Mittelstand und Finanzierung:Auf dem Trockenen

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Schwierige Situation für den Mittelstand: Im weltweiten Abschwung versiegen viele Finanzierungsquellen. Wie Unternehmen trotzdem an Kapital kommen können - und wo die Risiken liegen.

Martin Hesse

Als Jürgen Heindl im Sommer vor zwei Jahren Expansionspläne für den Wellpappenhersteller Progroup wälzte, war die Welt für den Unternehmer noch fast perfekt. Die Finanzkrise galt als Problem des amerikanischen Immobilienmarktes. Von einer Kreditklemme war nicht die Rede, von einer Rezession keine Spur. Heindl wollte mit der 1992 gegründeten Firma den nächsten großen Wachstumssprung machen. Er hat ihn gemacht. Seine ursprünglichen Finanzierungspläne musste er allerdings wegen der Bankenkrise umschreiben.

Viele Finanzierungsquellen versiegen in der Krise - und den Mittelständlern fällt es schwer, zu expandieren. (Foto: Grafik: Daxl)

Das Finanzierungsumfeld für Unternehmen hat sich drastisch verändert. Ob es um Firmenkäufe oder Expansionspläne wie bei der Progroup geht, oder nur um die Finanzierung des laufenden Geschäftes: Mittelständler und Konzerne stehen vor Problemen, die sie in den Jahren zuvor nicht kannten. Als Ursache gelten zum einen die Existenznöte der Banken, zum anderen die Rezession.

Selbst die staatlichen Rettungspakete für die Finanzbranche haben die Situation bislang kaum gebessert. "Die Dynamik der Kreditvergabe an Unternehmen hat sich deutlich abgeschwächt. Die Rettungspakete haben noch nicht in dem gewünschten Maße zu einer Belebung der Neukredite geführt", sagt Reinhard Kudiß, Finanzierungsexperte beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI).

Zurückhaltende Banken

Unternehmer Heindl hatte die Zurückhaltung der Banken schon vor dem Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers zu spüren bekommen, der die Lage dann noch einmal deutlich verschärfte. "Wir wollten nach Großbritannien und Polen expandieren und mussten deshalb auch unsere Versorgung mit Rohpapier durch ein neues Werk sichern", erklärt Heindl. Bis dahin hatte er die Expansion überwiegend über Bankkredite, Fördermittel und aus eigenen Erträgen finanziert.

Auch den nächsten Wachstumssprung wollte der Mittelständler zunächst ohne frisches Eigenkapital über Banken finanzieren. "Doch Ende 2007 war klar, dass es anders nicht geht", sagt Heindl. Der Unternehmer sieht den Grund dafür in der Finanzkrise. "Wir haben im Gespräch mit den Banken seit Herbst 2007 gespürt, wie sie wegen der Krise von Monat zu Monat zurückhaltender wurden." Die Progroup suchte schließlich einen Eigenkapitalgeber und fand ihn in der Beteiligungsgesellschaft BWK.

Der Finanzinvestor, der zu 45 Prozent der Landesbank Baden-Württemberg gehört, stieg mit 40 Millionen Euro ein. Das war sechs Wochen vor der Lehman-Pleite. "Ich halte es für ausgeschlossen, dass wir die Finanzierung so auch danach noch hinbekommen hätten, vor allem auf der Kreditseite", sagt Heindl. Matthias Heining, Geschäftsführer der BWK, versichert allerdings: "Wir würden die Investition wieder machen." Die BWK sei von der Unternehmerpersönlichkeit Heindls überzeugt, die Progroup habe gerade wegen der neuen Produktionsanlagen und des frischen Eigenkapitals alle Voraussetzungen, die Krise besser als die Wettbewerber zu überstehen.

Hauptursache für die Kreditknappheit sind die Probleme der Banken. "Die hohen Verluste der Institute schmälern ihr Eigenkapital, zugleich müssen sie ihre Kredite mit mehr Kapital unterlegen, da die Ausfallrisiken bei den Firmen steigen", sagt Kudiß. Die Aufnahme frischen Eigenkapitals über den Markt ist derzeit nur schwer möglich, weil zu teuer. "Also reduzieren die Banken die Bilanz, indem sie weniger neue Kredite vergeben", erklärt er weiter. Grund sind die Kapitalregeln für Banken, die unter dem Stichwort Basel II zusammengefasst sind und ausgerechnet im Abschwung die Kapitalanforderungen erhöhen. Selbst die staatlichen Kapitalhilfen dienten vor allem dazu, Löcher zu stopfen. "Viele Banken sind kaum bereit, neue Kreditlinien einzuräumen, die Verlängerung alter Linien wird auf das Minimum reduziert", sagt auch BWK-Manager Heining.

Lesen Sie im zweiten Teil, welche Branchen besonders unter der Kreditklemme leiden - und welche Finanzierungsmöglichkeiten jetzt sinnvoll sind.

