Der Mann, der Wirecard fast im Alleingang zu Fall gebracht hat, der diesen Scheinkonzern aus Aschheim enttarnte, ist in Berlin und soll als Sachverständiger im Bundestag angehört werden. Vor ein paar Monat noch war Dan McCrums Leben regelrecht einsam: Eine Klage in Deutschland, angefeindet auf Twitter von zahlreichen Wirecard-Aktionären. Selbst eine interne Untersuchung musste er über sich ergehen lassen. Sein Arbeitgeber, die Financial Times ( FT) beauftragte Anwälte, die sein Handy filzten und seine E-Mails lasen. Die Zeitung wollte absolut sichergehen, dass er nicht mit Spekulanten gemeinsame Sache gemacht hatte und durchleuchtete einen ihrer besten Reporter.
2014 hatte McCrum, 42, damit begonnen, sich mit Wirecard zu beschäftigen, ein Jahr später schrieb er eine erste Serie von kritischen Artikeln über das Unternehmen, die er "House of Wirecards" nannte. Es sollte fünf Jahre dauern, bis das Kartenhaus tatsächlich in sich zusammenfiel. Ohne Dan McCrums Recherchen hätte es wohl noch länger gestanden.
Der Anfang vom Ende von Wirecard begann mit einem Artikel, der am 30. Januar 2019 in der FT erschienen ist. Gemeinsam mit einer Kollegin berichtete McCrum über Ungereimtheiten in Singapur. In Asien hatte Wirecard Umsätze erfunden und Bilanzen geschönt. Kaum war der Artikel erschienen, brach der Kurs von Wirecard ein. Doch statt sich mit den erhobenen Vorwürfen näher zu beschäftigen, erstattete die deutsche Finanzaufsicht Bafin Anzeige gegen McCrum, die Staatsanwaltschaft in München nahm Ermittlungen wegen Marktmanipulation auf. Gegen die Wirecard-Vorstände Jan Marsalek und Markus Braun ging die Bafin erst mehr als ein Jahr später vor. "Bist du sicher, dass du nicht geirrt hast", fragten ihn seine Kollegen damals. "'Wurdest du schon verhaftet?', das war bald der Standardgruß in der Redaktion", erinnert er sich. Inzwischen sind die Ermittlungen eingestellt.
Tabellen, Aufstellungen, Nachkommastellen, das ist sein Metier
Wenn man McCrum damals in London traf, lernte man einen bescheidenen, auf Anhieb sympathischen Charakter kennen, der zurückhaltend, beinahe unauffällig wirkt. Kein Cowboy, der große Sprüche klopft, wie Wirecard es ihm stets vorhielt. Nachdem Wirtschaftsstudium hatte er zunächst bei der Citi Bank gearbeitet, Spezialgebiet europäische Firmen. Er wälzte Börsenprospekte, schaute sich Unternehmensstrategien an und vertiefte sich in Geschäftsberichte. Tabellen, Aufstellungen und Nachkommastellen, das ist sein Metier. Seine oft recht nüchternen Texte, die er seit 2007 für die FT schreibt, haben es dennoch in sich. Vor niemandem fürchtete man sich bei Wirecard so sehr wie vor ihm.
Am Donnerstag soll McCrum nun im Wirecard-Untersuchungsausschuss des Bundestags als Sachverständiger vernommen werden, jedoch nicht als Zeuge. Das haben Union und SPD durchgesetzt, gegen den Willen der Opposition, die McCrum in öffentlicher Sitzung als Zeugen hören wollte. Dafür war die Frist dann aber zu kurz; und sowohl die Union wie auch die SPD wollten davon keine Ausnahme machen. Vor allem für die SPD hat das den Vorteil, dass McCrum nur hinter verschlossenen Türen auftritt. Alles, was McCrum in öffentlicher Sitzung sagen würde, könnte schließlich peinlich werden für die Bafin. Und vielleicht auch für das vom SPD-Politiker Olaf Scholz geleitete Bundesfinanzministerium, dem die Bafin zugeordnet ist und das von der Anzeige gewusst hatte.
So aber bleibt der Opposition nur übrig, hinterher von McCrums Aussagen zu berichten; und vielleicht Pressegespräche mit ihm zu ermöglichen. Was aber weit weniger wirkungsvoll wäre als eine Berichterstattung von seinem Auftritt im Ausschuss. Als Zeuge, dann öffentlich, soll er erst später gehört werden.