Debatte über Börsengang:Porsche-Finanzchef schreckt VW auf

Lesezeit: 3 min

Fühlt sich Porsche unter dem Dach des riesigen Volkswagen-Konzerns nicht mehr wohl? (Foto: picture alliance / dpa)
  • Porsche-Finanzvorstand Lutz Meschke hat einen Börsengang der Premium-Volkswagen-Tochter ins Spiel gebracht.
  • Er fordert den VW-Aufsichtsrat auf, sich "Gedanken zu machen über die Weiterentwicklung des Konzerns".
  • Porsche selbst dementiert zwar, konkrete Börsen-Pläne zu haben - man kann aber davon ausgehen, dass Meschkes Aussagen nicht aus dem Bauch heraus kamen, sondern gut überlegt waren.

Von Stefan Mayr, Stuttgart

Lutz Meschke lehnt sich weit aus dem Fenster, erst recht für einen Manager aus dem Reich des Volkswagen-Konzerns. "Jedes Unternehmen muss nachdenken, ob es nicht Sinn macht, schlagkräftige Einheiten zu bilden", sagt der Finanzvorstand des weltweit bekannten Sportwagenbauers Porsche. Auf Nachfrage bekräftigt Meschke seine mehr oder weniger indirekte Aufforderung an die Inhaber des Volkswagen-Konzerns, bitteschön über einen Börsengang von Porsche nachzudenken. Er lässt deutlich durchblicken: Vieles in diesem Konzern geht ihm einfach nicht schnell genug.

Der 52-jähige Manager würde Porsche gerne viel flotter weiterentwickeln und fit machen für eine ungewisse Zukunft, in der neben Ferrari und Aston Martin weitere gefährliche Konkurrenten lauern, wie etwa die Hightech-Konzerne aus Asien und den USA, die bald Roboterautos auf die Straße bringen werden. Es gehe darum, "interessanter zu sein für Kooperationen und für Investoren", sagt er, und "gegen die Verwässerung".

ExklusivDieselskandal
:Porsche zofft sich mit Audi wegen der Abgasaffäre

Weil Audi offenbar manipulierte Motoren lieferte, forderte Porsche 200 Millionen Euro Schadenersatz. Bezahlt wurde wohl noch nichts.

Von Klaus Ott

Gegen die Verwässerung? Mit diesem Ausdruck deutet Meschke an, worum es im Grunde geht: Porsche hat es satt, Jahr für Jahr seine Milliarden-Gewinne an die Konzern-Mutter nach Wolfsburg zu überweisen und als Gegenleistung - zugespitzt formuliert - nur Schummel-Dieselmotoren von der Schwester Audi geliefert zu bekommen. Er gehe davon aus, sagt Meschke, dass im Aufsichtsrat "intelligente Menschen sitzen, die sich Gedanken machen über die Weiterentwicklung des Konzerns." Er vermeidet es zwar, den Börsengang von Porsche explizit zu fordern, und spricht stattdessen von den Beispielen Daimler und Ferrari. Doch zwischen den Zeilen ist klar, was er damit sagen will.

Die Premium-Nachbarn aus Stuttgart treiben derzeit die Aufspaltung in drei unabhängige Sparten voran. Und die Sportwagen-Konkurrenz aus Italien hat den Börsengang vor drei Jahren gewagt. Davon habe nicht nur Ferrari selbst, sondern auch die Konzern-Mutter Fiat Chrysler profitiert, sagt Meschke. Tatsächlich startete die Ferrari-Aktie im Oktober 2015 bei 50 Euro und verdoppelte sich bis heute auf 100 Euro. Zwischenzeitlich lag sie sogar bei mehr als 125 Euro. Die Anteilsscheine von Fiat Chrysler (FCA) legten im selben Zeitraum von 9 auf 14 Euro zu und schon im Jahr zuvor hatte sich der Börsenwert von FCA verdoppelt.

Meschke taxiert Porsche auf einen Börsenwert von 60 bis 70 Milliarden Euro

"Wie bei Ferrari wird sich der Hebel auch auf andere Einheiten auswirken", sagt Lutz Meschke. Er spricht den Namen Volkswagen nicht aus, aber es ist klar, wen er meint. Vollkommen abwegig wäre ein Börsengang Porsches tatsächlich nicht, immerhin bereitet der Volkswagen-Konzern gerade selbiges für seine Nutzfahrzeug-Sparte vor: Sie wurde bereits abgespalten und in Traton umbenannt, das Börsendebüt ist für 2019 geplant. Und Meschke sagt auch, auf welchen Börsenwert er sein Unternehmen taxiert. "60 bis 70 Milliarden Euro liegen nicht aus der Welt."

Dem Automobil-Analysten Arndt Ellinhorst von Evercore ISI zufolge wäre Porsche als börsennotierte Gesellschaft momentan sogar etwa 100 Milliarden Euro wert - der VW-Konzern dagegen nur 25 Milliarden. Ein fast schon grotesker Unterschied beim Unternehmenswert von Tochter- und Mutter-Unternehmen. Ellinghorst spricht hier von einem "krassen Missverhältnis": "Der Volkswagen-Konzern gehört mit all seinen Marken zu den mit großem Abstand am niedrigsten bewerteten Unternehmen im gesamte Kapitalmarkt." Dass Porsche so gut abschneide, liege etwa an der starken Rendite und dem Wachstum von Porsche. "Was die Bewertung angeht, zieht der VW-Konzern die Porsche AG also runter", sagt der Analyst. "Das ist für alle Aktionäre ein echtes Drama." Deshalb sollte "jeder halbwegs ökonomisch denkende Mensch den Börsengang eines Teils von Porsche in Betracht ziehen", sagt Ellinghorst.

Er sei überzeugt, mehr Eigenständigkeit führe zu "besserer Unternehmensführung, Corporate Governance und Erfolg". Zumal Porsche auch nach einem Teilbörsengang weiterhin die Synergien im Konzern nutzen könne. Ellinghorst bezeichnet Meschkes Ausführungen als "zwingend logisch". Er hätte sie zudem "ohne bestehende Überlegungen im Management und innerhalb der Porsche-Familien sicher nicht gemacht."

Man kann also davon ausgehen, dass Meschkes Aussagen nicht aus dem Bauch heraus kamen, sondern gut überlegt waren und auch mit Porsche-Vorstandschef Oliver Blume abgestimmt. Fühlt sich Porsche unter dem Dach des riesigen und damit zwangsläufig recht trägen Volkswagen-Konzerns nicht mehr wohl? Wer Lutz Meschke zuhört, hat den Eindruck, ihm könnte es gar nicht schnell genug gehen mit der Selbständigkeit von Porsche. Zwar verschickt das Unternehmen nach Meschkes Äußerungen schleunigst ein Dementi. "Porsche verfolgt derzeit keine Aktivitäten für einen (Teil-)Börsengang", schreibt ein Sprecher. Soll heißen: Abgebogen in Richtung Börse sind die Stuttgarter noch nicht. Aber den Blinker haben sie gesetzt - und schauen jetzt, wie die Aufsichtsräte und Analysten reagieren.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

70 Jahre Porsche
:Keiner braucht ihn, jeder will ihn

Statussymbol, Sehnsuchtsmodell, Designklassiker: Seit den 60er Jahren gehört der 911er zu den Kultprodukten aus dem Hause Porsche. Doch die Firmenhistorie reicht viel weiter zurück.

Von Georg Kacher

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: