Ölförderung:Die Gefahr, die aus der Tiefe kommt

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Die Katastrophe im Golf von Mexiko zeigt: Ölförderung wird immer riskanter - doch die Politik reagiert verantwortungslos.

Silvia Liebrich

Die Ölförderung bleibt trotz modernster Technik ein Geschäft mit unwägbaren Risiken. Das hat der Untergang einer Ölplattform im Golf von Mexiko Ende vergangener Woche erneut bewiesen. Elf Menschen starben bei dem Unglück, der Küste des US-Bundesstaates Louisiana droht eine Umweltkatastrophe.

Bei dem Untergang dem Untergang der Ölplattform im Golf von Mexiko starben elf Menschen. (Foto: Foto: AP)

Der Unfall zählt zu den spektakulärsten der vergangenen fünf Jahre, doch er ist längst nicht der einzige. Es ist gerade einmal sechs Monate her, da sprudelte zehn Wochen lang Öl aus dem Leck eines Bohrlochs vor der Küste Westaustraliens und verschmutzte die Timorsee.

Die Produzenten wittern Morgenluft

Dass solche Unglücksfälle in Zukunft häufiger vorkommen und verheerendere Schäden anrichten werden als bisher, ist absehbar. Denn die Fördergebiete der Zukunft liegen in schwer zugänglichen Regionen dieser Erde, in der Tiefsee, weit entfernt von den Küsten, in der Arktis oder in den Urwäldern Kanadas, wo Ölfirmen seit einigen Jahren Teersande abbauen und ganze Landstriche zerstören.

In den vergangenen zwei Jahren wurde ein Teil dieser riskanten und kostspieligen Projekte im Zuge der weltweiten Wirtschaftskrise vorübergehend gestoppt. Doch inzwischen wittern die Produzenten wieder Morgenluft. Die Rohstoffnachfrage zieht spürbar an, vor allem in den asiatischen Boomregionen China und Indien sowie im Mittleren Osten. Die Ära des billigen Öls scheint damit endgültig passé zu sein. Nach Meinung einiger Experten zeichnet sich sogar bereits die nächste Knappheit ab.

Der Wettlauf hat längst begonnen

Der Wettlauf um die letzten Ölreserven hat ohnehin längst begonnen - auch wenn die Meinungen darüber auseinandergehen, wie lange die Reserven noch reichen. Als relativ sicher gilt zumindest, dass die Länder außerhalb des Opec-Ölkartells, die 60 Prozent des Weltbedarfs liefern, ihren Produktionshöhepunkt, den sogenannten Peak-Oil, bereits überschritten haben. Nur der Nahe Osten verfügt angeblich noch über riesige Vorräte. Ob dem tatsächlich so ist, lässt sich allerdings kaum prüfen, weil diese Einschätzung allein auf den Angaben von Ländern wie Saudi-Arabien beruhen und verlässliche Daten fehlen.

Vielversprechende Ölfelder wurden zuletzt vor allem in den Tiefseegebieten vor den afrikanischen und südamerikanischen Küsten entdeckt. Sie sollen in den nächsten Jahren ausgebeutet werden. Die Möglichkeiten haben sich zwar durch den technischen Fortschritt der vergangenen Jahrzehnte enorm verbessert und machen die Ölbohrungen tief im Meer sicherer.

Doch die jüngsten Unglücke zeigen: Eine Erfolgsgarantie gibt es nicht, weil etwa trotz ernster Analyseverfahren niemand mit Gewissheit bestimmen kann, welche Druckverhältnisse in Lagerstätten herrschen, die Tausende Meter unter dem Meeresboden liegen.

Umso wichtiger ist die Einhaltung maximaler Sicherheitsstandards. Doch genau hier liegt eine große Schwachstelle. Bei Tiefseefeldern innerhalb der 200-Meilen-Zone sind die jeweiligen Küstenstaaten für Umweltauflagen und Lizenzen verantwortlich. Im Golf von Mexiko mag die Aufsicht durch die US-Behörden noch relativ streng sein.

Bedenkliche Signale

Deutlich schlechter ist es dagegen um die Sicherheit in anderen Gewässern bestellt. Jahrzehntelang verschmutzte die Ölindustrie ungehindert das Niger-Delta, weil korrupte Behörden zur Seite schauten. Weitgehend ungeklärt ist außerdem, wer außerhalb der 200-Meilen-Zone für Sicherheit und Kontrollen zuständig ist.

Die jüngsten Signale aus der Politik sind bedenklich. Trotz der Risiken soll mehr in den Ölsektor investiert werden - koste es, was es wolle. So gab US-Präsident Barack Obama erstmals die Küste Virginias für Ölbohrungen frei. Ein fatales Zeichen, das den Abschied vom Öl unnötig in die Länge ziehen wird. Auf der anderen Seite fehlen Mittel, um den Aufbruch in ein neues Energiezeitalter möglichst rasch zu bewältigen.

Fehlentscheidungen wie diese werden spätere Generationen teuer zu stehen kommen. Und sie sind ein Armutszeugnis für die Politik. Mit den vollmundigen Bekenntnissen zu mehr Umwelt- und Klimaschutz ist es offenbar nicht weit her, schon gar nicht, wenn sie mit knallharten ökonomischen Interessen kollidieren.

© SZ vom 26.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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