Deutsch-russischer Handel:Viele deutsche Unternehmen machen immer noch Geschäfte in Russland

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Moskauer Metro: Laut der Organisation "B4Ukraine" hat der Handelskonzern in 2022 Gewinnsteuern in Höhe von 37 Millionen US-Dollar in Russland abgeführt. (Foto: dpa)

Zahlreiche deutsche Unternehmen wollen Russland trotz des Überfalls auf die Ukraine nicht den Rücken kehren und füllen so nach Ansicht von Kritikern die Kriegskasse des Kreml.

Von Daniel Brössler, Berlin

Es war eine ungewöhnliche Erfolgsgeschichte, die der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft in der vergangenen Woche zu vermelden hatte. Im Vergleich zum Vorjahr sei der deutsch-russische Handel in den ersten sieben Monaten 2023 um 27 Milliarden Euro auf nur noch 8,4 Milliarden Euro eingebrochen. Das sei ein Minus von 76 Prozent. Unter den deutschen Handelspartnern weltweit sei Russland binnen eines Jahres von Rang 14 auf Rang 36 abgerutscht. Der Ost-Ausschuss, der sich über Jahrzehnte dem Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen zu Russland verschrieben und immer neue Rekorde gefeiert hatte, verkündete nun, dass die "große Mehrheit der deutschen Unternehmen" ihre Geschäfte in Russland weit über die Sanktionsbestimmungen hinaus heruntergefahren oder sich zurück gezogen hätten. Der Angriffskrieg gegen die Ukraine scheint Russland für deutsche Unternehmen in ein toxisches Geschäftsumfeld verwandelt zu haben, aus dem sie sich so schnell wie möglich zurückziehen wollen.

Ein paar sind gegangen, aber viele noch da

Doch der Schein trügt - jedenfalls nach Beobachtung der Initiative " B4Ukraine" (B4U), einem Zusammenschluss zivilgesellschaftlicher Organisationen mit dem Ziel, Russland die ökonomische Basis für seinen Angriffskrieg zu entziehen. Deutsche Unternehmen seien sehr wohl noch in großer Zahl in Russland aktiv, beklagte die Initiative in Berlin. So sei Deutschland immer noch der zweitgrößte Warenlieferant für Russland mit einem Anteil von 6,2 Prozent an den Importen - allerdings mit großem Abstand hinter China mit einem Anteil von 39,2 Prozent. Auch von einem Exodus deutscher Unternehmen aus Russland könne nicht die Rede sein. 67 Prozent von 393 deutschen Unternehmen hielten an ihrer Präsenz in Russland fest, acht Prozent hätten sich durch Verkauf oder Geschäftsaufgabe vollständig zurückgezogen. 25 Prozent seien dabei, ihr Russland-Geschäft aufzugeben. "B4Ukraine" stützt sich bei diesen Zahlen auf eine Datenbank der Kyiv School of Economics.

Von den zehn deutschen Unternehmen mit den 2022 höchsten Einnahmen in Russland haben sich demnach nur drei - Uniper, BMW und BASF - aus Russland zurückgezogen. Der Handelsriese Metro, der Chemie- und Pharmakonzern Bayer und der Baumaterial-Hersteller Knauf bleiben in Russland aktiv. Nach den von "B4Ukraine" vorgelegten Zahlen hat die Metro AG 2022 Gewinnsteuern in Höhe von 37 Millionen US-Dollar in Russland abgeführt, Knauf 33 Millionen US-Dollar und BASF 24 Millionen US-Dollar - Geld, das der Kriegskasse Russlands zugute komme. Deutsche Unternehmen hätten 2022 insgesamt mehr als 400 Millionen US-Dollar Steuern in Russland gezahlt.

"Deutsche Steuerzahler zahlen für diesen Krieg."

Das deutsche Verhalten sei sehr widersprüchlich, kritisierte B4U-Mitbegründerin Nataliya Popovych. Einerseits habe Deutschland die Ukraine bislang mit 20 Milliarden US-Dollar an militärischer, humanitärer und finanzieller Hilfe unterstützt. "Deutsche Steuerzahler zahlen für diesen Krieg", sagte sie. Durch ihre Präsenz in Russland unterminierten deutsche Unternehmen andererseits diese Unterstützung.

Der Ost-Ausschuss macht geltend, dass der Rückzug aus Russland vielfach schwierig sei. Viele Unternehmen seien an "vertragliche Verpflichtungen gebunden und können nicht einfach den Markt verlassen, ohne sich und ihre lokalen Mitarbeiter strafbar zu machen", argumentierte die Vorsitzende des Ost-Ausschusses Cathrina Claas-Mühlhäuser vergangene Woche. "B4Ukraine" überzeugt das nicht. Die Initiative hat 140 internationale Unternehmen, darunter deutsche, nach ihren Motiven für ihren Verbleib Russland befragt und diese überprüft. "Wir haben unterschiedlichste Rechtfertigungen gehört, von denen einige wie Ausreden klangen", sagte B4U-Mitbegründer Bennett Freemann. Zwar gebe es tatsächlich reale Schwierigkeiten, man sei aber überzeugt: "Ein verantwortungsbewusster Rückzug aus Russland ist nicht nur wünschenswert, sondern möglich."

Häufig argumentierten Unternehmen, dass sie essentielle Waren lieferten. "Wir räumen ein, dass es einige essentielle, lebensrettende Medikamente gibt", sagte Freemann. Das müssten Pharmaunternehmen dann aber auch dokumentieren. Häufig sei das Argument vorgeschoben. Es gebe aber auch "lachhafte" Beispiele, etwa wenn es um Süßigkeiten gehe. Auch die in Einzelfällen berechtigte Sorge um einheimische Mitarbeiter werde zu oft als Ausrede missbraucht. Etliche Unternehmen hätten bereits gezeigt, dass es möglich sei, Russland zu verlassen und Vorkehrungen für die Mitarbeiter zu treffen. Wenig überzeugend sei auch die Behauptung, ein Rückzug komme nur dem russischen Staat zu Gute. Westliche Unternehmen gingen im Gegenteil ein hohes Risiko ein, in die russische Kriegsmaschinerie und andere kriminelle Aktivitäten wie Geldwäsche verwickelt zu werden.

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