Nick d'Aloisio hat Pommes und einen Burger bestellt. Auch das Mittagessen erledigt er inzwischen nebenbei. Er hat viel zu tun. Denn der britische Teenager bereitet sich nicht nur auf seine Abschlussprüfung vor, er verhilft auch dem schwächelnden Internetkonzern Yahoo zu neuem Schwung. Im vergangenen Jahr hat das Unternehmen die von ihm entwickelte App Summly gekauft, eine Art Nachrichtenkondensator. Ein Algorithmus dampft im Netz geortete News automatisch auf 400 Zeichen ein - gerade so viel, wie auf die Bildschirmseite eines iPhones passt. In der Zentrale von Yahoo im kalifornischen Sunnyvale hat ein Entwicklerteam unter seiner Führung diese App überarbeitet und kürzlich auf die amerikanischen iPhones gebracht. Yahoo News Digest heißt sie nun. Mit dieser App versucht sich Yahoo als eine Macht in der Medienwelt von morgen zu etablieren.
SZ: Mister d'Aloisio, wie fühlt es sich an, im zarten Alter von 17 Jahren seine Firma für 30 Millionen Dollar zu verkaufen?
Nick d'Aloisio: Die Summe haben wir nie bestätigt . . .
. . . aber das war die Schätzung, die im vergangenen Sommer kursierte, als die Meldung um die Welt ging, dass ein britischer Teenager seine App an den Internetkonzern Yahoo verkauft.
Das Interessanteste für mich an dieser Geschichte ist, dass ich mit dem Verkauf an Yahoo die Möglichkeit hatte, meine App Summly weiterzuentwickeln, auf eine höhere Stufe zu heben. Ich finde es großartig, dass Yahoo mir vertraut und ich dort nun ein exzellentes Team habe, in dem viele Leute von Summly weiter mitarbeiten.
Ach, kommen Sie! Wollen Sie uns wirklich erzählen, dass Ihnen die vielen Millionen gänzlich egal sind?
Ich habe alles auf die Bank gepackt und denke gar nicht darüber nach. Aber es ist natürlich schön zu wissen, dass es das Geld gibt.
Sie haben sich nichts gekauft?
Das Teuerste, was ich mir seit der Übernahme gekauft habe, sind Schuhe. Ich liebe Schuhe. Aber ich denke, dass ich noch Zeit habe, darüber nachzudenken, was ich mit dem Geld mache. Ich habe im Moment auch mit der Schule und unserem neuen Projekt so viel zu tun, dass ich gar keine Zeit habe, darüber nachzudenken, was ich mit dem Geld alles machen könnte.
Bei diesem neuen Projekt, News Digest, geht es darum, den Leuten zweimal täglich die wichtigsten Meldungen aufs iPhone zu schicken. Knapp, schön bebildert - und mit einem kurzen Hinweis versehen, wo man mehr erfährt. Sie haben noch nicht einmal die Schule beendet - und leiten bereits ein Projekt, auf das Yahoo große Hoffnungen setzt. Schon seltsam, oder?
Eigentlich hat sich gar nicht so viel geändert.
Da stapeln Sie jetzt aber etwas tief.
Gut, ich pendle nun zwischen London und Sunnyvale. Aber am Wochenende treffe ich noch immer dieselben Freunde. Und während der Woche gehe ich, so oft es geht, in meine Schule, ins King's College.
Aber auch Ihr Tag hat nur 24 Stunden. Wann kommen Sie überhaupt zum Schlafen?
Es gibt Zeiten, in denen alles entspannt ist, und dann gibt es wieder Zeiten, so wie jetzt, da bin ich sehr beschäftigt. Aber das wird sich auch wieder ändern. Ich schlafe noch normal - mehr als drei Stunden in der Nacht.
Woher nehmen Sie die Energie für zwei Jobs?
Ich weiß es nicht, aber es macht Spaß. Und ich mag Herausforderungen.
Sie haben Summly mit 15 Jahren in Ihrer Freizeit gegründet, weil Sie bei der Prüfungsvorbereitung festgestellt haben, wie schwierig es ist, im Internet schnell das zu finden, was wichtig ist. Summly ist Ihr Baby. Fehlt es Ihnen nicht?
Die eineinhalb Jahre, in denen mein Team und ich an Summly gearbeitet haben, waren eine aufregende Reise mit allen Höhen und Tiefen. Aber unser neues Produkt News Digest ist für mich Summly - nur noch besser.
In welcher Rolle fühlen Sie sich denn wohler? In der des Gründers oder in der des Angestellten?
Mein Traum war es, eine eigene Firma zu haben und meine Ideen umzusetzen. Das habe ich geschafft. Und nun kommt etwas Neues. Ich mag Sprache, Text und Informationsverarbeitung. Wenn ich meinen Abschluss habe, würde ich gern Philosophie studieren.
Also wechseln Sie dann demnächst ins entspannte Studentenleben?
