Erdöl:Wie ein ganzer Kontinent seiner Rohstoffe beraubt wird

Oil workers walk at the Idu Agip flow station near Port Harcourt in Nigeria's volatile but oil-rich Niger Delta

Erdölförderung in Nigeria: Das Land exportiert erfolgreich Rohstoffe - aber das Geld daraus kommt der Bevölkerung nicht zugute.

(Foto: REUTERS)

Afrika ist reich an Rohstoffen, aber vielerorts geht der Rest der Volkswirtschaft zugrunde. Die Bevölkerung bleibt arm und wird ärmer - denn Konzerne und Machthaber machen ihre eigenen Geschäfte.

Von Isabel Pfaff

Bis vor Kurzem hatte Nigeria noch eine staatseigene Strombehörde, die National Electric Power Authority (NEPA). Der Volksmund machte daraus "Never Expect Power Anytime" (Rechnen Sie zu keiner Zeit mit Strom) oder, als die Firma in Power Holding Company Nigeria (PHCN) umbenannt wurde: "Please Have Candles Nearby" (Bitte immer Kerzen bereithalten).

Der Humor der Nigerianer ist bemerkenswert. Ihr Land ist immerhin der größte Energie-Exporteur Afrikas - doch die eigenen Kraftwerke und Stromnetze sind in einem so elenden Zustand, dass praktisch das gesamte Land mit Generatoren betrieben werden muss. Wohlgemerkt mit Hilfe von importiertem Diesel, der so teuer ist, dass viele Nigerianer sich nur selten Strom leisten können.

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Der Fluch der Ressource

Wie ist das möglich - Treibstoffknappheit in einem Land, das über die elftgrößten Ölreserven der Welt verfügt? Das ist, zugespitzt, die Frage, der Tom Burgis, ehemaliger Afrika-Korrespondent und inzwischen Investigativ-Reporter der Financial Times, nachgeht. Sein Buch "Der Fluch des Reichtums" ist eine Reise in die wichtigsten Rohstoffstaaten des Kontinents. In fast allen lässt sich ein Phänomen beobachten, das Ökonomen seit der Entdeckung von Erdgas in den Niederlanden der Sechzigerjahre die "holländische Krankheit" nennen: den erfolgreichen Export von Rohstoffen, der zwar Geld ins Land spült, aber letztlich die anderen Sektoren der Volkswirtschaft zerstört.

Selbst gut funktionierende Staaten können diesem Gesetz nicht komplett entgehen. Die Exporterlöse aus dem Verkauf von Öl, Gas oder Diamanten treiben nun einmal den Wert der Landeswährung in die Höhe, Importware wird deshalb im Vergleich zu lokalen Produkten billiger, und die heimische Industrie geht langsam an der Konkurrenz zugrunde.

"In Afrika hat sich die holländische Krankheit zu einer chronischen Malaise entwickelt", schreibt Burgis. In den an Bodenschätzen reichen Staaten sei der Rohstoffsektor eine "Enklave des Reichtums" für einige wenige, während die Masse der Bevölkerung in Armut lebt. So weit, so bekannt. Burgis ist nicht der erste Autor, der über den Fluch schreibt, der offenkundig auf Afrikas Rohstoffstaaten liegt. Aber er gehört zu den wenigen, die den Ressourcenfluch entschlüsseln, und zwar in einer seltenen empirischen Tiefe.

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In zehn detailreichen Kapiteln fächert der Autor auf, wie aus der Allianz von afrikanischen Regierungen, zwielichtigen Mittelsmännern und multinationalen Rohstoffkonzernen eine gut geölte Plünderungsmaschine (so der sehr viel treffendere Originaltitel des Buchs) entstanden ist. Das Besondere: Burgis hält sich nicht mit der allgemeinen Betrachtung dieses Problems auf. Akribisch folgt er den verschlungenen Pfaden des Ölgeldes in Angola und Nigeria, identifiziert die Größen eines korrupten Schattenstaats im Kongo, deckt auf, wie Konzerne in Guinea gegen Schmiergeld an Schürfrechte gekommen sind, oder wie Simbabwes Diktator die Einnahmen aus dem Rohstoffhandel in seinen Unterdrückungsapparat steckt.

Leseprobe

Einen Auszug aus dem Buch stellt der Verlag hier zur Verfügung.

Die Plünderungsmaschine funktioniert in jedem der Fälle ähnlich: Über verschachtelte Firmengeflechte verschleiern Konzerne und Regierungen die tatsächlichen Erträge aus dem Rohstoffhandel. So können die Machthaber einen Teil des Geldes in ihre Taschen leiten, und die Konzerne kommen um Steuern herum. Manchmal schalten sich noch Mittelsmänner dazwischen - weil sie die notwendigen Kontakte hergestellt oder den Beteiligten an der richtigen Stelle einen Gefallen getan haben. Sie wachen dann über Konzessionen und Schürfrechte und lassen sich ihre Vermittlerdienste teuer bezahlen. Burgis heftet sich an die Fersen dieser multinationalen Kaste aus Potentaten, Unternehmern und Raubrittern. Das ist keine leichte Kost, man muss bereit sein für zahllose Namen, Adressen, Firmen und Fußnoten. Doch nur so entfaltet sich der Wert seiner Recherchen.

Der Autor zeigt, wie die Plünderungsmaschine die von der holländischen Krankheit befallenen Staaten Afrikas noch tiefer ins Unglück reitet. Und er benennt klar die Verantwortlichen. Dazu zählen nicht nur die afrikanischen Machthaber, die getrost auf die Unterstützung ihrer Bevölkerung verzichten können, weil sie sich mit ihrer Rohstoffrente alles kaufen können, was zum Machterhalt nötig ist. Oder die windigen Mittelsmänner aus aller Welt, die für Geld so gut wie alles tun würden. Burgis widmet sich auch jenen, die die Maschine mit legalen Mitteln am Laufen halten: Minenkonzerne, die ihre Gewinne in Steueroasen transferieren. Eine Entwicklungsorganisation wie die Weltbank, die zweifelhafte Rohstoffprojekte fördert. Oder die neue Weltmacht China, die den Löwenanteil von Afrikas Rohstoffen kauft und gleichzeitig die Industrien des Kontinents mit ihrer Importware kaputt macht.

Wie man die Maschine stoppen könnte, verrät Burgis nicht. Allerdings legt er am Ende der gut 300 Seiten eine Spur. Er erzählt von einem Londoner Konzert der nigerianischen Musikerin Nneka, die zwischen ihren Songs über das Leid in ihrer ölreichen Heimat spricht. Und ihrem Publikum zuruft: "Denkt nicht, ihr hättet nichts damit zu tun."

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