Offshore-Leaks zu Venezuela:Betrüger leert Rentenkasse des staatlichen Ölkonzerns

Lesezeit: 3 min

Ein VW Käfer fährt aus einer Tankstelle des staatlichen PdVSA-Konzerns in Caracas (Foto: Bloomberg)

Ein südamerikanischer Krimineller hat die Pensionskasse des venezolanischen Ölkonzerns PdVSA um ein Vermögen gebracht. Riesige Beträge flossen über Konten in Steueroasen, wo sich ihre Spur irgendwann verliert.

Von Peter Burghardt

Wenn die Betrüger wieder Geld brauchten, um ihren Schwindel fortzusetzen, dann war Venezuelas staatlicher Ölkonzern PdVSA offenbar die beste Adresse. Die südamerikanische Republik besitzt die größten Ölvorkommen der westlichen Welt; PdVSA ist ihr bedeutendster Devisenbringer und ihr politisches Kampfmittel.

Seit 1999 bestimmt die linksgerichtete Regierung des kürzlich verstorbenen Hugo Chávez über Petróleos de Venezuela S.A., nach einem Streik der Ölarbeiter 2002 verschärfte Chávez die Kontrolle. PdVSA treibt diese sozialistische Revolution an, ohne öffentliche Kontrolle fließen Hunderte Milliarden Dollar in die Schatztruhe. Dank des hohen Ölpreises finanzieren die Chavisten populäre Sozialprogramme und internationale Allianzen. Doch der Goldesel der Nation wurde auch von Gaunern geschröpft.

In einem Gefängnis in Rhode Islands wartet Francisco Illarramendi auf sein Urteil, ihm drohen 70 Jahre Haft. Fünf Jahre lang soll der in Venezuela geborene Manager einer Finanzfirma in Connecticut wohlhabende Kunden um gewaltige Beträge gebracht haben, ehe sein Kartenhaus 2011 einstürzte.

Zu den größten Verlierern gehören der reiche Venezolaner Oswaldo Cisneros, der 117 Millionen Dollar überwiesen hatte - und die Rentenkasse von PdVSA. Dort hatten jahrelang Angestellte eingezahlt, die Einlagen sollten sicher verwaltet werden und trotz der wuchernden Inflation an Wert gewinnen. Stattdessen kamen 25.000 Pensionären auf diese Weise mindestens eine halbe Milliarde Dollar abhanden. Genährt hat das Schneeballsystem außer seinen Erfinder Illarramendi anscheinend nur Partner mit teilweise engen Beziehungen zur Chávez-Führung. Und geholfen haben Steuerparadiese in Nah und Fern, wie die Offshore-Leaks-Dokumente beweisen.

Finanzexperten und Funktionäre ebneten für Schmiergelder den Weg

Reporter des internationalen Journalistenkonsortiums ICIJ in Washington haben anhand der Papiere auch diesen Fall rekonstruiert. Sie stießen auf einschlägige Banken, Länder und Vermittler und zeigen, wie riesige Summen zwischen Caracas und Connecticut durch die Welt geschaufelt wurden. Illarramendi zapfte mit seinem Unternehmen MK Capital Management immer neue Anleger an, um andere Investoren auszuzahlen, bis das Kartenhaus in sich zusammen fiel.

Ein klassisches Schneeballsystem. So ähnlich hatten auch Milliardengauner wie Allen Stanford oder Bernard Madoff ihre Imperien aufgebläht und zum Platzen gebracht. Illarramendis Klienten wie Cisneros wollten den Fiskus umgehen und Gewinn machen. Ermittler entdeckten, wie Beträge über Firmen, Hedge Fonds und Konten in der Schweiz, Panama, Cayman-Inseln und den britischen Jungferninseln flossen. Finanzexperten und Funktionäre ebneten für Schmiergelder den Weg.

ExklusivInteraktive Karte
:Wo deutsche Offshore-Kunden wohnen

Das Datenleck aus den Steueroasen zeigt: Die Namen hinter Briefkastenfirmen und Trusts führen vor allem in Gegenden, in denen die Menschen gut verdienen. Deutsche Treffer im Überblick auf der Karte.

Von Bastian Brinkmann

US-Justiz und Berichterstatter haben die Spuren verfolgt, sie stießen auf ein ausgeklügeltes System. Drei Hedge-Fonds auf den Cayman-Inseln seien das Zentrum der Operationen gewesen. Wie die Recherchen ergaben, war der wichtigste Strippenzieher der erstklassig vernetzte Geschäftsmann Moris Beracha aus Caracas. Er konnte seinem Kollegen Illarramendi zu gewissen Tarifen offenbar stetig Nachschub besorgen.

Börsenspezialist Beracha besitzt unter anderem eine Brokerfirma und eine Telefongesellschaft, außerdem ist von hervorragenden Kontakten zur Politik die Rede. 2008 soll er Berater von Venezuelas damaligem Kurzzeit-Finanzminister Rafael Isea gewesen sein. Untersuchungen legten zum Beispiel offen, dass Beracha in einer E-Mail Illarramendi 2007 angewiesen habe, zehn Millionen Dollar via HSBC in New York auf drei Schweizer HSBC-Konten zu deponieren. Es handelte sich dem Vernehmen nach um seinen Anteil an einer Transaktion.

Gefälschte Urkunden, Erpressung und Gerichtsverfahren

Beracha erklärte, er sei Opfer Illarramendis. Doch für den vom US-Bundesgericht eingesetzten Konkursverwalter John Carney stellte Beracha "das Geld oder den Zugang zu dem Geld zur Verfügung, um Illarramendi und seinen Plan über Wasser zu halten." Laut Gerichtsverfahren kontrollierte Beracha vier Firmen auf den Britischen Jungferninseln, die in der Finanzpyramide Verwendung gefunden hätten. Mittelsmänner in Offshore-Gebieten sind typisch für diese Art von Geschäften, versichern Spezialisten. Carney sagt, Beracha habe für seine Dienste von Illarramendi "exorbitante Gebühren und Kickbacks" bekommen.

Für einen weiteren Großbeschaffer hält Carney den venezolanischen PdVSA-Mann Juan S. Montes alias "Black". Die US-Staatsanwaltschaft wirft diesem "hohen Manager der Investitionen, Versicherungen und Finanzen innerhalb von Petróleos de Venezuela" vor, 35,7 Millionen Dollar Bestechungsgeld dafür bekommen zu haben, Millionen aus der PdVSA- Pensionskasse in Illarramendis Fonds transferiert zu haben. Außerdem sollen venezolanische Buchhalter Illarramendi mit gefälschten Urkunden Rücklagen attestiert haben, die es nie gab.

Francisco Illarramendi hat seinen Betrug zugegeben. Er behauptet allerdings, Offizielle der venezolanischen Regierung hätten Geld von ihm verlangt, deshalb hätten seine Fonds Verluste erlitten. Er und seine Familie seien bedroht worden. Der mutmaßliche Kumpane Beracha wiederum klagt über Erpressung aus der Heimat Venezuela und hat sich in die Dominikanische Republik abgesetzt, während seine Anwälte um seine Pfründe kämpfen. Bald wollen die Richter urteilen. Venezuelas Parlament, in dem die Chávez' Sozialistische Partei dominiert, hält verdächtige Regierungsvertreter für unschuldig. Die PdVSA-Rentner sollten entschädigt werden. Es gibt Pensionäre, die sagen, sie würden wie gehabt ausbezahlt, andere wiederum klagen über Verluste.

© SZ vom 10.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: