Sammelklage gegen Hypo Real Estate:Gebündelte Wut

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Dutzende Kläger, ein Verfahren: Mit einer Sammelklage wollen Aktionäre der Hypo Real Estate Schadenersatz erstreiten. Das hat Vorteile für alle Beteiligten.

Martin Hesse und Klaus Ott

Die juristischen Streitigkeiten um die Hypo Real Estate (HRE) sind fast genauso unübersichtlich wie die früheren Geschäfte der Immobilienbank, die das Kreditinstitut beinahe in den Abgrund gerissen hätten. Bei mehreren Kammern des Landgerichts München stapeln sich mehrere Dutzend Klagen aus ganz Deutschland, in denen zahlreiche Vorwürfe erhoben werden. Nun sollen diese Klagen in einem Musterprozess gebündelt werden. Das macht es übersichtlicher und zudem einfacher für Aktionäre, sich an die Klage dranzuhängen.

Die Klagen der ehemaligen Hypo-Real-Estate-Aktionäre sollen in einem Musterprozess gebündelt werden. (Foto: Foto: AP)

Insgesamt fordern die Aktionäre rund eine Milliarde Euro Schadenersatz, weil sie sich vom früheren Vorstand um Ex-Konzernchef Georg Funke getäuscht fühlen. Das alte Management soll Risiken verschwiegen haben. Das Landgericht hat nun ein Verfahren eingeleitet, das zu einer Sammelklage vor dem Oberlandesgericht (OLG) München führen soll. Diese wird dann voraussichtlich alle Schadenersatzansprüche behandeln.

Ein Anwalt für alle Kläger

Die Sammelklage hat für alle Beteiligten Vorteile: Die Aktionäre, die jetzt schon gegen die Bank vorgehen, sparen Zeit und Geld. Es muss nicht mehr jeder Anleger auf eigenes Risiko klagen; bei einer Niederlage werden die Kosten geteilt. Zudem können sich weitere Aktionäre dem Musterprozess anschließen. Und: Die Gefahr, dass verschiedene Kammern mit unterschiedlichen Urteilen für Verwirrung statt Klarheit sorgen, ist gebannt; die Justiz wird entlastet. Außerdem muss sich die immer noch in einer schweren Krise steckende Bank nur mit einem gegnerischen Anwalt herumschlagen, der alle klagenden Anleger vertritt.

Die HRE geht inzwischen selbst "davon aus, dass ein solches Verfahren demnächst durchgeführt" werde. So steht es in einem Schriftsatz der HRE-Anwälte, in dem die Vorwürfe zurückgewiesen werden. Das in München ansässige Institut ist Deutschlands Bank mit den größten Risiken. Der Staat hat, um einen Flächenbrand in der Finanzbranche zu verhindern, das Geldhaus mit Kapital und Bürgschaften in Höhe von insgesamt rund 100 Milliarden Euro gerettet. Verlöre die Bank das anstehende Musterverfahren, müsste auch hier am Ende wohl der Steuerzahler haften. Ohne Hilfen des Staates kann die HRE nicht überleben.

Gute Chancen für Tilp

Für Aktionäre, die massenhaft die Gerichte anrufen, gibt es seit 2005 ein eigenes Gesetz, das große Streitfälle vereinfachen soll. Voraussetzung für einen Musterprozess sind zehn gleichlautende Klagen. Bei der HRE müssen nun bis Ende Mai genügend Fälle vorliegen. Die größten Chancen, von der Justiz als Anwalt für alle klagenden Anleger benannt zu werden, rechnet sich der Tübinger Anlegeranwalt Andreas Tilp aus.

Eine von Tilp eingereichte Klage hat das Landgericht für das Musterverfahren bereits ausgewählt. "Von uns sind noch mehr als zehn weitere Verfahren anhängig", sagt Tilp. Seine Kanzlei könne deshalb von alleine einen Musterprozess bewirken: "Das werden wir jetzt unverzüglich tun." Tilp macht für seine Mandanten, darunter Fonds mit Tausenden Anlegern, 900 Millionen Euro Schadenersatz geltend. Der Anwalt führt bereits andere Musterprozesse, etwa gegen die Deutsche Telekom, die ihren Aktionären ebenfalls Risiken verschwiegen haben soll. Bislang hat die Telekom bei Gericht die besseren Karten. In München hatte das Landgericht im August 2009 Tilp bei den Klagen gegen die HRE geringe Chancen bescheinigt. Tilp will nun neue Beweise vorlegen.

Anträge für das Musterverfahren will auch die Münchner Kanzlei Rotter einreichen, die rund 70 HRE-Aktionäre vertritt. Jurist Felix Weigend aus der Kanzlei Rotter erwartet, dass der Prozess beim OLG erst 2011 beginnt. Das sei jedoch "nicht schlimm", sondern eher hilfreich. Bis dahin sei bei der Münchner Staatsanwaltschaft mit Ergebnissen der Ermittlungen gegen den alten HRE-Vorstand zu rechnen. Diese Resultate könnten dann den Musterprozess der Aktionäre gegen die HRE "deutlich erleichtern".

© SZ vom 05.02.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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