Rasanter Anstieg der Milliardäre in China:Zu reich für den Kommunismus

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Mitarbeiterin von Shang Xia, einem chinesischen Luxuslabel von Hermes (Foto: Reuters)

1999 gab es offiziell nur einen einzigen Milliardär in China. Inzwischen sind es Hunderte. Die Einkommen sind in China so ungleich verteilt, dass soziale Unruhen drohen.

Von Marcel Grzanna, Shanghai

Seit Jahren schaut die Welt halb fasziniert, halb angewidert dabei zu, in welch rasender Geschwindigkeit steinreiche Chinesen ihre Vermögen noch vermehren. Faszinierend daran ist das Tempo, es ist beispiellos in der Geschichte. Abneigung ruft es hervor, weil zugleich Hundertmillionen Menschen im Land weiterhin in Armut leben. Das macht den zwiespältigen Reiz dieser Statistik aus, die regelmäßig im Hurun-Report veröffentlicht wird.

Nun wurde die aktuellste Zahl der Dollar-Milliardäre in der Volksrepublik kolportiert: 315 sind es nach Schätzungen von Hurun. Das sind 64 mehr als noch vor Jahresfrist und Ausdruck dafür, dass das seit nahezu zwei Jahren tendenziell rückläufige Wachstum den Reichsten des Landes nicht geschadet hat. 559 der 1000 Reichsten besitzen heute noch mehr Vermögen als vor einem Jahr. Nur 252 verzeichneten Verluste.

Große Gewinner sind jene, die mit Immobilien ihr Geld verdienen wie Wang Jianlin, der mit 22 Milliarden US-Dollar die Liste anführt. Aber auch Unternehmer aus der IT- und Unterhaltungsbranche legten kräftig zu, nämlich im Schnitt um 20 Prozent. 1999 gab es offiziell nur einen einzigen Milliardär in China. Inzwischen rückt die Volksrepublik den USA als Land mit den meisten Milliardären immer näher. 409 wurden zuletzt in Übersee gezählt. Die tatsächliche Zahl der Superreichen ist in Wahrheit sowohl in China als auch in den USA deutlich höher. Weder Hurun noch die Wohlstandsstatistiker von Forbes erheben Anspruch auf Vollständigkeit ihrer Liste.

Der Hurun-Vorsitzende Rupert Hoogewerf gab bereits zum Anfang des Jahres zu, dass zu jedem Milliardär, der aufgelistet ist, schätzungsweise zwei hinzukommen, die nicht gefunden werden. Die Gründe dafür sind vielfältig. Nicht jeder Superreiche ist als solcher identifizierbar oder geht mit seinem Reichtum hausieren. Manche wollen die Steuerbehörden nicht unnötig auf sich aufmerksam machen. Andere fürchten, viel Geld auf dem Konto könnte ihre öffentliche Reputation beschädigen.

Das gilt wohl auch für den früheren Premierminister Wen Jiabao, dessen Familie 2,7 Milliarden Dollar angehäuft hat, aber nicht in der Liste vertreten ist. Wen taucht nirgends als Teilhaber oder Inhaber von Firmen auf. Dafür lernte man im vergangenen Jahr seine greise Mutter als Inhaberin von Unternehmensanteilen in Millionenhöhe kennen.

Wer es in die Liste der 1000 reichsten Chinesen schaffen möchte, muss mindestens 325 Millionen Dollar besitzen. Für einen Platz unter den reichsten 50 waren in diesem Jahr 2,9 Milliarden Dollar nötig. Das ist 500 Mal so viel wie vor 15 Jahren, und immer noch 17 Mal so viel wie vor zehn Jahren.

153 Namen der Top 1000 sind gleichzeitig Delegierte im Nationalen Volkskongress oder der einflussreichen Konsultativkommission des Parlaments. Das allerdings ist auch das Resultat der Strategie der autoritär regierenden Kommunistischen Partei. Die versucht, reiche Unternehmen in die Regierungsarbeit und die Gesetzgebung zu integrieren, statt sie auszuschließen, um ihr Machtmonopol aufrecht zu erhalten.

Die enormen Reichtümer, die in China von wenigen Menschen in kurzer Zeit angehäuft worden sind, stellen die Partei und ihre kommunistischen Grundwerte vor echte Legitimationsprobleme. Die Einkommen sind in China derart ungleich verteilt, dass soziale Unruhen drohen.

Hinzu kommen wirtschaftliche Konsequenzen. Denn in einem Land mit einem jährlichen Durchschnittseinkommen der Stadtbewohner von gerade einmal 4000 Dollar drückt das Ungleichgewicht der Einkommen besonders schwer auf den Binnenkonsum. Die Reichen können gar nicht so viel ausgeben, dass sie den Mangel an Konsum der unteren Einkommensschichten wettmachen könnten. Würde im Gegenteil dazu die Hälfte des Vermögens der Top 1000 den unteren Einkommensklassen gehören, würde der Konsum deutlich steigen.

© SZ vom 12.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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