Er hat mit nur einer Studie innerhalb von vier Wochen zwei bundesweite Debatten angestoßen, dabei wirkt Björn Asdecker nicht wie einer, der gern steile Thesen formuliert, nur um damit maximale Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit zu erheischen. Ganz im Gegenteil: Der Leiter der Forschungsgruppe Retourenmanagement an der Otto-Friedrich-Universität in Bamberg redet mit Bedacht und eher in Wenn-dann-Ableitungen, an deren Ende dann als logische Konsequenz eine Aussage steht.
Zwei Ergebnisse seines "Retourentachos" interessieren ziemliche viele Menschen, darunter auch führende Politiker: zum einen, dass etwa jedes sechste ausgelieferte Paket an den Onlinehändler zurückgeschickt wird - also eine große Zahl. Und damit verbunden die Auswirkungen auf die Umwelt: Der dadurch verursachte CO₂-Ausstoß entspreche etwa 2200 täglichen Autofahrten von Hamburg nach Moskau. Klingt nach viel, Asdecker ordnet aber gleich ein: Gemessen an allen CO₂-Emissionen in Deutschland ist das ein Anteil von 0,0262 Prozent. "Die Ökologie stand nicht im Mittelpunkt der Untersuchung", erklärt der 37-Jährige. Es war ein Nebenprodukt.
Online-Handel:Grüne fordern Verbot, Retouren wegzuschmeißen
Fraktionschefin Göring-Eckardt will Versandhändler wie Amazon mit drei Regelungen zu weniger Verschwendung verpflichten. Aber wie viele zurückgeschickte Waren werden überhaupt vernichtet?
Als die erste Aufregungswelle über die Retourenzahl verebbt war, pickte sich die Fraktionschefin der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, eine weitere Zahl im "Tacho" für einen politischen Vorstoß heraus. Knapp vier Prozent der Retouren würden entsorgt, steht in Asdeckers Studie. Die Oppositionspartei forderte daraufhin, die Vernichtung retournierter Neuware zu verbieten. Die Bundesregierung fühlt sich offenbar in Zugzwang und will demnächst einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen.
Doch Asdecker hält nicht viel davon, sondern rät, das Thema Warenvernichtung, ebenfalls nur ein Nebenprodukt seiner Studie, viel stärker zu erforschen. Dabei müsse vor allem die Entsorgung von Saisonware und Lebensmitteln stärker berücksichtigt werden. "Über Ressourcenverschwendung kann man reden, aber ein Verbot bringt nichts", sagt der Retourenspezialist. "Die Ware wird dann im Ausland weggeschmissen." Er sorgt sich, dass der Polit-Populismus nicht der Sache dient, sondern Unternehmen abschreckt, auf deren Kooperation alle angewiesen seien.
Wenn Asdecker an diesem Dienstag in Berlin auf Einladung des Umwelt- und des Justiz- und Verbraucherschutzministeriums seinen Impulsvortrag hält, darf man daher auf die Reaktionen gespannt sein. Er will seine Ansichten natürlich auch auf der Fachkonferenz zur Zukunft des Onlinehandels vortragen, zwar nicht in Anwesenheit der Ministerinnen, aber immerhin ihrer Staatssekretäre und Experten diverser Umweltorganisationen. Die Politik sieht er durchaus in der Pflicht, aber ganz anders, als sie glaubt.
"Der einzige Hebel", sagt Asdecker, um gegen die steigende Zahl der Retouren und die Retourenvernichtung vorzugehen, sei eine gesetzlich verankerte Rücksendegebühr. "Die muss nicht einmal hoch sein, vielleicht ein Euro pro Retoure", sagt Asdecker. Das reiche, um Verbraucher von allzu leichtfertig gemachten Bestellungen abzuhalten. Seine Studien belegten, dass die meisten Retouren bei Bestellungen anfielen, die auf Rechnung gemacht würden, weil die Menschen dann den Eindruck hätten, das koste alles nichts.
Für Gebühren spreche auch, dass sie den Verursacher träfen: Wer retourniere, zahle. Das sei gerechter als der gegenwärtige Zustand. Weil die Händler die Retouren einpreisten, zahlten im Moment diejenigen, die wenig bestellen, die Gebühren derjenigen mit, die viel zurückschicken. Das sei ungerecht. "Der E-Commerce würde daran nicht zerbrechen", sagt Asdecker. Nur: Welcher Politiker traut sich, das zu fordern? Was richtig ist, ist nicht immer auch populär.