Dieses Bild bestätigt die jüngste Umfrage der Wirtschaftsauskunftei Creditreform. Danach finden 43,2 Prozent der Unternehmen die Finanzierungsbedingungen schwieriger als vor einem Jahr. Weil es schwerer ist, Geld zu bekommen, rechnet fast ein Fünftel der Befragten mit Entlassungen, ergab eine Umfrage des Beratungshauses Jucho & Coll bei 440 Mitgliedern des Familienunternehmerverbandes ASU. Zwar berichtete auch die KfW schon im Februar von verschlechterten Finanzierungsbedingungen für die Firmen.

Eine Kreditklemme sieht die staatliche Förderbank jedoch nach wie vor nicht. Ob es noch Geld gibt, hängt zum einen von der Branche ab. Die KfW sieht vor allem Automobilindustrie, Werften sowie Teile der Metall- und Elektroindustrie stark betroffen. Laut Creditreform wurden Kreditanträge vor allem im Einzelhandel und im Baugewerbe abgelehnt. Auch die Größe spielt eine Rolle. "Größere Unternehmen sind tendenziell stärker vom Export abhängig und dadurch jetzt stärker von der Krise betroffen", sagt Kudiß. Außerdem scheuen Banken sich vor allem, große Finanzierungen zu bewilligen. Die KfW sieht auch die besonders kleinen Firmen benachteiligt, ihr finanzieller Puffer ist häufig kleiner.

Kreditversicherer riskieren nichts mehr

Aber nicht nur die Banken schaffen Probleme. Zurückhaltender agieren auch die Kreditversicherer. "Es geht ja nicht nur um Investitionen, sondern auch um die Finanzierung des laufenden Geschäftes", erklärt Kudiß. Hier spielen die Kreditversicherer eine wichtige Rolle: Viele Firmen geben ihren Kunden für den Kauf der Ware Kredit, über eine Versicherung schirmen sie sich gegen das Ausfallrisiko ab. Doch für Kunden mit hohem Ausfallrisiko haben sich im Gefolge der Krise die Konditionen verschlechtert, sie müssen mehr zahlen, manche bekommen gar keinen Schutz mehr.

"Das kann bedeuten, dass die Lieferkette reißt, weil unbesicherte Kunden im Zweifel nicht mehr beliefert werden", sagt Kudiß. Aber auch die Kreditwürdigkeit des Lieferanten bei den Banken sinkt weiter, wenn die Kundenzahlungen nicht mehr abgesichert sind. Deshalb fordert Kudiß eine tragfähige staatliche Risikoauffanglösung, die den Versicherern Anreize schafft, wieder mehr Unternehmen ausreichende Dienstleistungen anzubieten.

Eigenkapital erhöhen

Probleme kommen auch auf Firmen zu, die sich vor der Finanzkrise mit sogenanntem Mezzanine finanziert haben. Diese Mischform aus Eigen- und Fremdkapital hatten Banken einige Jahre lang in großem Stil angeboten, verbrieft und an Investoren vertrieben. Doch die Verbriefungsmärkte liegen danieder. "Die Alternative Mezzanine ist fast zum Stillstand gekommen", sagt BWK-Manager Heining. Die Folgen wird man in den nächsten Jahren sehen, wenn die Mezzanine-Programme auslaufen und viele Firmen Anschlussfinanzierungen brauchen.

Direkten Zugang zum Anleihenmarkt und damit eine Alternative zum Bankkredit haben viele Mittelständler bisher nicht. Allerdings denken laut der ASU-Umfrage 15 Prozent der Familienunternehmen darüber nach, Anleihen auszugeben, um die Kreditklemme zu überwinden. Eine weitere Alternative können Schuldscheindarlehen sein, über die Firmen Mittel bei großen Kapitalsammelstellen wie Versicherungen aufnehmen.

"Über Schuldscheindarlehen können sich Unternehmen teilweise wieder finanzieren", sagt Heining. Aber das sei erst ab Investitionssummen von 50 Millionen Euro sinnvoll, komme also für viele Mittelständler gar nicht in Frage. Finanzieruingsalternativen müssten sie daher erst mal intern suchen, etwa indem sie ihr "working capital", also ihr Umlaufvermögen, reduzierten oder Forderungen verkauften, sogenanntes Factoring.

Die Chance auf neue Fremdmittel werden für die Unternehmen besser, wenn es ihnen gelingt ihr Eigenkapital zu erhöhen. In den Jahren vor der Krise hatte der deutsche Mittelstand über einbehaltene Gewinne seine Kapitalausstattung deutlich verbessert. Doch gerade jetzt ist auch diese Quelle für viele Firmen versiegt. Eine Alternative zur Kapitalbeschaffung können mittelständische Beteiligungsgesellschaften sein. Allerdings sind Finanzinvestoren, die wie die BWK bei der Progroup auch Minderheitsbeteiligungen eingehen, noch immer selten.

© SZ vom 09.04.2009/kaf/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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