USA:Janet und Jay

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Janet Yellen musste Anfang 2018 den Chefposten in der US-Notenbank Fed an Jerome Powell, genannt Jay, abgeben. (Foto: Imago, AFP)

US-Finanzministerin Yellen und Notenbankchef Powell waren einst Rivalen. Jetzt bilden sie Amerikas Power-Couple.

Von Claus Hulverscheidt, Berlin

Wenn man den Job verliert, weil einem die eigene Stelle von einem langjährigen Kollegen entrissen wird, dann geht man diesem Kollegen womöglich fortan einigermaßen grollend aus dem Weg. Als Janet Yellen Anfang 2018 den Chefsessel der US-Notenbank Fed für Jerome Powell räumen musste, passierte etwas ganz anderes: Powell lud Yellen zum Essen in sein Privathaus in Chevy Chase ein, einem hübschen Vorort der Hauptstadt Washington. Statt zu schmollen, sagte die Noch-Amtsinhaberin zu. Es wurde ganz offenkundig ein netter Abend, denn beide tauschten sich auch in der Folgezeit immer wieder über die großen und kleinen Herausforderungen der geldpolitischen Arbeit aus.

Jetzt, da der Wählerwille die beiden in neuer Konstellation wieder zusammengeführt hat, macht sich der jahrelange gegenseitige Respekt bezahlt: Neu-Finanzministerin Yellen und Fed-Chef Powell, genannt Jay, bilden ein wirtschafts- und finanzpolitisches Duo, wie es die USA seit den Zeiten von Robert Rubin und Alan Greenspan in den Neunzigern nicht mehr hatten: mächtig, weil es die Rückendeckung des neuen Präsidenten Joe Biden genießt, breit aufgestellt, weil Yellen den Demokraten, Powell den Republikanern näher steht, politisch ähnlich denkend, persönlich befreundet und bar jeder populistischen Neigung. An diesem Freitag werden Janet und Jay ihr Land beim virtuellen Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs der sieben führenden Industrienationen (G 7) erstmals gemeinsam repräsentieren.

Wie groß die Veränderung ist, wird deutlich, wenn man den Vergleich zum Vorgängerduo aus Powell und Steven Mnuchin zieht, das die USA unter Donald Trump international vertrat: Finanzminister Mnuchin kam in vier Jahren über die Rolle des Befehlsempfängers und Trump-Lakaien nie hinaus, Powell war als bevorzugter wirtschaftspolitischer Prügelknabe des Präsidenten teils abgemeldet. Ergebnis war, dass die USA als globale Führungsmacht komplett ausfielen.

Kein Gremium bekam das so deutlich zu spüren wie die Siebenergruppe aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada und den USA, jenes Bündnis, das die großen Industriestaaten des 20. Jahrhunderts repräsentiert und dessen Zeit manchmal schon abgelaufen schien. Dabei hätte das politische und wirtschaftliche Weltmachtstreben, das die Volksrepublik China seit einiger Zeit an den Tag liegt, die G7 theoretisch wiederbeleben und neu zusammenschweißen können. Stattdessen jedoch sorgte Trump für dauernde interne Streitigkeiten und schwächte damit die Position der USA wie die des gesamten früheren "Westens".

Die zwei Politiker suchen Konsens. Ein ganz neuer Ton

Entsprechend groß sind die Aufräumarbeiten, die Yellen und Powell jetzt in Angriff nehmen. So wird es bei dem G-7-Treffen, das unter britischer Präsidentschaft stattfindet, unter anderem um eine einheitliche finanz- und geldpolitische Strategie für den Umgang mit den wirtschaftlichen Verheerungen der Corona-Pandemie gehen. Ziel ist eine rasche Rückkehr zu einem stetigen, nachhaltigen Wachstum - auch vor dem Hintergrund, dass die wirtschaftliche Erholung in China schon deutlich weiter vorangeschritten ist. Auch in anderen Bereichen, etwa bei der Bankenregulierung und in der Klimapolitik, ist Einigkeit vonnöten, um China gemeinsam die Stirn bieten zu können. Das gleiche gilt auch für das Dauerstreitthema einer angemessenen Besteuerung weltweit tätiger Digitalkonzerne wie Google, Facebook, Apple und Amazon: Während Trump das Thema als Attacke auf die US-Wirtschaft missverstand, hat Yellen hier in den vergangenen Wochen Dialogbereitschaft angedeutet.

Doch nicht nur die Welt setzt auf das neue US-Duo, auch die Vereinigten Staaten selbst tun es. Yellens drängendste wirtschaftspolitische Aufgabe ist es derzeit, jenes Corona-Hilfspaket im Umfang von 1,9 Billionen Dollar durch den Kongress zu bringen, das Biden zum ersten Meilenstein seiner Präsidentschaft machen will. Erfolg haben kann ein Programm dieses Ausmaßes aber nur, wenn es nicht auf breiter Front zu steigenden Preisen führt und die Fed damit zu Leitzinserhöhungen nötigt. Eine enge Abstimmung zwischen Finanz- und Geldpolitik ist somit unabdingbar. Und noch ein großes, gemeinsames Thema gibt es: die dramatisch gewachsene Staatsverschuldung. Will Yellen die Belastungen für den Haushalt in einem einigermaßen verträglichen Rahmen halten, ist sie darauf angewiesen, dass Powell die Zinsen in den nächsten Jahren möglichst niedrig hält oder nur sehr behutsam anhebt.

Etwas an Brisanz gewinnen könnte das Verhältnis zwischen Janet und Jay in diesem Herbst: Dann nämlich muss Präsident Biden entscheiden, ob er Powells Amtszeit um weitere vier Jahre verlängert oder jemand anderen nominiert. Von den Beraterinnen und Beratern, die bei der Entscheidung ein gewichtiges Wörtchen mitreden werden, sticht eine ganz besonders heraus: Janet Yellen.

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