Ringen um Opel:Autoexperten im Beichtstuhl

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Merkel, Minister und Manager: Ein Gipfel soll die Zukunft von Opel klären. Die Kanzlerin weiß schon, wie sie zu einer Entscheidung kommen will.

Claus Hulverscheidt

Wenn sich in Berlin zwei oder drei Politiker irgendwo zusammensetzen und die Presse davon erfährt, ist in den anschließenden Berichten schnell von einem Spitzentreffen die Rede. Bekleidet mindestens einer der Beteiligten ein hohes Amt, wird aus dem Spitzentreffen gar ein Gipfel. Gleich mehrere Milchgipfel kamen so zustande, aber auch Auto-, Integrations-, Bildungs-, Familien-, Koalitions- und Sonstwiegipfel. Für die wenigen wirklich wichtigen Treffen geht so rasch die Superlative aus.

Ein Gipfeltreffen, das den Namen auch verdient: Angela Merkel, mehrere Minister und Spitzenmanager treffen sich am Mittwoch in Berlin. Es soll eine Vorentscheidung fallen, wer Opel übernehmen darf. (Foto: Foto: ap)

Eines dieser tatsächlich wichtigen Zusammenkünfte ist das Treffen zur Zukunft des kriselnden Autobauers Opel, das an diesem Mittwochnachmittag im Kanzleramt stattfinden wird. Es soll eine Vorentscheidung darüber bringen, welcher der drei Kaufinteressenten - Fiat, Magna oder Ripplewood - Opel mehrheitlich übernehmen darf. Neben Kanzlerin Angela Merkel und den mit dem Fall befassten Ministern werden auch Spitzenmanager der drei Bieterfirmen, die Ministerpräsidenten der vier Bundesländer mit Opel-Standorten, Vorstände von Opel und der bisherigen Konzernmutter General Motors sowie ein Vertreter des US-Finanzministeriums teilnehmen.

Im Beichtstuhl

Um alle Informationen zu kanalisieren und ein vertretbares Ergebnis zu erreichen, will sich Merkel einer in der deutschen Politik eher selten verwendeten Strategie bedienen: des sogenannten Beichtstuhlverfahrens. Es kommt vor allem bei EU-Gipfeln sowie gelegentlich im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat zum Einsatz und sieht vor, dass die Gipfelteilnehmer nicht nur in großer Runde tagen, sondern vom Vorsitzenden einzeln oder in kleinen Gruppen einvernommen und auf einen Kompromiss eingeschworen werden. Am Ende treffen sich alle wieder, um das gefundene Ergebnis formell zu beschließen.

Im Fall Opel sollen sich nach Merkels Plänen alle Beteiligten den ganzen Abend über für Gespräche bereit halten. Wer will, kann in einem der vielen Zimmer des Kanzleramtes sein Basislager errichten, andere werden in die nähere Umgebung ausschwärmen. Die Ministerpräsidenten etwa dürften in den Gesprächspausen ihre jeweiligen Landesvertretungen ansteuern, die nur wenige hundert Meter von Merkels Amtssitz entfernt liegen.

Vor dem Kanzleramt selbst werden sich wie üblich die Kamerateams der Fernsehsender und die Korrespondenten der Zeitungen die Beine in den Bauch stehen und darauf warten, dass der ein oder andere Teilnehmer für einen kurzen Moment stoppt und einen Zwischenstand vermeldet. Der Ausgang des Treffens ist offen, denn das Beichtstuhlverfahren ist zwar ein erprobtes Mittel. Eine Erfolgsgarantie aber gibt es nicht.

© SZ vom 27.05.2009/lauc/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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