Neuer Cheflobbyist der Energiebranche:Revolution auf schwierigem Posten

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Überraschend zum neuen BDEW-Präsidenten gewählt: Der ehemalige Anti-Atomkraft-Aktivist Johannes Kempmann. (Foto: dpa)

Ein Grüner wird Cheflobbyist der deutschen Energiebranche: Johannes Kempmann bringt als ehemaliger Anti-Atomkraft-Aktivist nicht die üblichen Voraussetzungen für den Spitzenposten beim BDEW mit. Ihn erwartet eine schwere Aufgabe.

Von Markus Balser

Für Grüne und Atomkraftgegner war dieser Verband viele Jahre vor allem eins: ein Gegner. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) gilt als die wichtigste Interessensvertretung der deutschen Energiebranche. Die 1800 Mitgliedsunternehmen stehen für 90 Prozent des deutschen Strom- und Gasmarktes, ihr Verband verkörperte in der öffentlichen Debatte lange eins: die alte Energiewelt, die dominiert wurde von den Großkonzernen wie Eon oder RWE.

Am Donnerstagabend vollzog sich eine kleine Revolution in der einflussreichen Organisation mit Sitz in Berlin, die Image und Ziele des Verbands verändern könnte. Denn auf dem Jahreskongress des BDEW wählte die Delegiertenversammlung ihren neuen Präsidenten. Überraschend wird mit Johannes Kempmann, 60, ein ehemaliger Anti-Atomkraft-Aktivist und Grünen-Abgeordneter an der Spitze stehen.

Der Diplom-Ingenieur Kempmann gilt in der Branche als schillernde Figur. Er ist heute Technischer Geschäftsführer der Städtischen Werke Magdeburg (SWM). Viele Jahre hatte er zuvor in Bürgerinitiativen gegen die Atomkraft gekämpft - etwa als ehrenamtlicher Pressesprecher der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg, die Front gegen ein mögliches Endlager in Gorleben macht.

Nach einem Einsatz als Flüchtlingshelfer der Vereinten Nationen im Nordirak kehrte Kempmann nach Deutschland zurück und wurde 1996 Geschäftsführer der Energieagentur Sachsen-Anhalt. Seit 1998 arbeitet der gebürtige Münchner in der Geschäftsführung von SWM.

"Wisst ihr eigentlich, wen ihr da fragt?" Johannes Kempmann, einst Anti-Atomkraft-Aktivist war überrascht, als die Energie-Lobby bei ihm anklopfte. (Foto: dpa)

Mit der Personalie tat sich der Verband offenkundig schwer. Wer neuer Präsident werden sollte, war intern bis zuletzt umstritten, heißt es aus dem Verband. Eigentlich lief alles auf eine Kampfkandidatur zu. Als aussichtsreicher Kandidat galt neben Kempmann lange der Vorstandsvorsitzende der Nürnberger N-Ergie, Josef Hasler. N-Ergie gehört zum Stadtwerkeverbund 8KU - einem Verband, der den großen Energiekonzernen Konkurrenz machen will.

Hasler habe erst wenige Stunden vor der Abstimmung angekündigt, nicht zu kandidieren, heißt es in Verbandskreisen. Der bisherige Verbandspräsident Ewald Woste, Chef der Thüga in München, hatte nicht wieder kandidiert.

Kempmann könnte dem BDEW nicht nur ein neues Image verpassen. Er könnte für den Verband auch die jüngsten Konflikte mit der Bundesregierung über die künftige Energiepolitik entschärfen. Denn Kempmann werden gute Beziehungen zu Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) nachgesagt.

Mit Gabriel muss der Verband in der zweiten Jahreshälfte über die Finanzierung unrentabler Kraftwerke verhandeln. Die Branche steckt derzeit in ihrer schwersten Krise und baut Tausende Stellen ab, weil der Boom grüner Energien ihre konventionellen Kohle- und Gaskraftwerke immer häufiger stillstehen lässt.

Kempmann ahnt, dass ihn einer der schwierigsten Lobbyistenposten in Deutschland erwartet. Denn die Energieindustrie ist tief gespalten. Den Gewinnern der Energiewende aus den Erneuerbaren-Branchen stehen die Verlierer - vor allem die Atomkonzerne - gegenüber. Die Branche erlebe mit der Energiewende eine historische Zäsur, sagt Kempmann.

"Es wird entscheidend sein, dass wir in dieser Phase auch weiterhin intensiv gemeinsam nach Lösungen suchen." Mehr denn je brauche die Branche nun stabile politische Rahmenbedingungen. Auch Kempmann selbst wurde offenbar von dem Vorstoß aus dem Verband überrascht, ihn an die Spitze zu hieven. Als sich die Initiatoren vor einigen Wochen erkundigten, ob er für das Präsidentenamt kandidieren wolle, reagierte er mit einer knappen Replik: "Wisst ihr eigentlich, wen ihr da fragt?"

© SZ vom 28.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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