Quelle: Nach dem Aus:Bayern verpasst Nürnberg Strukturprogramm

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Nach dem Quelle-Aus bangt die bayerische Politik um die Wirtschaftsregion Nürnberg/Fürth. Ein Strukturprogramm soll so schnell wie möglich festgezurrt werden.

Das Aus für Quelle bedeutet für die Wirtschaftsregion Nürnberg/Fürth einen herben Rückschlag, darum will die bayerische Landesregierung schnell helfen - und legt ein entsprechendes Programm auf. Es sei klar, dass "Bayern hilft", sagte der bayerische Finanzminister Georg Fahrenschon (CSU) im ZDF. In den kommenden Tagen und Wochen würden sich die zuständigen Stellen auf ein Strukturprogramm einigen. "Die Vorbereitungen laufen dazu schon", sagte Fahrenschon. Nähere Details nannte er nicht.

Quelle wird liquidiert - jetzt beginnt die Suche nach dem Schuldigen. (Foto: Foto: Reuters)

Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) erwartet, dass Hilfen für die bisherigen Mitarbeiter geprüft werden. Vize-Regierungssprecher Thomas Steg sagte, die Kanzlerin mache dafür aber "keine Vorgaben". Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums betonte, es sei nun die "allererste Priorität" der Bundesregierung, sich um die Mitarbeiter zu kümmern, für die die Insolvenz die "bittersten Konsequenzen" habe. Ressortchef Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) werde sich "zu gegebener Zeit" selbst zu dem Thema äußern.

Auch Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) kündigte umfangreiche Hilfen für die Quelle-Mitarbeiter an. "Das Aus für Quelle darf nicht das Aus für die Menschen sein", sagte die Ministerin nach einem Krisentreffen mit Vertretern der Gewerkschaften, den beiden Oberbürgermeistern von Fürth und Nürnberg und Experten der Bundesagentur für Arbeit (BA) in Nürnberg.

BA berät ab Montag

Bereits von kommenden Montag an will die BA praktische Hilfe leisten. Der Leiter der BA-Regionaldirektion Bayern, Rainer Bomba, sagte, man werde dann die Mitarbeiter vor Ort in einer mobilen Agentur informieren, zudem soll sich eine spezielle Task-Force mit Experten aus ganz Bayern um die Quelle-Mitarbeiter kümmern. Erwartet wird, dass bereits zum Stichtag 1. November 4000 Quelle-Mitarbeiter arbeitslos werden. Im Großraum Nürnberg gebe es derzeit rund 10.000 offene Stellen, darum bestünden für einen Teil der Beschäftigten "berechtigte Hoffnungen", dass sie schnell vermittelt werden können. Es werde aber ein langer Weg, prognostizierte Bomba: "Es steht uns insgesamt ein sehr harter Winter bevor."

Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD) kündigte an, dass es im Quelle-Vertriebszentrum eine Krisenambulanz der Uniklinik geben wird, die Mitarbeiter psychologisch betreut. "Das ist Erste Hilfe, nicht mehr, aber auch notwendig", sagte Maly. Sein Fürther Amtskollege Thomas Jung (SPD) hob die große Solidarität hervor, die in der Region trotz des "beispiellosen Entsetzens" zu spüren sei. So hätten Wolfahrtsunternehmen und auch Handwerksbetriebe bereits Stellen und Umschulungsmaßnahmen angeboten.

Kritik am Insolvenzverwalter

Haderthauer richtete richtete schwere Vorwürfe an den Quelle-Insolvenzverwalter. Der Politik sei ein Fortführungskonzept für Quelle vorgestellt worden, das bis März 2010 hätte tragen sollen, sagte sie. "Dass dieses Konzept nicht einmal einen Monat getragen hat, das wirft Fragen auf." Die Suche nach Investoren sei nicht transparent gewesen. Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg hatte das Aus für das Versandhaus damit begründet, dass kein Investor gefunden worden sei.

Für die Gewerkschaft Verdi ist klar: Die Banken sind ihrer Verantwortung nicht nachgekommen. "Das war zum Haare raufen! Diese Liquidation wäre nicht notwendig gewesen", sagte die stellvertretende Verdi-Bundesvorsitzende, Margret Mönig-Raane, der Passauer Neuen Presse.

Die bayerische Staatsregierung habe sich sehr bemüht, dem Unternehmen über die schwere Zeit zu helfen. "Das hätte ich mir von allen Beteiligten gewünscht, auch von den Banken und von der Bundesregierung", sagte Mönig-Raane. So hätte Quelle mit einer Staatsbürgerschaft geholfen werden können.

"Schnelle und unbürokratische Hilfen"

Entscheidend für das endgültige Aus für Quelle war nach Ansicht der Gewerkschafterin auch, dass die Abwicklung des Massekredits zum Druck des neuen Quelle-Katalogs nicht schnell genug erfolgt sei. Je mehr über die Probleme berichtet worden sei, desto mehr Kunden seien abgesprungen, sagte Mönig-Raane.

Deshalb müsse jetzt ein einstmals solides und starkes Unternehmen abgewickelt werden. Davon seien Tausende Mitarbeiter bei Quelle und in den Servicegesellschaften betroffen. Für sie forderte Mönig-Raane "schnelle und unbürokratische Hilfen". "Was an Weiterbildung, Qualifizierung und Vermittlung möglich ist, muss gemacht werden", sagte sie.

Nach dem Aus für Quelle beginnt nun das letzte Kapitel bei dem insolventen Fürther Versandhaus. Innerhalb von wenigen Wochen soll das traditionsreiche Unternehmen abgewickelt sein. "Wir müssen funktionsfähig bleiben für die nächsten vier bis sechs Wochen", sagte Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg.

Chancen für Privileg

Die meisten der verbliebenen Mitarbeiter würden schon zum 1. November keinen Lohn mehr erhalten. "Wir werden uns sehr bemühen, einen geordneten Ausverkauf zu machen", sagte Görg.

Immerhin - von Quelle könnte etwas bleiben, beispielsweise die Eigenmarke Privileg."Die Marke Privileg ist mittlerweile so bekannt und wertvoll, dass gute Chancen bestehen, für sie einen Käufer zu finden", sagte der Handelsexperte Jörg Funder von der Fachhochschule Worms der Berliner Zeitung. Unter dem Namen Privileg vertreibt Quelle bislang Haushaltsgeräte wie Herde, Staubsauger, Küchenmixer und Waschmaschinen.

Ein Großteil der Geräte stammt vom schwedischen Konzern Electrolux, der in Deutschland gut 2000 Menschen beschäftigt. Das Unternehmen sieht durch die Quelle-Pleite nach eigenen Angaben allerdings keine nennenswerten Einbußen: "Der Markt ist stark in Bewegung, wenn man einen großen Partner verliert, findet man anderswo wieder einen anderen", sagte eine Electrolux-Sprecherin der Berliner Zeitung.

© sueddeutsche.de/AFP/ddp-bay/dpa/tob/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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