Pannenserie:Toyota am Pranger

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Toyota gerät wegen der monströsen Pannenserie in den USA immer mehr unter Druck. Jetzt ermittelt auch die US-Börsenaufsicht SEC, außerdem droht ein Strafverfahren.

Der Druck auf Toyota wegen der Pannenserie steigt gewaltig. Kurz vor der Anhörung des US-Kongresses am Dienstag tauchten brisante Interna und neue Vorwürfe gegen den japanischen Autohersteller auf.

Nachdem das Verhalten von Toyota bereits von der US-Behörde für Verkehrssicherheit und gleich drei Ausschüssen unter die Lupe genommen wird, haben sich jetzt auch die Börsenaufsicht SEC und ein New Yorker Gericht eingeschaltet.

Beide Stellen verlangen Einsicht in Dokumente über die jüngsten Rückrufe. Die SEC interessiert sich besonders dafür, wie Toyota die Öffentlichkeit über die technischen Probleme informiert hat. Die Börsenaufsicht wacht darüber, dass Unternehmen die Spielregeln des Kapitalmarkts einhalten.

Strafverfahren droht

Die Pannenserie hatte den Aktienkurs von Toyota schwer in Mitleidenschaft gezogen, viele Anleger hatten Geld verloren.

Wie mächtig die SEC ist, hatte Siemens vor mehr als einem Jahr zu spüren bekommen, als der Mischkonzern wegen seiner Korruptionsaffäre umgerechnet rund 600 Millionen Euro an die USA überweisen musste. Noch heute steht Siemens unter Beobachtung der Börsenaufsicht.

Das Einschreiten der Anklagekammer an einem New Yorker Gericht könnte zudem in einem Strafverfahren münden. Die Geschworenen entscheiden darüber, ob Anklage gegen den Hersteller beziehungsweise einzelne Verantwortliche erhoben wird. Durch das ungewollte Beschleunigen von Toyota-Wagen sollen alleine in den USA 34 Menschen ums Leben gekommen sein.

Toyota kündigte am Montag an, mit den Behörden zu kooperieren. Der Autohersteller ruft weltweit 8,5 Millionen Wagen wegen diverser gefährlicher Defekte zurück, vor allem wegen klemmender Gaspedale und rutschender Fußmatten. Bei Hybridautos drohen die Bremsen zeitweilig zu versagen.

Kreuzfeuer scharfer Fragen

Am Dienstag beginnen die Anhörungen vor den Kongressausschüssen, am Mittwoch schlägt dann für Konzernchef Akio Toyoda die Stunde der Wahrheit, dann erscheint der begeisterte Motorsportfreund persönlich in Washington.

Auf den medienscheuen Unternehmer wartet ein Kreuzfeuer scharfer Fragen der Politiker: Hat Toyota versucht, die gefährlichen technischen Probleme seiner Autos zu vertuschen? Hat es die Rückrufaktionen hinausgezögert und damit das Leben von Kunden gefährdet?

Bei der Anhörung in Raum 2154 des Rayburn-Verwaltungsgebäudes geht es indirekt auch um die Führungskraft des Konzernchefs, dessen Krisenmanagement in der Kritik steht.

Wenn im US-Kongress von "Grillen" die Rede ist, geht es in der Regel nicht um Barbecue-Abende. Der Begriff bezeichnet die verschärfte Befragung eines Amtsträgers vor einem Kongress-Ausschuss. Toyoda soll "gegrillt" werden, und US-Verkehrsminister Roy LaHood gab dafür bereits den Ton vor: "Man muss die Füße von Toyoda übers Feuer halten", forderte er.

Für die Abgeordneten, denen Toyoda gegenübersitzen wird, ist die Anhörung nicht nur eine Chance zur Aufklärung. Sie bietet im heraufziehenden Kongresswahlkampf auch willkommene Gelegenheit zur Profilierung als Anwalt der Verbraucher.

Der Auftritt Toyodas bietet dafür eine gute Gelegenheit. Dem scheuen Rennsport-Fan wird vorgeworfen, die Krise von Toyota durch unglückliches Management noch verschärft zu haben. Toyoda hatte zunächst tagelang zu den Berichten über Mängel geschwiegen, ehe er sich mit einer Entschuldigung zu Wort meldete. Die Einladung zu der Kongressanhörung wies er zunächst zurück, ehe er vergangene Woche doch noch einwilligte.

Gegen goldene PR-Regel verstoßen

Branchenexperten werfen dem 53-Jährigen Führungsschwäche vor. "Toyota hat nicht nur technische Probleme, sondern auch ein Management-Problem", urteilt der Autoanalyst Tatsuya Mizuno von Mizuno Credit Advisory in Tokio.

Dem New Yorker PR-Experte Glenn Selig zufolge wirkt Toyotas Krisenmanagement so, "als hätten sie einfach gehofft, dass die Behörden nichts herausfinden". Toyota habe gegen die goldene PR-Regel verstoßen, sich bei Problemen gleich an die Spitze der Diskussion zu setzen: "Sie haben alles schlimmer gemacht, weil sie nicht gleich auf Anhieb ins Reine kamen", sagt Selig.

Aufzuarbeiten hat der Ausschuss des US-Repräsentantenhauses freilich auch mögliche Versäumnisse der Behörden in Washington. Das Verkehrsministerium musste einräumen, bereits 2003 die ersten Berichte über "ungewollte Beschleunigung" wegen klemmender Toyota-Gaspedale erhalten zu haben, ohne sofort zu handeln.

Mehr als 30 Todesfälle

In internen Toyota-Unterlagen ist zudem die Rede davon, dass der Konzern 2007 durch intensive Lobbyarbeit in Washington eine potentiell teure Rückruf- und Umrüstungsaktion verhindern konnte.

Wie bei vielen anderen Autoherstellern auch, ist das Gaspedal bei Toyota zumeist nur noch per Elektronik mit dem Motor verbunden. Der althergebrachte Seilzug fehlt. Der US-Behörde für Verkehrssicherheit fehle es aber an der Kompetenz, Defekte in der Elektronik zu erkennen, so ein Vorwurf.

"Die Sicherheit unserer Kunden hat für uns oberste Priorität", kommentierte Toyota. "Etwas anderes auf Basis einer internen Präsentation zu schlussfolgern, ist falsch."

Image schwer geschädigt

Die Pannen haben Toyotas Image schwer beschädigt. Bei den Händlern dies- und jenseits des Atlantiks bleiben die Kunden weg. Rund um den Globus stehen einzelne Werke für einige Tage still, auch in Frankreich und Großbritannien. Toyota kalkuliert den Schaden durch die Reparaturen und die Absatzeinbrüche insgesamt auf umgerechnet 1,4 Milliarden Euro.

In Deutschland ruft Toyota wegen der klemmenden Gaspedale rund 216.000 Wagen zurück. An diesem Montag sind die ersten Briefe des Kraftfahrt-Bundesamtes an die Halter rausgegangen.

© sueddeutsche.de/AFP/Reuters/dpa/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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