Neuer Zeuge im Kirch-Prozess:"Die haben den Kirch zum Abschuss freigegeben"

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Deutsche-Bank-Tower in Frankfurt (Foto: Bloomberg)

Die Justiz tut sich schwer damit, lückenlos aufzuklären, ob und wie der Kirch-Konzern zerschlagen wurde. Im Schadenersatzstreit Kirch gegen die Deutsche Bank kommt das Gericht nicht weiter. Doch jetzt meldet sich ein neuer Zeuge.

Von Klaus Ott

Der erste Zeuge ist tot; der zweite hat bei Gericht nicht geredet; der dritte hat dort nicht viel erzählt; und der vierte ist zugleich Beschuldigter, also parteiisch. Die Justiz tut sich ziemlich schwer damit, lückenlos aufzuklären, was am 27. Januar 2002 im Restaurant Wichmann in Hannover gesprochen worden war.

Hier hatte der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) mit Bertelsmann-Vorstandschef Thomas Middelhoff, Geschäftsführer Erich Schumann vom Verlag der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) und Deutsche-Bank-Chef Rolf Breuer zusammen gesessen. Geredet wurde über die Medienbranche und auch über den Film- und Fernsehmagnaten Leo Kirch, der kurz vor der Pleite stand. Eine Woche später bezweifelte Breuer in einem TV-Interview Kirchs Kreditwürdigkeit. Nun will die Justiz wissen, ob es eine Art Plan gab, Kirchs Konzern zu zerschlagen. Davon hängt vieles ab.

Im Schadenersatzstreit Kirch gegen die Deutsche Bank hat Breuer gesagt, es sei nur "allgemein" erörtert worden, ob Kirch nicht zu retten sei. Schröder hat auf sein Aussageverweigerungsrecht als Abgeordneter verwiesen. Middelhoffs Erinnerung vor Gericht war aus Sicht der Justiz lückenhaft, Schumann ist verstorben. Doch jetzt hat sich ein neuer Zeuge gemeldet - bei der SZ. Christoph Rohner, 50, heute als Personalberater tätig und früher Geschäftsführer bei der WAZ-Firma Europapress Holding, die sich um Zeitungsbeteiligungen auf dem Balkan kümmerte. Rohner sagt, WAZ-Chef Schumann habe ihm damals nach dem Treffen bei Kanzler Schröder erzählt, was dort besprochen worden sei. Sollte das so stimmen, dann würde es die Bank und Breuer schwer belasten.

"Die haben den Kirch zum Abschuss freigegeben"

"Breuer will den Kirch abschaffen, der Kirch soll weg." So habe es Schumann nach dem Kanzler-Treffen ihm erzählt, berichtet Rohner, der heute in Hamburg lebt. Der frühere WAZ-Mann sagt, er hätte am 27. Januar 2002 einen Termin mit Schumann gehabt. Der Termin sei aber wegen des Treffens beim Kanzler am selben Tag verschoben worden. WAZ-Chef Schumann sei dann einige Tage später zu ihm, Rohner, nach Zagreb gekommen. Dort habe ihm Schumann ganz aufgekratzt berichtet, dass die Verlags-Vertreter bei dem Kanzler-Treffen quasi aufgefordert worden seien, "sich für Teile der Kirch-Gruppe zu bewerben". Kirchs Konzern solle aufgeteilt werden. Schumann habe ihm, Rohner, sogar noch gesagt: "Den Kirch wird's demnächst nicht mehr geben. Die haben den Kirch zum Abschuss freigegeben."

Wenige Tage später folgte Breuers TV-Interview über Kirch. Rohner sagt, er sei fassungslos gewesen. "Dass eine Bank gemeinsam mit dem Kanzler Leute einlädt, die das Vermögen eines anderen aufteilen, das war für mich unfassbar." Für ihn, Rohner, sei das "Staatskapitalismus" gewesen. "Was hatte Schröder mit Kirch Media zu tun?" In der WAZ-Gruppe sei damals gerechnet worden, was eine (teilweise) Übernahme von Kirch gekostet hätte. Das sei eine Zeitlang ein großes Thema im Finanzbereich der WAZ gewesen. "Die haben hin- und her gerechnet."

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Als sich Medienmagnat Leo Kirch Anfang 2002 in großer Not befand, hat der damalige Deutsche-Bank-Chef Rolf Breuer Pläne entwerfen lassen, wie man Kirchs Film- und Fernsehimperium zerlegen und daran prächtig verdienen könne. "Barolo" hieß das Geheimprojekt. So verspielt eine Bank ihr wichtigstes Kapital: das Vertrauen.

Ein Kommentar von Klaus Ott

Warum meldet sich Rohner erst jetzt? Der frühere WAZ-Mann sagt, das sei eine spontane Reaktion gewesen, nachdem er in der Zeitung vom damaligen Geheimprojekt Barolo in der Deutschen Bank gelesen habe, in dem es um eine Aufspaltung von Kirchs Konzern ging. Was Rohners Aussage für den Schadenersatzprozess Kirch gegen die Deutsche Bank und für die absehbare Anklage gegen einzelne Banker für Folgen hat, muss sich noch zeigen. Die Bank und Breuer beharren darauf, dass sie Kirch weder hintergangen noch geschadet hätten; und auch nicht versucht hätten, die Justiz zu täuschen.

© SZ vom 03.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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