Konjunktur:"Wir stecken mitten in einer Rezession"

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Die deutsche Konjunktur schwächelt. Das liege laut Ifo-Präsident Clemens Fuest vor allem an der Industrie. (Foto: imago/blickwinkel)

Managerinnen und Manager bewerten ihr aktuelles Geschäft skeptischer als erwartet - vor allem in der Industrie. Eine Erholung der Konjunktur rücke in weite Ferne, prognostizieren Experten.

Die Stimmung der deutschen Wirtschaft hat sich in der Rezession weiter deutlich verschlechtert. Das Ifo-Geschäftsklima sank im Juni überraschend kräftig auf 88,5 Punkte von 91,5 Zählern im Vormonat und damit das zweite Mal in Folge, wie das Münchner Ifo-Institut am Montag zu seiner Umfrage unter rund 9000 Führungskräften mitteilte. Von Reuters befragte Fachleute hatten nur mit einem Rückgang auf 90,7 Punkte gerechnet. "Vor allem die Schwäche der Industrie bringt die deutsche Konjunktur in schwieriges Fahrwasser", sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Die Managerinnen und Manager bewerteten ihr aktuelles Geschäft skeptischer und ihre Aussichten wesentlich ungünstiger als zuletzt.

Von November bis April war das wichtigste Barometer für die deutsche Konjunktur sechs Mal in Folge gestiegen. Ein Rückgang des Ifo-Index habe sich zwar abgezeichnet, sagte Analyst Jens-Oliver Niklasch von der LBBW. "Aber dass es so deutlich abwärts ging, schockiert dann doch - wir stecken mitten in einer Rezession." Auch im laufenden zweiten Quartal dürfte es mit der Wirtschaftsleistung insgesamt spürbar bergab gehen. "Eine Konjunkturerholung rückt einstweilen in weite Ferne." Ralf Umlauf von der Helaba erklärte, die wirtschaftlichen Perspektiven blieben auch zum Ende des zweiten Quartals getrübt. "Die Unternehmensstimmung hat sich angesichts höherer Zinsen und verschärfter Kreditvergabebedingungen sowie eines durchwachsenen internationalen Umfeldes weiter verschlechtert."

Auch im Dienstleistungssektor, im Handel und am Bau sank der Geschäftsklimaindex

Im Verarbeitenden Gewerbe habe sich das Geschäftsklima erheblich eingetrübt, betonte Ifo-Chef Fuest. Die Erwartungen seien auf den niedrigsten Stand seit November 2022 gefallen. "Kaum eine Branche konnte sich dieser Entwicklung entziehen." Auch die aktuelle Lage werde weniger gut bewertet. "Mittlerweile beurteilen viele Unternehmen ihren Auftragsbestand als zu niedrig." Es gebe kaum Lichtblicke, sagte Ifo-Konjunkturexperte Klaus Wohlrabe der Nachrichtenagentur Reuters. "Die weltweiten Zinserhöhungen dämpfen die Nachfrage nach Waren 'Made in Germany'." Auch im Dienstleistungssektor, im Handel und am Bau sank der Geschäftsklimaindex laut Ifo.

Die deutsche Wirtschaft war Ende 2022 und Anfang 2023 jeweils zum Vorquartal geschrumpft. Sie befindet sich damit nach einer Daumenregel von Fachleuten in einer technischen Rezession. Die Chefin der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, geht für das laufende Jahr weitgehend von einer Stagnation aus. "Das Wachstum wird bei plus/minus Null sein", sagte die Regierungsberaterin und Vorsitzende des Sachverständigenrats jüngst der Nachrichtenagentur Reuters. Ab der zweiten Jahreshälfte werde es wohl eine Erholung geben. "Das hängt von China ab." Allerdings komme der Zinserhöhungskurs der Europäischen Zentralbank zunehmend in der Wirtschaft an und bremse die Konjunktur.

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