Rohstoffe:Seltene Erden sind gar nicht so selten

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Ein Arbeiter in einer Mine für Seltene Erden in der chinesischen Provinz Jiangxi. Noch immer stammen 70 Prozent der Weltproduktion aus dem Land. (Foto: Reuters)
  • Seltene Erden stecken in Handys, Windrädern und Leuchtmitteln: Wer ein Industriestaat sein will, braucht diese Metalle.
  • Wie kein anderes Land hat China in die aufwendige, teure und schmutzige Gewinnung investiert. Chinas Weltmarktanteil lag zwischenzeitlich bei 97 Prozent.
  • Auch Privatfirmen, gerade in den USA, sind in das Geschäft eingestiegen.
  • Jetzt zeigt sich: Es war eine Rohstoff-Blase.

Von Kathrin Werner, New York, New York

Dies ist die Geschichte eines Hypes. Es ist eine Geschichte über Weltpolitik, Börsenfieber, Techniktrends und unscheinbare graue und braune Pulver. Vor wenigen Jahren, vor allem zwischen 2010 und 2011, war kaum etwas so begehrt wie diese Pulver: Seltene Erden. Stoffe wie Dysprosium haben es auf die Titelseiten der Wirtschaftszeitungen und in die Konferenzdiskussionen der Weltwirtschaft geschafft. Händler tauften sie "das Öl der Zukunft". Die Preise explodierten. Menschen wurden sehr reich. Und jetzt ist das alles vorbei.

Seltene Erden sind 17 schwer aussprechbare Metalle wie Yttrium, Neodym, Praseodym oder eben Dysprosium. Sie stecken in allerlei modernen Geräten, zum Beispiel in Smartphones, Elektromotoren und Windrädern. Man braucht sie als Poliermittel, in der Glasherstellung, als Zusatz in Legierungen, in Magneten und als Leuchtmittel.

Ein Engpass an Seltenen Erden, so die Angst, könnte die Industrie ausbremsen bei der Entwicklung dieser Zukunftstechnologien. Außerdem, was wichtig ist: man braucht sie in der Rüstungsindustrie. Denn über Jahre hinweg hat China in die Entwicklung der Rohstoffe investiert wie kein anderes Land und so laut einer Studie des unabhängigen Thinktanks Council on Foreign Relations einen Weltmarktanteil von 97 Prozent erreicht. Doch die Amerikaner brauchten Seltene Erden für ihre modernen Bomben, Tomahawk-Marschflugkörper und F-35-Kampfjets. Sie wollten nicht komplett von China abhängen - und schlugen Alarm.

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"Rückblickend war das Ganze eine absolute Rohstoff-Blase"

Nachdem sich die Preise für Seltene Erden und Industriemetalle über Jahre hinweg kaum verändert hatten, haben sie sich allein im Boomjahr 2011 zum Teil mehr als verzehnfacht, der Markt für Seltene Erden wuchs zwischen 2008 und 2011 von 2,4 auf 27 Milliarden Euro. Wer an dem Hype mitverdienen wollte, kaufte sich Aktien an dem einzigen amerikanischen Förderunternehmen: Molycorp. Der Börsenwert des Unternehmens aus Colorado schwoll auf vier Milliarden Dollar an.

Doch nun wird klar: Seltene Erden sind gar nicht so selten. "Rückblickend war das Ganze eine absolute Rohstoff-Blase", sagte Jon Hykawy, ein Seltene-Erden-Analyst des Marktbeobachters Stormcrow Capital, der Nachrichtenagentur Bloomberg. Molycorp hat gerade Insolvenz angemeldet.

Der Name Seltene Erden stammt aus der Entdeckungszeit der Metalloxide im 18. Jahrhundert. Nach Schätzungen gibt es weltweit 100 Millionen Tonnen Seltene Erden, einige kommen sogar häufiger vor als zum Beispiel Blei. Man findet die Seltenen Erden in vielen Teilen der Erdkruste, in der Inneren Mongolei in China genauso wie im sächsischen Storkwitz, in den Tiefen der Ozeane, in Westaustralien, Kanada oder den USA. Allein rund um den Berg Kvanefjeld in Grönland vermuten Experten mehr als elf Millionen Tonnen. Laut mehrerer Studien kann das Kvanefjeld-Projekt in Zukunft 20 bis 30 Prozent des globalen Bedarfs decken, Grönlands Regierung prüft noch die Umwelt- und Sozialverträglichkeit.

