Private Krankenkassen:Mehr Geld für weniger Leistung

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Zum Jahresbeginn hoben die privaten Krankenversicherer ihre Beiträge an. Jetzt häufen sich die Beschwerden der Patienten.

Caspar Dohmen

Was auf die gesetzlich Krankenversicherten noch zukommt, das wurde bei vielen privaten Krankenversicherungen schon wirksam: Zum 1.Januar 2010 hoben viele Gesellschaften ihre Beiträge an. Beim Ombudsmann der privaten Krankenversicherung gehen nun immer mehr Beschwerden über teils deutliche Kostensteigerungen ein.

Die privaten Krankenkassen stehen unter Druck: Beim Ombudsmann beschweren sich immer mehr Kunden über Preissteigerungen. (Foto: Foto: ddp)

Der Druck des Wandels

Viele Versicherte müssen seit Jahresanfang monatlich 20 bis 30 Prozent mehr an ihren privaten Krankenversicherer überweisen, vor allem weil die Preise von Medikamenten gestiegen sind. Aber auch die demografische Entwicklung setzt die insgesamt 51 privaten Kassen unter Druck - die Versicherten sterben später als noch vor ein paar Jahren, ihre medizinische Versorgung wird daher teurer. Diesen Kostendruck geben die Gesellschaften an ihre Kunden weiter. Und sorgen bei denen für Verstimmung.

Vergangenes Jahr ist die Zahl der Beschwerden um zehn Prozent auf über 5000 gestiegen", sagt Helmut Müller, der als Ombudsmann Streitigkeiten zwischen Patienten und Unternehmen schlichten soll. Seit dem Jahr 2004 hat sich die Zahl der Beschwerden sogar in etwa verdoppelt.

Firmeneigene Mathematiker

Viele Versicherte beschwerten sich über die Prämienerhöhung, sagt Müller im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung. Helfen könne er hier nur selten, da es sich um ein festgeschriebenes Verfahren handelt. Die Unternehmen handeln, wenn die tatsächlichen Ausgaben die kalkulierten Kosten um zehn Prozent überschreiten. "Dann müssen sie die Prämien erhöhen", erläutert der Ombudsmann. So sollen die Versicherten vor der Pleite ihres Versicherers geschützt werden.

Für die Berechnung sind die firmeneigenen Versicherungsmathematiker zuständig. Anschließend überprüfen unabhängige Treuhänder die Kalkulation. Nachvollziehbar sei dieses Verfahren für Außenstehende nicht, kritisiert die Verbraucherzentrale Hamburg. Wer sich dennoch beschweren will, der könne sich an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) wenden. Allerdings verschaffte die Aufsicht bisher nur in wenigen Fällen Abhilfe: Man habe bislang nur selten die Kalkulation beanstandet, sagt eine Bafin-Sprecherin.

Weder Kur noch Mutterschaftsgeld

Die private Krankenversicherung wurde in letzter Zeit jedoch häufig nicht nur teurer - sie leistet auch längst nicht mehr in allen Fällen. Kur, Mutterschaftsgeld, Psychotherapie wegen Depressionen nach einer Krebsoperation oder eine logopädische Behandlung nach einem Schlaganfall - all das sind Leistungen, die nur selten von privaten Anbietern bezahlt werden, für Kassenpatienten sind dies dagegen Regelleistungen. Und die privaten Anbieter schauen immer öfter genauer hin: "Früher haben sie längst nicht alle Sachverhalte geprüft und einfach gezahlt - diese Zeiten sind vorbei", sagt Ombudsmann Müller.

Auch die Fachleute der Verbraucherzentrale Hamburg haben den Eindruck, dass die Gesellschaften immer öfter Patienten Leistungen verweigern, die ihnen zustehen. Dies lohne sich, weil nur wenige Patienten Widerspruch einlegten und auf ihr Recht pochten.

Gestritten wird vor allem darüber, welche Leistungen medizinisch notwendig sind. Kommt es zum Streit, zeigen sich die Unternehmen immer seltener kompromissbereit. Nur etwa jeden vierten Streit konnte Ombudsmann Müller im vergangenen Jahr schlichten. "Dies ist nicht viel", räumt er ein. Besonders unnachgiebig seien Versicherungsmakler. "Manche Makler antworten nicht einmal auf meine Schreiben", sagt er.

Kein Interesse am Kleingedruckten

Einen wirklichen Ausweg aus der Situation sieht Müller nicht, der sich schon mehrere Jahrzehnte mit der Versicherung beschäftigt. 35 Jahre hat er bei der Versicherungsaufsicht gearbeitet, zuletzt als deren Leiter. Er macht sich keine Illusionen mehr über das Verhalten von Versicherungsverkäufern, aber auch von Verbrauchern beim Kauf von Versicherungen. "Die Menschen schauen nicht genau hin und interessieren sich selten für das Kleingedruckte - damit ist der Ärger programmiert", sagt Müller. So würden viele Versicherte beim Beantragen ihrer Versicherung noch immer Vorerkrankungen verschweigen. Kommt dies am Ende heraus, können die Versicherungsunternehmen die Leistungen verweigern.

Schon bald könnte die private Krankenversicherung erneut teurer werden. Seit Jahresanfang können Versicherte ihre Beiträge in größerem Umfang von der Steuer absetzen. Damit lohnt es sich für sie, die Selbstbehalte zu senken und auf Beitragsrückerstattungen zu verzichten, sagt Guido Leber von der Ratingagentur Assekurata. Eine Beitragsrückerstattung erhält, wer ein Jahr lang keine Leistungen beansprucht hat. Nun kann es für viele Versicherte günstiger sein, wenn sie Rechnungen nicht mehr selbst bezahlen. Denn nur eingereichte Rechnungen mindern die Steuer.

Am Ende: Kostenexplosion

Gehen aber bei den Versicherungen mehr Rechnungen ein, steigen am Ende die Ausgaben der Gesellschaften. "Die Folge könnte eine Kostenexplosion bei der privaten Krankenversicherung sein, die abermals Beitragserhöhungen nach sich zieht", sagt Errit Schlossberger, Chef des unabhängigen Verbraucherportals FinanceScout24. Neuer Ärger für die Versicherungskunden und damit mehr Arbeit für den Ombudsmann scheinen somit programmiert zu sein.

© SZ vom 15.02.2010/holz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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