Mitten im Streit über Euro-Bonds:Anleger verschmähen deutsche Anleihen

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"Das ist ein völliges Desaster": Jetzt gerät auch Deutschland in die Turbulenzen im Anleihe-Geschäft. Erstmals meldet die Finanzagentur Probleme, Käufer für deutsche Staatspapiere zu finden. Die Zinsen in anderen Euro-Ländern steigen bedenklich. Alles Argumente für gemeinschaftliche Europa-Anleihen? EU-Kommissionschef Barroso hat konkrete Vorschläge für Euro-Bonds vorgelegt.

Die Probleme der europäischen Staaten, frisches Geld aufzutreiben, spitzen sich zu. Jetzt meldet auch Deutschland erstmals Probleme, Käufer für neue Staatsanleihen zu finden. Bei der Auktion neuer Bonds mit zehnjähriger Laufzeit konnte der Bund nur etwa zwei Drittel der angebotenen Summe von sechs Milliarden Euro losschlagen, teilte die für das Schuldenmanagement zuständige Finanzagentur mit. "Das Ergebnis der heutigen Auktion spiegelt das äußerst nervöse Marktumfeld wider", sagte ein Sprecher der Finanzagentur.

Gegen den Widerstand Deutschlands möchte EU-Kommissionschef José Manuel Barroso Euro-Bonds etablieren. (Foto: dpa)

Die Hiobsbotschaft vom deuschen Anleihemarkt platzt mitten in die erbitterte Debatte über gemeinschaftliche Anleihen der Euro-Länder, sogenannte Euro-Bonds. Trotz vehementen Protests aus Deutschland legte EU-Kommissionspräsident Barroso am heutigen Mittwoch detaillierte Pläne für diese Schuldenpapiere vor.

Das geringe Interesse an deutschen Anleihen bedeute zwar "keinerlei Refinanzierungsengpass für den Bundeshaushalt", betonte die Finanzagentur. Experten und Märkte reagierten aber schockiert: "Das ist ein völliges Desaster", sagte Analyst Marc Ostwald von Monument Strategies. Grund für die Zurückhaltung der Anleger ist der extrem niedrige Zins. Die Rendite lag mit 1,98 Prozent erstmals bei einer Erstemission einer zehnjährigen Bundesanleihe unter der Zwei-Prozent-Marke.

Deutschlands Fähigkeit, sich selbst zu refinanzieren, stehe aber weiterhin außer Frage, betonte Vitor Constancio, Vizepräsident der Europäischen Zentralbank. Bislang galten deutsche Anliehen bei Investoren stets als sicherer Hafen, in den sie sich auch noch bei extrem niedrigen Zinssätzen flüchteten.

Denn nach Italien und Spanien waren zuletzt sogar Länder in "Kerneuropa" wie Frankreich, Belgien und Österreich unter Druck geraten. Diese Länder müssen den Investoren immer höhere Zinsen bieten.

Es wird für diese Länder also zunehmend teurer, sich zu finanzieren - eines der zentralen Probleme, das die EU-Kommission mit Euro-Bonds bekämpfen will. In einem Entwurf nennt sie nun drei Schritte: Zunächst eine Koordinierung des Schuldendienstes ohne Gemeinschaftshaftung, dann Euro-Bonds mit gemeinsamer Haftung für ein Teil der Staatsschulden, schließlich der vollständige Ersatz nationaler Anleihen durch Anleihen der Euro-Zone.

Um Euro-Bonds möglich zu machen, will die Kommission die Wirtschafts- und Haushaltsaufsicht in der EU verschärfen. Die Behörde legte dazu zwei Gesetzesentwürfe vor. So soll Brüssel bei Euro-Staaten das Recht erhalten, in nationale Haushalte vor deren Verabschiedung einzugreifen.

Die Bundesregierung lehnt gemeinsame Anleihen strikt ab. Kanzlerin Angela Merkel warnte im Bundestag vor einer Vergemeinschaftung der Schulden. Die Euro-Bonds-Debatte sei "unpassend".

Barroso konterte die deutsche Kritik mit deutlichen Worten: "Es ist nicht angemessen in unserer Europäischen Union, aus Respekt gegenüber dem Vorschlagsrecht und der Pflicht (der Kommission), von Anfang an zu erklären, dass eine Debatte nicht geführt werden soll", sagte er. Andere seien der Meinung, dass es Zeit sei für die Auseinandersetzung. Die Kommission erfülle mit dem Bericht nur ihre Pflicht und lege eine seriöse, rationale Diskussionsgrundlage dazu vor. "Unsere Absicht ist sicher nicht, etwas gegen den größten Mitgliedstaat der EU zu unternehmen", sagte Barroso.

Die Kommission betonte am Mittwoch allerdings, die Schuldenaufteilung sei "nur wünschenswert und machbar, wenn zugleich die Haushaltsdisziplin gestärkt wird". So sollen in allen Ländern Schuldenbremsen eingeführt werden. Zudem sollen künftig nicht nur im Frühjahr die groben Haushaltspläne von Brüssel eingesehen werden: Die Regierungen müssten jeweils bis zum 15. Oktober ihre vollständigen Budgetentwürfe einreichen.

Zwar bleibt die Haushaltshoheit bei den nationalen Parlamenten. Aber wenn sie trotz Einwänden aus Brüssel verabschiedet werden, droht die Kommission mit Sanktionen. Bei dem Verfahren müsste auch Deutschland seine Regeln ändern.

© sueddeutsche.de/dpa/Reuters/AFP/dapd/luk - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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