Nach der Übernahme von Instagram:Was der Zuckerzauberberg wert ist

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Facebook-Gründer Mark Zuckerberg lässt sich den Fotodienst Instagram mit seinen gerade mal 13 Mitarbeitern eine Milliarde Dollar kosten. In der neuen digitalen Welt zählen eben hauptsächlich Kontakte und immaterielle Güter. Der Fall Facebook zeigt aber noch etwas anderes: Eine Firma ist so viel wert, wie andere dafür zahlen.

Hans-Jürgen Jakobs

In der modernen Welt gibt es für alles einen Rechner. Irgendwo in den Tiefen des Internets existieren Maschinen und Maschinchen, die kalkulieren das Netto vom Brutto (also das Gehalt nach Abzug aller Lasten), den richtigen Hartz-IV-Satz oder den Body-Mass-Index. Natürlich gibt es auch einen Rechner, der per Klick den Wert eines Unternehmens ausspuckt.

Gibt man, nur mal so, die Schlüsseldaten für Facebook ein, dann liefern die Algorithmen einen Wert von 6,3 Milliarden Dollar, was sich aus dem 6,3-Fachen des Gewinns und dem 1,7-Fachen des Umsatzes ergibt. Natürlich weiß inzwischen jeder, dass Facebook 100 Milliarden Dollar wert sein soll und mit entsprechend aufgeblähten Segeln den Börsengang im Mai anstrebt.

Es ist altmodisch geworden, aufgrund von geprüften Bilanzzahlen eine Wertgröße zu ermitteln, in der sich alles Mögliche an Subjektivität ballt: an Hoffnung, an Intuition, an Modischem, an strategischen Leitideen. Eine junge Firma wie der Fotodienst Instagram mit all ihren 13 Mitarbeitern und ihrer ganzen jungfräulichen Umsatzlosigkeit ist dem Facebook-Eigner Mark Zuckerberg nun eine Milliarde Dollar wert - eine Größenordnung, bei der jeder Online-Rechner sofort den Geist aufgibt.

Andere registrieren beckmesserisch, dass die Company rund um die ehrwürdige New York Times (1851 gegründet) mit ihren Abonnenten, Werbekunden und Online-Services nur 970 Millionen Dollar wert ist, jedenfalls wenn man die aktuelle Bewertung an der Börse zugrunde legt. Aber das eine ist nun mal "The Gray Lady", die graue Dame, wie man die Zeitung nennt, die schon viel erlebt und womöglich das Beste hinter sich hat; das andere aber sind hoffnungsvolle "Rookies", Frischlinge, denen angeblich die Märkte der Zukunft gehören sollen.

Die Beispiele zeigen, dass in der Welt der Ökonomie zwar einiges sicher ist, Regeln zum Beispiel, dass Einnahmen auf Dauer die Ausgaben übersteigen sollen - dass aber die Ermittlung eines Firmenwerts im Zweifel auch vom Wahrsager geleistet werden könnte. Ein Unternehmen ist eben so viel wert, wie ein anderer dafür zu zahlen gedenkt. Glauben ganz viele an prächtige Aussichten, an ein Patent oder eine Software oder eine Marke oder eine extreme Kundenbindung, dann steigt die Summe rapide an; umgekehrt führt die pessimistische Sicht auf Vermögen und künftige Leistung zu erheblichen Abschlägen. Aktionäre und Geldanleger sonnen sich gerne bei den Gewinnern von morgen und geben dafür auch mal den Verstand an der Garderobe ab.

Kontakte und immaterielle Güter

Von wegen also Substanzwertverfahren, Ertragswertmethode oder Discounted-Cashflow-Analysis, wie all das theoretische Rüstzeug heißt, zur Hölle mit den Multiplikatoren, die doch nur Unvergleichliches vergleichen - das sind letztlich Hilfsmittel von Betriebswirten, die eine Exaktheit vortäuschen, die es in Wirklichkeit nicht gibt. Denn die Wirklichkeit wird von Erwartungen verzerrt, und gutes Wirtschaften ist immer auch gutes Erwartungsmanagement, worauf sich ein hippes Unternehmen aus Silicon Valley naturgemäß besser versteht als ein Riesenkonzern wie die Deutsche Telekom, der Pensionen für ehemalige Beamte finanzieren muss.

Was zählt in der neuen digitalen Welt, sind nicht Autoreifen oder Kühlschränke, sondern Kontakte und immaterielle Güter. Dinge wie jene 800 Patente, die AOL für 1,1 Milliarden Dollar an Microsoft verhökert hat und die den eigenen Firmenwert um 35 Prozent gesteigert haben.

Schon richtig: Hier führt die Spekulation Regie. Und wenn die besagt, dass Facebook das Unternehmen des 21. Jahrhunderts wird, so wie General Motors oder General Electric die Unternehmen des 20. Jahrhunderts waren, dann ist Zuckerzauberberg mit seinem ganzen "Rookie"-Wesen auf einmal 100 Milliarden Dollar wert. So lange jedenfalls, bis ein neuer Stern am Himmel aufgeht. Erfahrungsgemäß ist darauf Verlass.

© SZ vom 11.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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