Ein bisschen sieht das nach Goldgräbern aus, auf der Suche nach dem großen Glück: Menschen, manchmal Kinder, die mit bloßen Händen in Steinhaufen wühlen, so wie die Goldsucher in Amerika einst - doch die Szenen spielen heute zumeist in Afrika; und für die Buddler gibt es nichts zu gewinnen. Nur ein, zwei Dollar bekommen sie am Tag, selbst dann wenn sie große Klumpen des begehrten Materials herausholen: Kobalt. Ein Rohstoff, der in praktisch allen Akkus verwendet wird, ein bisschen in Handys, sehr viel in Elektroautos.
Die Grundlage der modernen Technik ist also oft im Wortsinne dreckig - aber nur wenige wollen es genau wissen, kaum einer mag hinschauen. "Es mangelt bei allen Unternehmen an Transparenz", sagt Mathias John, Wirtschaftsexperte bei der Menschenrechtsorganisation Amnesty International - und zwar auch bei deutschen Konzernen. "Deshalb besteht die Gefahr, dass der Käufer eines Smartphones, Laptops oder E-Autos unwissentlich Kinderarbeit fördert", erklärt John, dessen Organisation seit zwei Jahren genau verfolgt, unter welchen mitunter desaströsen Umständen dieser immer wichtiger werdende Rohstoff gewonnen wird.
Druck, der nun beginnt Wirkung zu zeigen. Der Handy-Hersteller Apple versucht mittlerweile, die Lieferketten von der Grube bis zu den Fabriken genauer zu beleuchten. Auch deutsche Unternehmen, wie der Autobauer BMW, beginnen damit, ihre Lieferanten klarer zu benennen. Von sieben Schmelzen, etwa Umicore in Südkorea, Ganzhou Tengyuan Cobalt Industrial in China oder Ambatovy auf der Insel Madagaskar, kommt der Rohstoff für die Fahrzeugbatterien wie sie zum Beispiel im Elektroauto i3 stecken. Zwar stellt BMW die Akku-Zellen, in denen die Energie gespeichert wird, nicht selbst her. "Aber wir sehen uns in der Verantwortung, dass auch die zugelieferten Teile zu ordentlichen Bedingungen produziert wurden", sagt Ferdinand Geckeler, Nachhaltigkeitsmanager bei den Bayerischen Motorenwerken.
30 kritische Rohstoffe hat der Konzern identifiziert, angelehnt an den sogenannten "Sorgfaltspflichtenkatalog" der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und der Rohstoffinitiative der Bundesregierung. Leder ist dabei, dessen Gerbprozess Umwelt und Arbeiter schädigen kann, aber eben auch Metalle in Elektromotoren und Batterien. Derzeit befinden sich in der Batterie eines BMW i3 etwa 35 Kilogramm Grafit und jeweils mehr als zehn Kilo Nickel, Kobalt sowie Mangan. Die Frage ist: Wo kommen diese Rohstoffe her? "Alles können wir dabei nicht im Blick haben", sagt Geckeler, "aber wir stellen gezielte Recherchen an, quasi Tiefenbohrungen."
Es gibt kleine Minen, wo Menschen ohne Schutzkleidung per Hand arbeiten
Bei Amnesty nimmt man diese Bemühungen wahr: BMW habe sich zuletzt in einigen Aspekten verbessert und schneide unter den Autoherstellern als bester ab, heißt es. Doch ist es ein Vergleich auf niedrigem Niveau. Auch der Beste ist letztlich kein Vorbild; das Amnesty-Urteil zu BMW lautet: weiterhin deutliche Mängel. Sie wissen darum in München und sprechen offen darüber. "Nehmen wir Kobalt", sagt Geckeler, "und eine der vielen Problemdimension dabei, die Kinderarbeit": Der Abbau im mit Abstand größten Fördergebiet Kongo werde von chinesischen und europäischen Konzernen beherrscht. "Und wir sind nahezu sicher, dass zumindest in den großen Minen keine Kinderarbeit stattfindet und hier nachprüfbar Löhne gemäß OECD-Regularien gezahlt werden."
Aber es gibt auch diese kleinen Minen, wo Menschen ohne Schutzkleidung per Hand arbeiten, in ungesicherten Gruben und Stollen, mitunter buddeln auch Kinder herum. 20 Prozent des im Kongo gewonnenen Kobalts kämen aus diesen sogenannten artisanalen Minen, sagt Geckeler: "Irgendwo ist dieses Material und es wird vermengt, es kontaminiert, wie wir sagen, die sauber produzierte Lieferung." Die Summe kann nicht aufgehen. Aber rausgehen aus dem Kongo deswegen? Das helfe den Leuten auch nicht, sagen sie bei BMW.