Auch in Kalifornien sind Seltene Erden reichhaltig vorhanden. Die Amerikaner hatten 2002 die Förderung in der Mine Mountain Pass, einst die ertragreichste der Welt, aus Angst vor Umweltschäden eingestellt. Molycorp hat sie vor gut drei Jahren wieder eröffnet.

Leicht zu haben sind die Seltenen Erden trotzdem nicht. Es gibt nur wenige große zusammenhängende Lagerstätten und somit weltweit nur wenige Minen, in denen die Hightech-Metalle wirtschaftlich gefördert werden können. Sie kommen in sehr geringen Konzentrationen vor und müssen erst aufwendig aus den Mineralien gelöst werden - mit giftigen Säuren. Außerdem fallen leicht radioaktive Abfälle an.

Als China seinen Export beschränkte, war die Empörung im Westen groß

China hat in den vergangenen Jahren groß in die Förderung investiert, die Minen des Landes haben es wegen billigerer Arbeitskräfte und laxerer Umweltauflagen leichter als ihre Rivalen etwa aus Amerika. Und dann beschränkte das Land im Jahr 2010 auch noch den Export. Offiziell teilte die Regierung mit, sie wolle damit die Umwelt schützen. In Wirklichkeit, sagen Außenpolitik-Experten, habe sie ausländische Unternehmen, die auf die Rohstoffe angewiesen sind, dazu bringen wollen, neue Fabriken in China zu eröffnen. Die Folge waren heftige Proteste im Westen.

Doch ganz so schlimm wie befürchtet war die Mangelversorgung aus China dann gar nicht. Denn einerseits stieg das Angebot von anderer Seite, während zugleich die Nachfrage fiel. Molycorp etwa begann mit der Förderung in Kalifornien und Lynas, ehemals ein Goldschürfer, produzierte mehr in Australien.

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Gleichzeitig arbeiteten mehrere Unternehmen, darunter vor allem der Chemiekonzern Rhodia aus dem französischen La Rochelle, an der Wiederverwertung von seltenen Erden aus Batterien. Außerdem stellte sich heraus, dass Seltene Erden nicht unersetzbar sind. Toyota erfand Elektro- und Hybridmotoren, die ganz ohne sie auskamen. Siemens arbeitet an Hochleistungsmagneten aus einem neuartigen Material auf Basis einer Eisen-Kobalt-Verbindung unter anderem für Windräder. Und weil sich LED als Leuchtmittel so schnell etabliert und mit viel weniger seltenen Erden auskommt, prognostiziert die US-Energiebehörde statt starkem Wachstum jetzt einen Nachfragerückgang für Seltene Erden in Leuchtstoffen bis 2030 um 65 Prozent.

Chinas Weltmarktanteil ist inzwischen auf mindestens 70 Prozent gesunken, was immer noch viel ist, wenn man bedenkt, dass dort nur 30 Prozent der Vorkommen liegen. Das Land hat noch immer Marktmacht, hat die Obergrenze der Ausfuhrbeschränkung von 31 000 Tonnen pro Jahr aber nie erreicht. 2013 exportierte es zum Beispiel nur 22 493 Tonnen. Anfang dieses Jahres hat die Regierung die Quotenregel aufgehoben. Die Welthandelsorganisation WTO hatte sie schon 2013 für unzulässig erklärt, weil die Exportquoten chinesischen Firmen unfaire Wettbewerbsvorteile verschafften.

Das Ende der Quote versetzte Molycorp einen Schlag. Denn mit der Angst vor Engpässen schrumpften auch die Preise der Seltenen Erden. Das Unternehmen will allerdings weiter arbeiten, über ein Verfahren nach Chapter 11 des amerikanischen Insolvenzrechts seine Schulden loswerden und die Insolvenz schon Ende dieses Jahres verlassen - wenn alles klappt. Auch für den Konkurrenten Lynas aus Australien sieht es nicht gut aus. Der Aktienkurs ist seit Anfang 2013 um fast 95 Prozent gesunken. Viele Menschen haben mit den Seltenen Erden viel Geld verloren.

© SZ vom 07.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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