Na ja, Summly wird sicher nicht die letzte Firma sein, die ich gegründet habe. Aber auch wenn es auf den ersten Blick, gerade von außen, nicht so wirken mag: Bei Yahoo gibt es eine Start-up-Kultur. Für mich fühlt es sich nicht so an, als ob ich meine Freiheit verloren habe. Das Einzige, was sich verändert hat, ist, dass ich nun in einem größeren Team arbeite und alles schneller geht.
Nun hat Yahoo nicht gerade den Ruf, eine coole Internetfirma zu sein. Der Konzern wollte sich mit Ihnen doch auch ein Stück Jugend kaufen, oder?
Das kann ich nicht beurteilen. Für mich ist Yahoo vor allem ein Ort, an dem man kreativ sein und etwas aufbauen kann. Meine Firma zu verkaufen war das Beste, was ihr und mir passieren konnte. So können wir die Technologie verbessern - und wir erreichen Millionen neuer Nutzer.
Was haben Sie bei Yahoo gelernt?
Wie große Firmen funktionieren. Es ist mein erster Job, es ist alles ein bisschen surreal, aber ich lerne Strukturen kennen, wie verschiedene Teams arbeiten. Bei Yahoo zu arbeiten, erinnert mich ein bisschen an mein Mathe-Examen. Beides ist wichtig für mich. Und ich lerne dabei viel.
Hat die Schule Sie gut genug auf Ihr Leben als Unternehmer vorbereitet?
Nein, in der Schule habe ich das nicht gelernt.
Sie kennen die amerikanische und die europäische Start-up-Kultur. Welche gefällt Ihnen besser ?
Im Silicon Valley ist alles sehr fortschrittlich, sehr inspirierend. Aber es gibt dort einfach viele Firmen, die sich nur mit Technologie beschäftigen. In Europa und auch in Israel ist das anders. Da gibt es die breitere Perspektive. In England ist beispielsweise die Zusammenarbeit mit der Gesundheits- oder Finanzbranche ziemlich gut.
Haben Sie ein Vorbild?
Steve Jobs ist eines meiner Idole. Leider habe ich ihn nie persönlich getroffen. Er hat nie aufgegeben, und das gefällt mir. Und der Erfolg von Summly wäre ohne das iPhone nicht möglich gewesen.
Lesen Sie eigentlich noch Zeitungen?
Nein. Ich lese News online, am Computer oder an meinem Smartphone. Meine wichtigste Informationsquelle ist Twitter.
Aber Sie klicken schon ab und an mal auf die Internetseite der "New York Times"?
Nein, ich gehe nicht jeden Tag auf deren oder andere News-Seiten. Ich lande eher zufällig dort. Dann, wenn jemand bei Twitter einen interessanten Link geteilt hat. Was ich regelmäßig im Netz lese, sind Tech-Blogs. Aber das gehört ja quasi zu meinem Job.
Ihre neue App News Digest versorgt die Leser zweimal täglich, morgens und abends, mit aktuellen Nachrichten. Reicht das denn?
Für mich ja, das entspricht meinem Leseverhalten. Das ist wie das Frühstücksfernsehen und die Abendnachrichten.
Wettbewerber wie Flipboard machen es anders, sie funktionieren als Stream und bringen so ständig neue Nachrichten. Welches Angebot wird sich durchsetzen?
Ich glaube nicht, dass einer zwangsläufig gewinnen wird. So wie es viele verschiedene Tageszeitungen gibt, so gibt es eben auch einen Markt für diese Angebote. Es hängt einfach vom Nutzungsszenario ab, was der Leser bevorzugt. Aggregatoren, bei denen ständig was Neues dazu kommt, schaffen so einfach eine Masse an Nachrichten, die die Leute ungeduldig macht. Sie haben ständig das Gefühl, etwas zu verpassen. Nur zweimal am Tag aktuelle und wichtige News zu bekommen, ist für diese Menschen erfrischend. Das greift das auf, was wir aus traditionellen Medien kennen. Bei den Aggregatoren, die ständig aktualisieren, ist die Schnelligkeit entscheidend. Bei uns geht es um Effizienz.
Wann kommt der Dienst nach Europa?
Das wissen wir leider noch nicht. Aber wir werden die Nachrichten dann ganz sicher an die einzelnen Länder anpassen. Aber das Design wird dasselbe bleiben.
Nick d'Aloisio , 18, brachte sich im Alter von zwölf Jahren das Programmieren bei - und zwar mit Youtube-Videos und in Chats mit App-Entwicklern. Drei Jahre später, während er für eine Geschichtsarbeit im Internet recherchierte, stellte er fest, wie umständlich die Suche im Netz ist. Das war der Anfang zu seiner eigenen App namens Summly, für die er bei namhaften Risikokapitalgebern Geld einsammelte und sie schließlich vor knapp einem Jahr an Yahoo verkaufte.