Professor contra Prediger:Herz gegen Verstand

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Beim Branchentreff in Frankfurt findet ein britischer Banker nachdenkliche Worte, die viele eigentlich von Josef Ackermann hören wollen. Doch der verteidigt seine Zunft.

Martin Hesse

Als Stephen Green an das Mikrofon tritt, wird das schmucklose Rednerpult im Frankfurter Kongresszentrum zur Kanzel. Der anglikanische Priester, im Hauptberuf Chef der britischen Großbank HSBC, hebt an zu einer Moralpredigt an seine Zunft. "Wir müssen die moralische Dimension unseres Versagens anerkennen", lautet der Schlüsselsatz seiner Rede. Einer Rede, die so ganz anders klingt, als das, was kurz zuvor Josef Ackermann an diesem Pult vorgetragen hat. Für den Chef der Deutschen Bank ist das Pult ein Katheder. Geschliffen analysiert er die Bankenkrise, der Honorarprofessor doziert, welche Lehren zu ziehen sind.

Hilfe aus der Politik brauchten die deutschen Banken zuletzt - nur wenige Branchenvertreter legten dabei auch die entsprechende Demut an den Tag. (Foto: Foto: dpa)

"Wir müssen uns nicht nur neue Regeln stecken, sondern auch unsere Werte und unsere gesellschaftliche Rolle prüfen", sagt Green. Er findet die nachdenklichen Worte, die viele Deutsche von Ackermann hören wollen. Worte, die vom Gemeinwohl handeln und nach aufrichtiger Reue und Demut klingen. Und weil Green sie in nahezu perfektem Deutsch, mit einem leichten, liebenswerten britischen Akzent vorträgt, kommen sie bei den Zuhörern der Bankentagung in Frankfurt umso besser an. Obwohl die meisten hier sich noch daran erinnern, dass Green noch vor eineinhalb Jahren den Zorn der Briten auf sich zog, als er fünf Spitzenbankern bis zu 153 Millionen Euro an Boni gewährte.

Heute kritisiert Green, alle Fehler entsprängen dem gierigen Streben nach kurzfristiger Rendite. Es sei falsch zu glauben, wenn der Markt es hergebe und Gesetze es erlaubten, bedürfe es keiner weiteren Überprüfung des eigenen Handelns. "So handeln wir im Privatleben nicht und so sollten wir auch im Geschäftsleben nicht handeln."

Defensive gegen Angriff

Green spricht ganz aus der Defensive, wo Ackermann lustvoll angreift. Green beginnt mit einer Auflistung der Fehler, die Banken in der Krise gemacht haben, Ackermann zählt die Lehren auf, die seine Zunft bereits gezogen habe: "Wir haben schon früher als Aufsicht und Politik gefordert, dass die Banken eine längerfristige Perspektive einnehmen müssen."

Inhaltlich liegen Green und Ackermann nicht weit auseinander. Auch der Brite ist überzeugt davon, dass es keine Alternative zur globalisierten Welt gibt, in der die Kapitalmärkte eine zentrale Rolle spielen. Doch Green spricht Bauch und Herz an, wo Ackermann an den Verstand appelliert. Der Laienprediger aus England versucht zu versöhnen, wo Ackermann herausfordert.

Das Paradigma des Shareholder Value, das die Interessen des Aktionärs in den Mittelpunkt stellt, stehe nicht im Widerspruch zu einer am Gemeinwohl orientierten Unternehmenspolitik, findet Green. Ackermann kritisiert lieber die Kritiker, weil sie die Lehren aus der Krise zu stark an den Boni festmachten. Nur einmal spricht auch Ackermann deutlich die Fehler seiner Zunft an. "Wir haben uns fast nackt ausgezogen, dann hatten wir keine Reserven", sagte er mit Blick auf das knappe Kapital der Banken.

Ackermann, der frei spricht und sich in seiner Dozenten-Rolle sichtlich wohlfühlt, stellt die richtigen Fragen. Etwa wenn er darauf hinweist, dass es nicht von der Größe oder dem Geschäftsmodell abhänge, welche Banken Probleme bekamen. Die Investmentbank Goldman Sachs habe sich bewährt, die Investmentbank Lehman Brothers sei gefallen. Die Universalbank J.P. Morgan stehe gut da, die Universalbank Citigroup sei in große Schwierigkeiten geraten. Einige sehr kleine Banken, die kein problematisches Vergütungssystem hatten, seien gleichwohl kollabiert, weil ihr Geschäft nicht genug abwarf und sie auf Kreditersatzgeschäfte bauten.

Ackermann will keine einfachen Antworten

Einfache Antworten sind Ackermann ein Graus. So betont er zwar, er unterstütze alle angedachten Maßnahmen zur Regulierung der Banken. Doch im gleichen Atemzug mahnt er, wieder ganz Professor, bei der Regulierung eine volkswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Rechnung aufzumachen. So könnten höhere Kapitalanforderungen die Kreditvergabe bremsen. Und wenn man Boni nicht global einheitlich regle, dann würden in dem "Krieg um Talente" die besten Leute woanders hingehen, mit fatalen Folgen für das Risikomanagement der übrigen Banken.

Ackermann geht nicht, ohne seinen Wettbewerbern den Kampf anzusagen. "Wir werden alles dafür tun, in unserem Heimatmarkt weiter Marktanteile zu gewinnen", sagt der Deutsche-Bank-Chef. Die Verbandspräsidenten der Sparkassen und Genossenschaftsbanken, Heinrich Haasis und Uwe Fröhlich, kontern und kündigen an, ihm das nicht leicht machen zu wollen.

Der Sparkassenpräsident schlägt ähnliche Töne wie Green an. Er freue sich, dass man die dienende Rolle der Banken wieder betonen dürfe, wie Green es getan habe. Ackermann findet einen Verbündeten in Walid Chammah, dem Präsidenten der amerikanischen Investmenbank Morgan Stanley. Auch er spricht sich gegen eine Begrenzung der Gehälter und der Größe von Banken aus.

Bekennende Optimisten sind beide, Green wie Ackermann. Aber auch das formuliert jeder auf seine Weise. Die positive Rolle, die Banken als das Herz des Wirtschaftssystems haben sollten, werde wieder wahrgenommen, wenn alle das Gebot der Nachhaltigkeit befolgten, erklärt Green staatstragend. "Ich sehe Licht am Ende des Tunnels", sagt Ackermann lachend. Wohl wissend, dass er das gleiche vor genau einem Jahr gesagt hatte - sechs Tage vor der Lehman-Pleite.

© SZ vom 09.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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