Biotech-Firma:Qiagen hat den Ex-Chef ungewöhnlich gut bezahlt

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Der ehemalige Vorstand des Corona-Test-Herstellers Qiagen gehörte zu den bestbezahlten Managern in Deutschland. Das Unternehmen nutzte Steuersparmodelle und bekam öffentliche Fördermittel - nun befasst sich auch der NRW-Landtag mit der Firma.

Von Petra Blum und Viktoria Spinrad

Vor einem Jahr endete die Karriere von Peer Schatz bei Qiagen von einem Tag auf den anderen. Über rund 25 Jahre hatte er die Firma geführt und zum führenden deutschen Biotech-Unternehmen aufgebaut, dann ging er plötzlich, wohl wegen Unstimmigkeiten über eine geplante Fusion. Zuvor aber, das zeigen Recherchen von SZ und WDR, gehörte Schatz zu den bestbezahlten Managern in Deutschland - während Qiagen seine Steuerlast durch Steuersparmodelle drückte und gleichzeitig öffentliche Förderungen in Millionenhöhe kassierte. Wenn sich an diesem Mittwoch der Finanzausschuss des NRW-Landtags mit der Angelegenheit beschäftigt, dürfte es deshalb hitzig zugehen.

Qiagen gilt als größtes deutsches Biotech-Unternehmen, seine Testgeräte gehören zum Standardrepertoire vieler Labore weltweit. Doch selbst dafür hat das Unternehmen aus Hilden nahe Düsseldorf sein Spitzenpersonal jahrelang überdurchschnittlich gut bezahlt. So erhielt Schatz allein im vergangenen Jahr mehr als 41 Millionen Euro. Diese Personalkosten wirkten sich merklich auf die Bilanz aus: 2019 schrieb Qiagen rote Zahlen. Jetzt geht es um die Frage, ob ein Unternehmen, das offenbar ungewöhnlich hohe Gehälter zahlte und Kosten steuermindernd einsetzte, mit Steuergeld gefördert werden sollte.

Mit 1,3 Milliarden Euro Umsatz und etwas mehr als 5000 Mitarbeitern weltweit ist Qiagen im M-Dax und im Tec-Dax gelistet, also bei den mittelgroßen Unternehmen in Deutschland. Doch die Vergütung des Chefs spielte in einer Liga mit deutlich größeren Unternehmen: Jahrelang wies Qiagen Gehaltskosten für seinen Topmanager von neun Millionen Euro im Jahr und mehr aus. Sein Gehalt bekam Schatz dabei zum größten Teil nicht in bar, sondern in Form von Aktien und Optionen, die an die Entwicklung des Unternehmens gekoppelt waren. Das ist an sich nicht ungewöhnlich, aber die Höhe fällt aus dem Rahmen. Zum Vergleich: Volkswagen-Chef Herbert Diess war 2019 mit 9,9 Millionen Euro der bestbezahlte Dax-Manager. Er verantwortet aber mehr als 250 Milliarden Euro Umsatz und deutlich mehr als eine halbe Million Mitarbeiter weltweit.

Schatz wollte die Angelegenheit nicht kommentieren. Qiagen betonte auf Anfrage, die Vergütung des Managers sei marktüblich gewesen. Gehaltsexperten kommen zu einer anderen Einschätzung: "Vergütungen für den Unternehmenschef von neun Millionen Euro und mehr pro Jahr sind in Deutschland extrem selten und deutlich über dem, was im Schnitt bei Unternehmen vergleichbarer Größe - also den mittelgroßen Unternehmen - gezahlt wird", sagt etwa Christiane Hölz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Ihrer Einschätzung nach wurde der ehemalige Qiagen-Chef bezahlt, wie es nur bei sehr wenigen Großkonzernen vorkommt. Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch der Gehaltsexperte Conrad Pramböck. "Alles über fünf Millionen Gesamtpaket gehört in Deutschland zur Top-Liga", sagt er. Müsste er eine Vergütung für einen Qiagen-Chef festlegen, läge diese zwischen 1,5 und 2,5 Millionen Euro.

Die Gehaltskosten wurden vor allem in Deutschland verbucht - und drückten hier die Steuerlast

Die Bilanzen von Qiagen zeigen zudem, dass die hohen Gehaltskosten für das Top-Management jahrelang vor allem in Deutschland anfielen - obwohl Schatz nicht nur hier als Geschäftsführer eingetragen war, sondern auch bei der Qiagen-Holding in Holland und weiteren Tochter-Unternehmen im Ausland. Experten sind sich einig, dass eine solche Praxis zumindest ungewöhnlich ist. So minderten die Kosten für das Top-Gehalt besonders die Steuern, die Qiagen in Deutschland zu zahlen hatte. Und darin könnte das nächste Problem liegen: "Bei diesem Unternehmen sind die Warnzeichen wirklich dunkelrot", sagt Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit. Steuervermeidung reizt legale Spielräume aus, NGOs wie das Netzwerk Steuergerechtigkeit fordern aber schon lange, dass der Staat genauer hinsieht. "Wenn der Staat Unternehmen fördert, rettet oder beauftragt und dafür wie in diesem Fall Millionen ausgibt, sollte er sich besonders genau anschauen, ob dieses Unternehmen in Deutschland auch ordentlich Steuern zahlt."

Qiagen betont, man halte sich stets an alle geltenden Gesetze und arbeite mit höchster Integrität. Nach einem Bericht über Steuersparmodelle des Unternehmens von SZ und WDR fordern die Grünen nun aber Aufklärung im Haushaltsausschuss. Aus dem NRW-Gesundheitsministerium hieß es dazu am Dienstag, man könne die Angemessenheit von Gehältern nicht beurteilen.

Für Qiagen steht viel auf dem Spiel, zurzeit entwickelt das Unternehmen Corona-Schnelltests. Nach der Bewilligung der ersten Förderung von 18,3 Millionen Euro für die Erweiterung der Anlagen zur Produktion von Labordiagnostik für Corona-Tests hatte das Unternehmen bereits einen weiteren Antrag gestellt - dieses Mal über 19 Millionen Euro. Eine Entscheidung über den zweiten Antrag sei bereits gefallen, dem Unternehmen aber noch nicht mitgeteilt worden, heißt es aus dem Gesundheitsministerium. Ob weitere Millionen fließen, behielt die Behörde für sich. Würde der Antrag bewilligt, erhielte Qiagen vom Land insgesamt knapp 38 Millionen Euro an Unterstützung - also in etwa so viel, wie Qiagen 2019, im Jahr des Abgangs von Peer Schatz, als Verlust ausgewiesen hatte.

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