Rüstungsindustrie:"Ich glaube, dass da nicht viel Geld übrig bleibt für die deutsche Industrie"

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"Wenn Donald Trump die Wahlen gewinnt, wird das Europa und die Nato vor heftige Herausforderungen stellen": Susanne Wiegand, Chefin des Panzergetriebe-Herstellers Renk, kann sehr deutlich werden. (Foto: Johannes Simon/SZ)

Susanne Wiegand, die Chefin des Panzer-Zulieferers Renk, fürchtet, dass ein Großteil des Bundeswehr-Sondervermögens an US-Firmen gehen könnte. Sie fordert mehr Industriepolitik.

Von Thomas Fromm

Eigentlich, sagt Susanne Wiegand, hätte sie ja schon den ganzen Tag über geredet. Die stundenlange, vierteljährliche Betriebsversammlung, die Gespräche mit dem Betriebsrat, irgendwann ist dann auch mal Schluss mit Reden, sagt die Chefin des Augsburger Rüstungsunternehmens Renk. Und dann redet sie trotzdem im Münchner Club Wirtschaftspresse. Und zwar nicht wenig.

Dass die Rüstungsmanagerin gerne ihre Sicht der Dinge klar macht, könnte auch daran liegen, dass man in dieser Branche lange Zeit nur sehr wenig bis überhaupt nichts von sich erzählt hat. Und Wiegand kennt diese Rüstungsbranche und ihre notorische Schweigsamkeit ja, sie hat lange für die Marinesparte von Thyssenkrupp gearbeitet und für den Panzerbauer und Munitionslieferanten Rheinmetall. Das waren Zeiten, in denen nicht viel gesagt wurde, weil Rüstung spätestens nach dem Ende des Kalten Krieges eher auf der dunklen Seite der Industrie verortet wurde. Audi-Manager durften gerne ausschweifen, wenn sie den Allradantrieb beim Quattro erklärten. Aber Näheres zu Korvetten und Fregatten? Kettenfahrzeugen? Panzergetrieben, so wie sie Wiegands Unternehmen Renk baut? Nächstes Thema bitte.

Früher wurde am liebsten geschwiegen

Lange Zeit, sagt Wiegand, sei die Devise gewesen: "Redet nicht, profiliert Euch nicht." Also besser schweigen und low profile. Für ein Unternehmen, das 1873 als Zahnradwerkstatt in Augsburg gegründet wurde, ist das eine Ansage.

Dann kam der Februar 2022. Seit Russland die Ukraine überfallen hat, wird auf einmal geredet, und Wiegand redet mit. "Der Tagtraum, dass alles in Europa für immer friedlich ist, ist zerplatzt", sagt sie. Wenn Träume zerplatzen, dann ist das erst einmal ungewohnt für alle, vor allem aber für jene Politiker, die bisher nicht daran gewohnt waren, dass sie ihre Themen mit der Branche auf einmal öffentlich austragen müssen.

Susanne Wiegand jedenfalls diskutiert gerne, gerade jetzt, wo man "das ganze Thema nochmal neu denken" müsse. Russischer Krieg, Chinesische Geopolitik - "Wir haben eine Systemverschiebung", sagt sie. Und die Ankündigungen Chinas zu Taiwan dürfe man durchaus "ernst nehmen". Dafür, dass die Welt gerade komplett aus dem Ruder läuft, seien die Beschaffungsprozesse in der Bundeswehr aber "nach wie vor schwierig, die Mühlen mahlen langsam".

"Deutschland hat keinen politischen Kompass für die Verteidigungsindustrie"

Natürlich gibt es Konzerne wie den Panzerbauer Rheinmetall in Düsseldorf, dessen Kettenfahrzeuge mit Getrieben von Renk fahren und dessen Aktienkurs von unter hundert Euro vor dem Krieg auf heute über 250 Euro geklettert ist. Dabei, sagen zumindest viele, sei der große Topf noch gar nicht verteilt: Das Bundeswehr-Sondervermögen von 100 Milliarden Euro, das Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gleich nach Beginn des Krieges Ende Februar 2022 ausgelobt hatte. Die Hälfte davon werde vermutlich eher in den USA landen und nicht bei deutschen Unternehmen. "Ich glaube, dass da nicht viel Geld übrig bleibt für die deutsche Industrie", kritisiert sie die Vergabepolitik Berlins. Das liege auch daran, dass die Regierung die Branche nicht als strategisch wahrnehme: "Deutschland hat keinen politischen Kompass für die Verteidigungsindustrie." Da könne man durchaus mal etwas von den französischen Nachbarn lernen. Man müsse, so Wiegand, die Rüstungsexportpolitik "auch unter einem industriepolitischen Gesichtspunkt betrachten".

Ein "Leopard 2A6" bei einer Übung in Litauen. Renk liefert unter anderem die Getriebe für die Panzer. (Foto: Mindaugas Kulbis/AP)

Vor anderthalb Jahren noch hätte sie dafür vermutlich eine Menge Widerspruch bekommen. Heute funktionieren solche Forderungen, auch das hat der russische Angriffskrieg mit sich gebracht. Trotz Krieg, trotz großer geopolitischer Debatte behandle die Regierung ihre Branche nicht als strategisch, dabei gehe es hier immerhin auch um Steuergelder.

"Was muss eigentlich noch passieren?"

Eines ihrer Lieblingsthemen, ist eines der Lieblingsthemen der gesamten Branche: Das erklärte politische Ziel, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben. 2022 lagen die Verteidigungsausgaben aber nur bei 1,49 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Wiegand sagt dazu: "Ich frage mich: Was muss eigentlich noch passieren?" Und die vielen militärischen Systeme in Europa, eine europäische Verteidigung? Schwierig. Zu viele Länder, zu viele Interessen, zu viele Egos, bis hin zu der Frage, welchen Panzer man fährt. "Die Franzosen würden nicht den Leopard fahren", sagt Wiegand. "Die haben den Leclerc."

Wobei: Eigentlich kann es ihr egal sein, wer mit welchem Panzer fährt und wie welche Ausschreibung ausgeht - ihre Getriebe sind eh überall drin. Ohne Renk, einem Unternehmen mit 3700 Mitarbeitern und einem Umsatz von 849 Millionen Euro, wäre es schwierig, überhaupt Panzer zu bauen. Der deutsche Leopard, der britische Ajax, der französische Leclerc - allesamt Kampfpanzer, die mit Renk-Getrieben gefahren werden, in Dutzenden verschiedenen Armeen. Nur: Rheinmetall oder Krauss-Maffei hat jeder schon mal gehört. Aber Renk?

Renk, sagt Wiegand, sei vielleicht nicht so sichtbar, aber trotzdem ziemlich wichtig. Natürlich, weil Renk-Maschinen auch in Windrädern und Wasserstoffanlagen stecken. Da die Energiewende, und hier die Zeitenwende: Panzer, das seien eben doch keine Autos, und die Getriebe, die Renk für den Leopard-Panzer baut, sind eben doch keine Auto-Getriebe. Es fange damit an, dass für die Mannschaft problematisch werden kann, wenn so ein Panzer irgendwo auf der Strecke stehen bleibt. "Das ist ja dann nicht wie beim Autofahren", sagt Wiegand. "Wo ich vielleicht mein Meeting verpasse und mal eben schnell den ADAC rufe."

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