Quelle: Die Schuldfrage der Pleite:Mehr Vergangenheit als Zukunft

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Wer ist schuld an der Quelle-Pleite? Banken, Insolvenzverwalter und Investoren bezichtigen sich gegenseitig. Dabei musste es wohl so kommen, wie es kam.

Martin Hesse

Bei der Frage, warum Quelle nicht gerettet werden konnte, ist es ein bisschen wie mit der Henne und dem Ei. Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg verbreitete in der Nacht zum Dienstag die Botschaft, ohne ein gesichertes Factoring funktioniere der Versandhandel nicht.

Quelle-Angestellte trifft bei der Betriebsversammlung in Nürnberg ein. Bei der Veranstaltung informierten die Insolvenzverwalter über die gescheiterten Übernahmegespräche für Quelle. (Foto: Foto: dpa)

Factoring bedeutet, dass der Händler, also Quelle, seine Forderungen gegenüber Kunden an Banken abtritt. Die Banken stellen dem Versandhändler sofort Geld zur Verfügung und treiben es später bei den Kunden ein.

Weil aber die drei Banken Valovis, Commerzbank und BayernLB über das Jahresende hinaus das Factoring nicht garantieren wollten, habe sich kein Käufer für die Versandhandelsgruppe Primondo gefunden, deren Kern Quelle bildet. Ohne Henne kein Ei.

Argumentation andersherum

Commerzbank und BayernLB wollten sich zu Quelle nicht äußern. In Bankenkreisen aber wird genau andersherum argumentiert: "Erst muss ein Käufer ein unternehmerisches Konzept vorlegen und erklären, wo langfristig Kapital für Quelle herkommen soll", heißt es dort. "Dann erst kann man über die Finanzierung des laufenden Geschäfts reden, also über das Factoring."

Einen solchen Bieter mit einem tragfähigen Konzept habe es aber nicht gegeben. Eine Sprecherin der Valoris Bank bestätigt: "Kein Investor hat auf Vorstandsebene mit uns über das Factoring gesprochen." Auch Görg habe keinen Käufer präsentiert. Valoris wäre auch über Ende des Jahres hinaus bereit gewesen, Forderungen vorzufinanzieren, sagte die Sprecherin. Vorwürfe, Valoris habe dafür inakzeptable Konditionen verlangt, wies sie zurück.

Nach Darstellung der Banken kam überhaupt nur ein Verkaufsprozess zustande, weil sich die Factoring-Geber nach der Pleite der Mutter Arcandor bereiterklärten, die Verträge bis Jahresende zu verlängern.

Bis zum Sommer hatte Valoris das Factoring alleine betrieben, auf politischen Druck übernahmen dann die BayernLB und die Commerzbank je ein Drittel des Risikos. So sollte sichergestellt werden, dass die Geschäfte weiterlaufen und Käufer gesucht werden können.

Noch nicht einmal ein vorläufiges Angebot

Insolvenzverwalter Görg hatte noch vergangene Woche von mehreren ernsthaften Interessenten gesprochen. In Finanzkreisen wurden die Finanzinvestoren Cerberus, TPG, Sun Capital und Golden Gate genannt. Doch nach Informationen der Süddeutschen Zeitung hat nicht einer dieser Interessenten auch nur ein vorläufiges Angebot für Primondo vorgelegt. Lediglich Golden Gate soll für den Shopping-Sender HSE eine Offerte unterbreitet haben.

Bis kurz vor Ablauf der Bieterfrist vergangenes Wochenende hatte Görg versucht, Primondo als Ganzes zu verkaufen. Dabei sollen an Einzelteilen wie HSE, Baby Waltz und dem Auslandsgeschäft von Quelle weit mehr Investoren interessiert gewesen sein. Quelle selbst aber hielten die vier ernsthaften Bieter für nicht sanierungsfähig.

Zwar sei auch die Unsicherheit über das Factoring ein Hemmnis gewesen, entscheidend aber seien andere Faktoren gewesen. Quelle mit seinen mehr als 7000 Mitarbeitern habe viel zu hohe Fixkosten gehabt.

Umsatz eingebrochen

Die hohen Kosten fielen umso schwerer ins Gewicht, als in den vergangenen Wochen der Umsatz von Quelle einbrach. Offenbar waren auch Kunden zunehmend verunsichert, ob Quelle eine Zukunft hat.

Die Verantwortung dafür, dass Quelle ein paar Monate nach einem Verkauf erneut scheitert, wollte offenbar niemand tragen. Nun kann der Insolvenzverwalter sagen, er habe alles versucht, Primondo als Einheit zu erhalten, die Banken können behaupten, das Thema Factoring sei mangels Interesse gar nicht relevant geworden, und die Investoren können sich auf die Teile des Konzerns stürzen, die sie wirklich haben wollen. Womöglich musste es bei dieser Interessenlage so kommen, wie es kam.

© SZ vom 21.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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