozent des BIP bis im Jahr 2020 angestrebt. Dies machte auch der IWF zur Bedingung für weitere Hilfen. 120,5 Prozent wäre immer noch knapp das Doppelte der erlaubten Maastricht-Kriterien der Euro-Zone.

© Süddeutsche.de, mit Material von Reuters, dpa, dapd - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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