Nahaufnahme:Der Bahnschreck

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"Ein Vaterlandsverräter? Eigentlich müsste ich der Held des Landes Baden-Württemberg sein." Winfried Hermann (Foto: dpa)

Baden-Württembergs Verkehrsminister sagt wieder einmal Nein: Die Deutsche Bahn verliert den Auftrag für den Nahverkehr in Stuttgart. Wegen eines Formfehlers.

Von Josef Kelnberger

Winfried Hermann ist eindeutig der Lieblingsminister der schwarz-gelben Opposition in Baden-Württemberg. Sie attackiert den grünen Minister für Verkehr und Infrastruktur mit Wonne als Autohasser, als schlimmsten Ideologen, den Ministerpräsident Kretschmann in seinen Reihen habe - auch wenn manche Kollegen aus CDU und FDP intern zugeben, dieser Hermann, 63, den alle nur "Winne" nennen, sei eigentlich ein sehr geselliger Mensch. Tatsache ist in jedem Fall: Winfried Hermann hat gerne recht. Und das bekommt immer wieder auch die Deutsche Bahn zu spüren, obwohl Hermann große Stücke auf dieses Verkehrsmittel hält.

Schon als Bundestagsabgeordneter zählte er zu den hartnäckigsten Kritikern des Megaprojekts Stuttgart 21. Als er 2011 nach Stuttgart wechselte, sagte Hermann: Er werde sein Amt abgeben, sollte das Projekt weitergebaut werden; die Ankündigung zog er nach dem Volksentscheid pro S21 zurück. Dann nahm er sich den Großen Verkehrsvertrag vor, den die schwarz-gelbe Vorgängerregierung mit der Bahn abgeschlossen hatte. Viel zu hoch dotiert, fand Hermann. Zweistellige Millionenbeträge behielt er ein, die Bahn nahm es zähneknirschend zur Kenntnis.

Am Dienstag trat Winfried Hermann für das Meisterstück seiner Amtszeit vor die Presse, die Neuvergabe des Schienenpersonennahverkehrs in Baden-Württemberg. Einen Großen Verkehrsvertrag gibt es bald nicht mehr. Hermann hat das Netz in mehr als zwanzig Teile gliedern und einzeln ausschreiben lassen. Er will die Preise drücken und das dadurch gewonnene Geld in den Ausbau des Netzes stecken. Das aus drei Teilen bestehende, höchst lukrative Stuttgarter Netz ist nun also vergeben. Die Deutsche Bahn habe das günstigste Angebot abgegeben, verkündete Hermann. Aber leider: Die Deutsche Bahn kommt nicht zum Zug. Wegen eines Formfehlers.

In etwa gleichzeitig mit den Journalisten erfuhr die DB Regio als offizieller Bewerber: Laut Ausschreibung durfte der Preis für das erste Vertragsjahr maximal um zehn Prozent über den Folgejahren liegen; sie hatte aber 11,5 Prozent veranschlagt. Und ist damit von Rechts wegen aus dem Rennen. "Ich konnte das selbst nicht glauben", sagt Hermann. Er habe sich von hausinternen Juristen beraten lassen, eine externe Kanzlei zu Rate gezogen, zweimal sei der Bescheid eindeutig gewesen. Am Ende legte er die Causa dem Landesrechnungshof vor. Auch der halte die Entscheidung für "nachvollziehbar", sagt Hermann.

Ob das letzte Wort gesprochen ist? Angesichts des Auftragsvolumens von drei Milliarden Euro glaubt Hermann, die Bahn werde alle juristischen Mitteln ausschöpfen; möglicherweise werde die Vergabe des Stuttgarter Netzes erst nach der Landtagswahl im März 2016 gültig. Bis dahin dürfen sich als Sieger fühlen: die Abellio Rail Südwest GmbH, Tochter der niederländischen Staatsbahn, und die Go-Ahead Verkehrsgesellschaft, Tochter der britischen Go-Ahead Gruppe plc. Sie haben nur unwesentlich schlechtere Angebote als die Bahn abgegeben und werden die Nahverkehrszüge zwischen Stuttgart und Mannheim, Pforzheim, Tübingen, Ulm, Aalen, Karlsruhe, Würzburg von 2019 an bestücken.

Ob er damit nicht zum Vaterlandsverräter werde, musste Hermann sich am Dienstag fragen lassen. "Eigentlich müsste ich der Held des Landes Baden-Württemberg sein", erwiderte er grinsend.

Winfried Hermann hat eben gerne recht. Wie von ihm prophezeit, spart das Land durch die Neuvergabe jede Menge Geld: die Hälfte im Vergleich zum alten Vertrag. Und es kommen brandneue Fahrzeuge zum Einsatz. Barrierefrei, mit mehr Sitzkomfort und kostenlosem Wlan. Außen werden sie die Landesfarben Schwarz und Gold tragen.

© SZ vom 18.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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