Tarifrunde:Bei der Post droht ein unbefristeter Streik

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Die Arbeitsniederlegungen bei der Post - wie hier Ende Januar in Leipzig - werden nun massiv ausgeweitet. (Foto: Christian Grube/Imago)

Die Gewerkschaft Verdi erklärt die Verhandlungen mit der Post für gescheitert und bereitet nun eine Urabstimmung vor. Es könnte zu einem heftigen Arbeitskampf kommen.

Von Benedikt Peters

Die Gewerkschaft Verdi hat die Tarifverhandlungen für 160 000 Mitarbeiter bei der Deutschen Post für gescheitert erklärt. Verdi bereitet nun eine Urabstimmung unter den Mitgliedern vor, die in einen unbefristeten Streik der Paketboten, Briefzusteller und Mitarbeiter der Verteilzentren münden dürfte - wenn es nicht vorher noch ein Einlenken der Deutschen Post AG gibt.

"Das von den Arbeitgebern vorgelegte Angebot ist weit von unseren Forderungen entfernt. Die Arbeitgeber waren nicht bereit, die Reallohneinbußen der Beschäftigten auszugleichen", sagte Verdi-Vize und Verhandlungsführerin Andrea Kocsis. Besonders die lange Laufzeit von 24 Monaten und die geringe Entgelterhöhung im Jahr 2024 erhöhe das Risiko weiterer Reallohnverluste.

Die Post hatte nach eigenen Angaben eine Erhöhung aller tariflichen Entgelte und Ausbildungsvergütungen um insgesamt 340 Euro pro Monat in zwei Stufen ab Anfang 2024 angeboten - bei einer Laufzeit des Tarifvertrages bis Ende 2024. Von dem Angebot hätten der Post zufolge vor allem die unteren Lohngruppen profitiert. "Das Einstiegsgehalt für einen Paketsortierer würde sich um 20,3 Prozent erhöhen. Eine neueingestellte Zustellerin bekäme rund 18 Prozent mehr im Monat", teilte das Unternehmen mit. Außerdem sollten alle Tarifbeschäftigten und Auszubildenden rückwirkend ab dem 1. Januar 2023 über zwei Jahre die volle steuerfreie Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 3000 Euro erhalten. Die Post sei mit diesem Angebot an die Grenze des finanziell Machbaren gegangen, sagte der Konzernvorstand Personal der Post, Thomas Ogilvie.

Die Tarifrunde hatte sich schon zuvor schwierig gestaltet, was schon von Beginn an abzusehen war. Mit 15 Prozent hatte Verdi für etwa 160 000 Beschäftigte eine außergewöhnlich hohe Lohnsteigerung verlangt. Die Gewerkschafter begründeten das einerseits mit der Inflation: 2022 hatte sie bei 7,9 Prozent gelegen, für 2023 gehen Ökonomen - auch wenn die Prognosen unsicher sind - von vier bis sechs Prozent aus.

Die Postboten, Paketzustellerinnen und Mitarbeiter der Verteilzentren seien von den Preissteigerungen stark betroffen, argumentierte Verdi, da sie nur wenig verdienten. Nach Zahlen der Gewerkschaften gehören etwa 90 Prozent der Beschäftigten den niedrigsten drei Lohngruppen an, deren Grundgehälter liegen zwischen 2100 und 3100 Euro brutto. Davon, so Verdi, müssten sie nicht selten ein teures Leben in den Großstädten finanzieren.

"Nicht vertretbar" sei die Forderung, sagt die Post

Außerdem - so der zweite Teil der Begründung für die Forderung - könne sich die Deutsche Post eine kräftige Lohnerhöhung gut leisten. Für 2022 erwartet der Konzern ein Rekordergebnis von 8,4 Milliarden Euro, 2021 lag der Gewinn mit acht Milliarden Euro kaum niedriger.

Die Deutsche Post hatte die Verdi-Forderung gegenüber der SZ als "nicht vertretbar" zurückgewiesen. "Der häufig angeführte Konzerngewinn wird zum übergroßen Teil mittlerweile im internationalen Geschäft erwirtschaftet", sagte ein Sprecher. Die Forderungen von Verdi würden etwa eine Milliarde Euro kosten - bei einem erwarteten operativen Gewinn vor Steuern und Zinsen von 1,3 Milliarden Euro im deutschen Post- und Paketgeschäft bliebe dann kaum noch Geld für Investitionen übrig. Diese Investitionen seien aber dringend notwendig - zum Beispiel in Technik, um das weiter steigende Aufkommen an Paketen effizient sortieren zu können und um Klimaziele zu erreichen.

Inflationsbedingte Kostensteigerungen könne das Unternehmen kaum weitergeben, da die Preise von Briefsendungen in Deutschland gesetzlich reguliert und bis Ende 2024 festgeschrieben seien. Im Paketgeschäft lasse der Konkurrenzdruck keine Preissprünge zu. Auch dem Argument, dass die Beschäftigten durch die Inflation Reallohnverluste erlitten hätten, widersprach die Post: Die Löhne seien seit 2011 um 26,1 Prozent gestiegen, die Verbraucherpreise hingegen um 23,5 Prozent. Dennoch wolle die Post über die laufende Lohnrunde ihre Beschäftigten am Unternehmensgewinn beteiligen.

Briefe und Pakete kommen später

Die Post- und Paketboten hatten sich durch die Argumente ihres Arbeitgebers nicht überzeugen lassen, knapp 100 000 von ihnen hatten sich Verdi zufolge in den vergangenen drei Wochen an Warnstreiks beteiligt. Das führte dazu, dass deutschlandweit zahlreiche Briefe und Pakete später ankamen als gewöhnlich.

Die Post hatte angekündigt, nach "konstruktiven Diskussionen" ein Angebot vorlegen zu wollen, "das sich an den berechtigten Interessen der Beschäftigten und den ökonomischen Realitäten" orientieren werde. In Gewerkschaftskreisen hingegen war der Ton rauer. Wenn die Post in der dritten Verhandlungsrunde kein akzeptables Angebot mache - das bedeute eine Gehaltssteigerung von etwa zehn Prozent - dann werde Verdi eine Urabstimmung vorbereiten und anschließend zu einem unbefristeten Streik aufrufen, hieß es. Genau so ist es nun gekommen.

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